T W E N T Y - O N E

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Verärgert starrte ich die zufallende Tür an.
Warum durfte sie nun einfach so beleidigt verschwinden, obwohl sie sich das selbst eingebrockt hatte?
Ich hatte sie mehrfach ermahnt es zu lassen, doch natürlich hatte sie mir nicht zugehört. Was konnte ich nun für ihr Verhalten?
Doch so sehr ich auch versuchte mir keine Schuld zuzureden, spürte ich sie.
Sie war da und nagte pausenlos an meinem Gewissen.
Doch in mir drinnen wusste ich, dass ich überreagiert hatte.
Cassy ist eben so, wie sie ist und das war auch gut so. Denn wenn alle Menschen wie ich wären, wo wäre dort dann noch der Spaß und die Lebensfreude? Wir brauchten alle einen anderen Charakter im Gegenzug zu unserem. Ansonsten wäre es nur Einsamkeit.
Und genau diese Erkenntnis nährte meine Schuldgefühle wie Sauerstoff ein Feuer.

Klirrende Kälte empfing mich außerhalb des warmen Gebäudes.
Ich konnte nicht sagen wie lange ich hier nun schon unterwegs war, jedoch besaß die Zeit gerade für mich keine Priorität.
Ich wollte nur noch weg. Vor Cassy. Vor meinem Leben, meinem Schicksal. Vor dem Internat. Vor allem.
Frostige, kleine Schneeflocken ließen sich in meinen verstrubbelten braunen Haaren und meiner kleinen Nasenspitze nieder. Mein Shirt und Jogginghose waren mittlerweile schon völlig durchnässt, was meiner eigenen Körpertemperatur nicht gerade gut tat.
Das bisschen Schnee, das sich mittlerweile auf dem Boden zu einer dünnen Schicht niedergelassen hatte, knirschte unter den Schritten meiner einfachem Turnschuhe. Insgesamt musste ich ein schreckliches Gesamtbild darstellen und ein weiterer Hustenanfall, der ungerührt von meinem bisherigen Ergehen durchschüttelte machte dies auch nicht gerade besser. Mein Herz machte sich durch die Kälte bemerkbar und immer wieder, in ungleichmäßigen Abständen, durchfuhr ein stechender Schmerz meinen Brustkorb und Oberkörper.
Wie ein Tagträumer hing ich meinen Gedanken nach, nur dass sie eben leider keine Träume waren.
Nun verstand ich Cassy bestens und ohrfeigte mich innerlich für mein unsoziales Verhalten ihr gegenüber. Jeder Mensch hatte eben seine Vorlieben und seinen ganz eigenen Charakter, und genau wie vorhin änderte das fast komplett meine Sichtweise der Welt.
Wie viel machten wir bloß einfach falsch. Für falsche Meinungen und Gedanken wurden wir zurechtgezogen, einige fürchteten es sogar welche zu haben. Und konnte man das wirklich leben nennen? Eher nicht. Und genau das hatte ich mit meiner Zimmergenossin getan. Ich hatte ihr ihre Meinung, ihre eigene Art zu leben unterdrückt.
Plötzlich, bevor ich noch tiefer in meine Gedankengänge verschwinden konnte, riss mich eine allzu bekannte Stimme aus ihnen heraus.
"Na sieh doch einer an, was für ein Glückstag für mich", dröhnte seine Stimme durch meinen Kopf und sofort gefror mir sämtliches Blut in den Adern. Sogar mein tödliches Herz hielt augenblicklich still.
Kurz darauf erscholl ein kehliges, hämisches Lachen und ließ mich endgültig erstarren.
Er hatte mich gefunden.

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