6.

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... meine Eltern.
Was machen die den hier?

"Endlich die Familienzusammenführung. Ist das nicht toll 143?" sagt Doktor Hall hinter mir. Ich habe sie gar nicht bemerkt, war aber irgendwie klar, dass sie auch da sein muss.

Mittlerweile kann ich schon wieder meinen Körper spüren und kann mich auch wieder bewegen.
"Ja, ist ja sooo toll." sage ich deswegen ironisch, denn meine Eltern sehen nicht so aus, als wären sie erschüttert oder so.

"143, wie geht's dir?" fragt mich meine Mutter.

Ist sie denn jetzt noch meine Mutter? Sie wusste, dass ich hier bin, wahrscheinlich habe sie ihnen auch noch geholfen mich hierher zu bringen!

"Ich bin Harper und nicht 143. Wie oft denn noch. Habt ihr kein Gehirn oder so?" frage ich wütend. Ich bin jetzt schon auf 180. Ich weiß nicht was schlimmer ist, dass mich meine Mutter gefragt hat, wie es ihrer gefesselten Tochter geht, oder dass sie mich einfach ausgeliefert haben!

"Beruhig dich 143, du brauchst deine Kraft für nachher." sagt mir der Doc.
"Halt du dich da raus." Gifte ich sie an.
"Und ihr, verschwindet. Niemand braucht euch. Verschwindet in euer schönes perfektes Leben und lebt das. Verpisst euch na los! Ihr habt niemand der euch liebt oder je lieben wird. Und jetzt verschwindet und lasst mich hier allein. NA LOS!" schreie ich sie an.

Es fließt keine Träne von mir oder meinen jetzt nicht mehr exestierenden Eltern. Sie schauen mich nur an.
"Wie haben wir das nur verdient?" sagt meine Mutter enttäuscht und schaut zu ihrem Mann.
"Schäm dich, so wie du bist! Wie konnten wir dich nur jemals lieben?" wirft sie mir an den Kopf.
"Ich verstehe es auch nicht, wie ich euch jemals als meine Eltern ansehen konnte. Aber die Menschen sind unergründlich oder nicht?" frage ich sie gelangweilt.

Viele würden vielleicht jetzt am Boden zerstört sein, wenn ihre Eltern soetwas sagen würden, aber ich hab es schon längst bemerkt. Jeden einzelnen verdammten Tag, haben sie mich angesehen als wäre ich Schimmel. Es hat erst angefangen, als auch mein Kraft aufgetaucht ist.

Am Anfang war ich innerlich leer und ich war so kaputt. Ich wusste nicht was ich falsch gemacht hatte, dass sie mich nicht mehr lieben geschweige denn ansehen konnten. Ich war 14. Ich verstand es nicht. Es war nur wichtig, wie ich in der Schule war und zu ihren Gästen, die manchmal bei uns aßen. Nur das äußere musste gut aussehen, aber die Fassade hinter dem ganzen, waren schlimm.

Irgendwann habe ich mich damit abgefunden, dass sie mich einfach nicht mehr lieben. Weswegen wusste ich nicht, bis jetzt.

Ich bekam eine Backpeife, die mich wieder aus meinen Gedanken holt.
"Wie kannst du es nur wagen, so mit meiner Frau zu reden? Und dann auch noch den Namen unseres Mädchens, unsere Tochter anzunehmen? Sie war so perfekt, aber schau dich an? Du bist ein Freak, ein Monster. Du bist immer in unser Haus gekommen. Jeden einzelnen Tag und tatest so, als wärst du Harper. Aber das bist du nicht, oder eher gesagt nicht mehr. Du bist nur noch ein Ebenbild von ihr. Doch im inneren bist du jemand anderes. Schau doch nur, wie du dich immer angezogen hast! Eine Schande für unsere Familie!" schreit der Mann, den ich mal als Vater betitelt habe.
"So schnell kann es gehen!" antworte ich und zucke mit den Schultern.

Nach einer Weile der Stille und des Bösen anstarrens schickt sie der Doc aus dem Raum. Jetzt bin ich allein mit dem Doc und ein paar Leuten. Ich denke die sind soetws wie im Krankenhaus die Krankenschwestern.

"So, da wir dass jetzt dann auch geklärt hätten, würden wir jetzt mir der ersten Untersuchung anfangen."
Ich merke einen Stich an meinem Hals und wie mir etwas in den Körper gespritzt wird.
"Schlaf gut." waren die letzten Worte des Docs und schon war erneut alles schwarz um mich herrum.

