10.

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Ich gehe also hinüber zu Scarlett und tippe sie an der Schulter an.
"Scarlett, es tut mir leid. Es tut mir leid was ich gesagt habe und was ich gemacht habe. Ich hätte nicht so sein sollen." sage ich so gespielt aufrichtig wie möglich.
Was macht man nicht alles für eine Zwecksfreundschaft? Ich würde mal behaupten ziemlich viel.

Ich schaue Scarlett lange in die Augen. Zuerst sah sie wenig begeistert und ungläubig aus. Nach einer Weile aber freundlich und verstehend.
"Ich weiß, ich war aber auch nicht gerade freundlich zu dir. Sorry." sagt sie und lächelt mich an und ich mache es ihr nach.
"Freunde?" fragt sie plötzlich und ich bin ein bisschen erschreckt davor, wie freundlich sie sein kann.
"Klar." antworte ich ihr darauf, als ich mich wieder gefasst habe.
Wir gehen zusammen zu den Jungs.
"Also, euer Plan?" Frage ich sie.
Sie lächeln beide glücklich, als sie uns zusammen sehen.
"Du musst ihnen erst das Gefühl geben, dass du sie respektierst und alles machen, was sie verlangen. Ich denke, dass wird einfacher gehen, als du denkst. Sie haben schon Angst vor dir, jetzt muss du ihnen nur noch vorspielen, dass sie dir vertrauen können. Ich habe gehört, dass du großes Potenzial in dir sehen.
Was hast du für eine Kraft?" fragt mich Jack interessiert. Die anderen schauen genauso drein und ich kratze mich verlegen am Nacken.
"Ich kann mit meinem Blick töten?" sage ich, doch es hört sich an wie eine Frage. "Cool, ich kann die Gestalt verändern, in andere Menschen." gibt Sam als Antwort darauf.
"Ich kann teleportieren." sagt Jack eher leiser. "Und ich kann mich unsichtbar machen. Eigentlich ziemlich lahm, aber wenn man gut kämpfen kann, ist es super." sagt Scarlett erfreut.

"Wir sollten alle mal weitertrainieren, ansonsten bestrafen sie uns." sagt Sam auf einmal emotionslos und wir nicken alle einverstanden. Ich und Scarlett gehen zu den Gewichten.
"Sag mal, wie hast du eigentlich entdeckt, dass du unsichtbar werden kannst?" frage ich sie interessiert.
"Naja, die Kraft kam als ich 13 war. Ich bin aufgestanden und fühlte mich ganz normal. Hab mich angezogen und bin runter in unsere Küche gegangen. Ich wollte meinen Eltern guten Morgen sagen, hab sie aber nicht gefunden, also bin ich in unseren Pool. Ich hatte mir extra schon den Bikini angezogen. Also bin ich hineingegangen und bin eben geschwommen. Irgendwann kam ein Schrei, der vom Haus aus kam. Ich bin rein gerannt hoch ins Obergeschoss. Dort sind meine Eltern gestanden, die sich umarmen. Meine Mutter hat geweint. Ich habe gefragt, was den los sei, doch sie haben nicht reagiert. Ich hab gehört wie nach mir riefen und nur noch mehr weinten, als ich angeblich nicht geantwortet habe. Ich hab sie angeschrien. Aber sie haben mich nicht gesehen. Sie haben die Polizei gerufen und sie haben nach mir suchen lassen. Ich war die ganze Zeit in meinem Zimmer und habe geweint.
Irgendwann bin ich wieder sichtbar geworden, nach einer ganzen Woche. Meine Eltern waren überglücklich mich wiederzuhaben. Ich war es ebenfalls. Ich hab ihnen nicht gesagt, dass ich unsichtbar war und die ganze Zeit im Haus. Sie haben gedacht, dass ich entführt würde, also wurde ich Entführt.

Ein Jahr später wurde ich dabei erwischt, von Sam, der sich in einen kleinen Jungen verwandelt hat und mich somit enttarnt hat. Seitdem bin ich hier." erzählt sie mir, ohne irgendwelche Emotionen in der Stimme aber sie sieht mich traurig an.
Seit sie 14 ist, ist sie also hier, verdammt ist das lange!
Sie muss jetzt ungefähr 18 oder 19 sein! Also seit ungefähr 4 Jahren!
"Also war Sam schon vor dir hier?" frage ich sie.
"Ja, und Jack ist sogar schon länger hier als Sam. Jack weiß nicht einmal mehr, wie es draußen aussieht. Er kann sich an sein Leben da draußen nicht mehr erinnern. Ich und Sam können uns wenigstens noch ein bisschen daran erinnern. Sam ist ungefähr 2 Jahre vor mir hergekommen. Er war oder ist ein Jahr älter als ich, also ist er mit 12 Entführt worden. " erklärt sie mir und ich schaue sie geschockt an. Ich muss unbedingt mal auf die Nummer der beiden schauen!

"Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen und wenn dann nur um dich zu verletzten, aber jetzt sage ich es, weil du es einfach wissen solltest. Sam, du weißt jetzt, dass er seine Gestalt wandeln kann. Er hat dich enttarnt, genau wie mich. Er war der kleine Junge, der dich genervt hat. Er ist aber nicht weggerannt, weil er Angst hatte, sondern weil er das einfach nichtmehr kann. Er hasst es. Seinesgleichen das anzutun, muss es aber machen. Bitte, sei nicht sauer auf ihn!" berichtet sie mir.
Noch mehr Schock!
Sam war also der kleine Junge mit den grünen Augen. Hab ich doch gewusst, dass er mir bekannt vorkommt.

Ich verstecke den Schock schnell wieder und mache meine Übungen weiter.
"Und wie hast du von deiner Kraft erfahren. Sie ist, wie soll ich sagen, ziemlich tötlich." scherzt sie.
"Ja, das ist sie." Antworte ich ihr darauf nur ohne Emotionen in der Stimme.

Nach kurzen Überlegen, ob ich es wagen soll und meine Geschichte teilen soll, entscheide ich mich dafür.
Ich sage ihr, wie ich gemobbt wurde, wie James mein Mobber, mich besucht hat und welche Worte er mit an den Kopf geworfen hat. Dann, wie ich mich an die letzten Jahre erinnert habe und die Wut stieg. Und wie er bluten aus Nase, Mund, Ohren und Augen tot umgefallen ist. Scarlett hört mir interessiert zu und nickt einigemale verstehend.
"Sei froh, dass du noch drei Jahre ohne enttarnt zu werden weiterleben konntest." sagt sie nur und macht ihre Übungen weiter.

Wahrscheinlich sollte ich das, aber mache ich es wirklich?

Experiment Nummer 143Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt