T H I R T Y - T H R E E

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Mit einem Satz sprang ich auf, rannte unter vollem Adrenalin erneut zur Tür, nur um sie wie wild aufzureißen.
Panisch blickte ich mich im Flur um, doch dort war keine Menschenseele.
Alarmiert sprang ich in den Gang, auf in Richtung des Zimmers, das Jakob gehörte.
Doch es war leer.
Keine Spur von ihm.
Gerade wollte ich es verlassen, als mir ein Bild ins Auge stach.
Ein Schauer durchzuckte mich, als ich das Hochhaus erkannte, vor dem ich beinahe vergewaltigt worden wäre.
Und oben drauf - ein Kreuz.
Es hätte alles andere sein könnte, doch in mir drinnen schrie etwas, es ist sein Zielort.
Zitternd - ob vor Angst oder Sorge, das konnte ich nicht sagen - sprintete ich zurück zu meinem Zimmer und zum ersten Mal seit längerer Zeit machte sich mein Herz durch ein verräterisches Stechen bemerkbar.
Ich musste es ignorieren, wenn mir später hoffentlich noch dazu die Zeit reichte.

Hinter mir fiel die Tür der Eingangshalle ins Schloss.
Dieses Mal bepackt mit einer dicken Jacke und Stiefeln rannte ich los, folgte dem Weg, den ich erst gestern gegangen bin.
Das ganze war so unglaublich, es fühlte sich so unnormal an.
Mein ganzes Leben stand Kopf, nie hätte ich auch nur in Erwägung gezogen einmal in so einer Situation zu stecken.
Doch was sollte ich sonst tun?
In dem Wissen, dass sich gerade in diesem Moment ein Mensch das Leben nahm, im Bett liegen und es geschehen lassen?
Damit weiterzuleben und zu wissen, dass man es hätte verhindern können?
Allein es nur in Erwägung zu ziehen war purer Selbstmord.
Leise knirschte der Schnee unter meinen Sohlen, und je weiter ich mich vom Schutz des Gebäudes entfernte, umso kälter und stärker wurde der eisige Winterwind.
Kleine Wölkchen bildeten sich vor meinem Mund, meine Lunge brannte von der eisigen Luft die ich durch ihn einatmete.
Schon nach einer Weile schrie alles in meinem Körper Protest, meine Beine, Waden, brannten und das Atmen viel mir immer schwerer.
Die Abstände zwischen den schmerzhaften Stichen im Bereich meiner Brust, meines Herzens, wurden immer kürzer und dadurch wurde mir klar, wie kurz ich nur noch zu leben hatte.
Mein Ablaufdatum lief bereits, war nicht mehr weit entfernt.
Doch Jakob seins war noch näher.

Noch mehr Wolken waren aufgezogen, verdunkelten den Himmel und die gesamte Umgebung.
Passend zu den Plänen für diesen Tag fingen Regentropfen und Schneeflocken zur gleichen Zeit an, aus ihnen hervorzurieseln.
Binnen von Sekunden war alles um mich herum einer matschigen Masse gewichen und eine erste Spur von Feuchtigkeit drang durch meinen dicken Mantel durch.
Würde mich das Leben, das nun schon bald enden würde, nicht so beschäftigen, würde ich einfach umdrehen und nach Hause stapfen.
Nichts wünschte ich mir gerade mehr als eine warme, trockene Wohnung; ein Leben ohne Probleme und Sorgen - doch das würde mir alles noch verwährt bleiben.
Und doch, die Bäume durch die ich gerade eben noch ging, lichteten sich und vor mir erhob sich das erste Hochhaus, das ich je hatte besteigen müssen.
Die Sammlung an Wohnungen, durch die in kürzester Zeit ein mir bekannter Mensch sein Leben beenden wollte, es tat.
Mit einigen großen Schritten hatte ich die Haupttür erreicht und riss sie auf, nicht abgeschlossen.
Er war schon da.
Mit vor Nässe auf dem Fliesenboden quietschenden Schuhen stürmte ich auf die ewige Länge der Treppen zu und hinauf.
Der Countdown hatte begonnen.

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