"Scheiße, sie wacht langsam auf. Spritzt nochmal nach." höre ich eine gedämpfte Stimme um mich herum. Meine Sicht ist verschwommen als ich meine Augen öffne. Mein Körper schmerzt wie die Hölle. Ich kann mich nicht bewegen, weil ich vielleicht auch keine Kraft dazu habe.

Erneut spüre ich einen Stich im Hals und die Schmerzen hören sofort auf, und alles wird erneut schwarz vor meinen Augen.

Ich wache langsam wieder auf, meine Sicht ist verschwommen und mein ganzer Körper schmerzt. Als sich meine Sicht verbessert, merke ich, dass ich in meinem Zimmer bin und auf dem Bett liege.

Ich kann mich nicht bewegen, geschweige denn richtig Atmen. Meine Lunge fühlt sich an, als ob man sie zerstört hätte und dann versucht hat sie wieder zusammenzusetzen.
Ich versuche so flach wie möglich zu atmen, um so wenig Schmerzen zu haben wie möglich.

Nach einer ganzen Weile traue ich mich, mich zu bewegen. Es schmerzt höllisch, aber ich versuche mich aufzusetzen. Tränen schießen in meine Augen und laufen meine Wangen herunter. Nach ein paar Versuchen schaffe ich es endlich und sitze jetzt auf meinem Bett.

Erst jetzt bemerke ich, dass ich etwas anderes anhaben als vorhin. Ich trage nicht mehr den Anzug, sondern ein OP-Hemd. Ich reiße meine Augen auf. Haben die mich etwa operiert? Geht es denen noch gut? Die können mich doch nicht einfach operieren!

Meine Atmung verschnellert sich und ich merke wie sich mehr Tränen in meinen Augen bilden. Ich habe zwar gesagt, dass es hier vielleicht nicht so schlimm ist, aber jetzt? Jetzt ist das etwas anderes.

Ich stehe schmerzwerfüllt auf und laufe langsam im Zimmer rum. Ich stehe kurz vor einer Panikattake. Ich raufe mir die Haare und versuche mich wieder zu beruhigen.

Das OP-Hemd hilft auch nicht gerade dabei, denke ich mir und schaue mich im Raum um. Auf dem Boden liegt der Anzug, also laufe ich dort hin und hebe ihn auf. Ich habe mittlerweile aufgehört zu weinen und mache gerade das OP-Hemd auf. Mir ist es egal ob hier eine Kamera ist oder nicht. Was habe ich den schon noch zu verlieren. Die haben doch schon alles von mir gesehen!

Das OP-Hemd ist hinten nur mit einer kleinen Schleife zusammengebunden und es geht mir bis über die Knie. Es ist weiß gehalten, wer hätte es gedacht! Darunter, bin ich wie zu erwarten Nackt. Zum Glück liegt auf dem Boden noch etwas ähnliches wie Unterwäsche.

Ich mache das OP-Hemd auf und schnappe nach Luft. Ich streiche über die lange Wunde, die mittig an meinem Bauch anfängt und bis nach oben zu meiner Brust geht. Sie ist noch nicht verheilt und sieht noch frisch aus. Die Nähte sind nur provisorisch hingemacht, dass sie halten, aber nicht mehr. Sie haben es auch nicht verdeckt mit einem Pflaster oder so.

Ich bin gerade fertig angezogen und dachte, es kann nicht noch schlimmer kommen, da wird meine Tür geöffnet. Natürlich steht da ein grinsender Mann. Er kommt auf mich zu und packt mich am Arm und ich lasse es ohne mich zu wehren zu. Mir ist das alles egal.

Ich frage ihn nicht wo er mich hin bringt, das werde ich schon noch erfahren.

Nach einer Weile kommen wir wieder an der Doppeltür an, die zum Essen führt und er schubst mich wieder hinein, aber bevor er überhaupt die Tür öffnet, gibt er mir noch einen Stromschlag in den Rücken. Ich schreie nicht und mache auch sonst keinen Laut, ich lasse es einfach über mich ergehen.

Der Raum ist wieder still, als ich hineinkomme. Ich ignoriere es und laufe unter großen Schmerzen, wegen meiner Wunde zur Essensausgabe. Ich lasse mir den Schmerz aber nicht anmerken, und laufe mir geradem Rücken und hocherhobenen Kopf durch den Saal.

Ich hole mir das Essen und gehe an meinen Tisch. Ich werde die ganze Zeit angestarrt, von allen, sogar von den Blacks, die Gruppe mit der Schwarzen Schrift auf der Brust.

Experiment Nummer 143Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt