3. Man sieht sich immer zweimal!

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Mein Leben ist ziemlich verkorkst. Ich bin seit zwei Monaten mit Peter zusammen, den ich über meinen Vater kenne, aber offiziell bin ich Single, weil Peter offiziell Single ist. Kling kompliziert, ist es aber nicht. Peter ist bekannter Schauspieler und will unsere Beziehung einfach vor der Presse geheim halten und ist somit offiziell nicht vergeben. Aber er hat mir versprochen, dass sobald das mit uns wirklich ernst ist, er es offiziell machen wird. Keine Ahnung, was er mit ernst meint. Meint er damit, wenn wir verheiratet sind? Sex hatten? Oder wenn er das Gefühl hat, wir beide sind unsterblich ineinander verliebt?

Ja, ich muss zugeben, ich bin nicht gerade die größte Romantikerin, war ich auch nie wirklich. Vielleicht ist Peter aber auch nur nicht der richtige?

Endlich habe ich die Zugabe für die Serie Violetta bekommen. Ich war schon total aufgeregt deswegen. Jetzt war meine Chance, allen zu zeigen, was in mir steckt. Ich konnte beweisen, dass ich nicht das kleine, süße Kind bin, das alle in mir sehen. Selbst Peter sah nur dieses Mädchen in mir…

Aber weg mit den nervigen Gedanken über meine Probleme, denn jetzt brauchte ich meine Aufmerksamkeit und möglichst viel Coolness, um hier nicht völlig unterzugehen. Wenn ich hier schon die jüngste war, musste ich eben durch mein Talent überzeugen. Doch überpünktlich wie ich war, war ich fast die einzige, die in den Räumen herumschlich. Nur der Regisseur und die Produzenten waren schon da, die mich begrüßten und mir schon mal wichtige Informationen mitteilten.

„Bin ich denn wirklich die jüngste?“ fragte ich und der Drehbuchautor nickte. „Ja, aber keine Sorge. Die sind alle richtig nett und manchmal denke ich mir bei den Jungs, die sind nicht halb so reif wie du, auch wenn sie viel älter sind als du. Und wenn ich ehrlich bin, hätte ich dich auch älter eingeschätzt als 15.“ „Ich bin erst 14.“ Korrigierte ich. „Aber fast 15. Aber ich hätte schon gedacht, dass du 16 oder 17 bist.“ „Kommst du mal kurz?“ rief der Produzent und der Drehbuchautor nickte. „Ja, sofort. Ich komme gleich wieder, Martina.“ Sagte er und ging, ließ aber sein Klemmbrett auf dem Tisch liegen. Neugierig wie ich bin, musste ich natürlich nachsehen, was da draufstand.

Es war die Besetzungsliste. Candelaria, Lodovica, Athur… kenn ich alle nicht… oh, Diego Ramos! Den kenne ich. Ein berühmter Schauspieler in Argentinien. Blablabla, kenn ich nicht kenn ich nicht…das bin ich…kenn ich nicht,… warte mal. Jorge Blanco? JORGE BLANCO? DER Jorge Blanco? Ich sah genauer auf das Papier. Er spielte anscheinend den León. Hm, half mir nicht weiter. Aber wenn es wirklich der Jorge Blanco war, den ich kannte… ach unsinn, wie viele Jorge Blancos wird es wohl geben in Lateinamerika? Hunderte? Tausende? Aber soweit ich mich erinnern kann, wollte Jorge unbedingt Schauspieler werden, weswegen ich überhaupt erst darüber nachgedacht habe, ob das auch etwas für mich wäre.

Das wäre so cool, wenn wir uns ausgerechnet wieder hier sehen würden. Aber erneut musste ich zugeben, dass es sehr unwahrscheinlich war. Am Ende war ich noch traurig und enttäuscht, dass es ein völlig anderer war, also durfte ich mir jetzt keine Hoffnungen machen.

Der Drehbuchautor kam zurück und ich legte schnell das Klemmbrett zurück. Doch nicht schnell genug. „Das dachte ich mir, dass du dich dafür interessierst.“ Er lachte. „Und, etwas herausgefunden?“ Ich nickte verlegen. „Ja, dieser Jorge Blanco! Ist er zufällig aus Mexico?“ fragte ich so beiläufig wie nur möglich. „Du, also, er war definitiv nicht aus Argentinien, er hatte nämlich einen seltsamen Akzent. Aber Mexico kann durchaus sein, ja. Wieso?“ Sein Akzent ist nicht seltsam, sondern einfach nur himmlisch, hätte ich fast gesagt, doch dann hätte ich mich ja verraten. Keine falschen Hoffnungen, Martina! „Ach, nur so. Mir kam der Name bekannt vor.“

„Ach so. Naja, jetzt weißt du ja eigentlich alles. Das heißt, du könntest gehen, wenn du willst.“ „Nein, ich will die anderen noch kennen lernen!“ widersprach ich. „Okay. Aber die kommen wahrscheinlich erst in 10 Minuten.“ „Kein Problem, ich warte so lange.“ Und das Warten hatte sich gelohnt!

Denn in der kleinen Gruppe der Schauspieler war tatsächlich Jorge dabei. Jorge Blanco, der Junge, in den ich vor so vielen Jahren verliebt war. Der war jetzt nach vier Jahren wieder mit mir in einem Raum. Mein Herz klopfte augenblicklich, als ich den jetzt viel erwachseneren Jungen sah und mein Mund stand weit offen. War das etwa alles ein Traum? Schlief ich? Ich kniff mich in den Arm und mich durchzuckte ein kurzer Schmerz. Gut, kein Traum. Jetzt sah er auch mich. Endlich! Und seine Reaktion war nicht minder überrascht.

Der Regisseur erklärte den anderen alles und ich erwischte mich dabei, wie ich ihm die ganze Zeit Blicke zuwarf. Aber auch er sah ab und zu mir.

Nachdem der Regisseur mit seiner Ansprache fertig war, war es allen überlassen, ob sie gehen wollten. Viele, die sich schon länger kannten, gingen raus, die meisten blieben aber drinnen und fingen an, sich miteinander zu unterhalten. Jorge und ich trafen uns vor dem Gebäude und setzten uns auf Steine, die wie Sitzbänke dalagen. „Ich wusste, dass es mich irgendwann einholen wird, dass ich den Schwur gebrochen habe.“ Meinte er mit einem Grinsen. Und diesem wundervollen Akzent. Seine Stimme ist jetzt tiefer geworden, aber dafür nur noch umso sexier.

Ich lachte. „Ich habe meinen ersten Kuss auch schon lange hinter mir, also glaub mir, daran liegt es nicht. Du bist also tatsächlich Schauspieler geworden.“ Er nickte. „Du auch, wie ich sehe.“ Ich nickte ebenfalls. „Oh, fast hätte ich es vergessen.“ Meinte ich und knöpfte die ersten zwei Knöpfe meiner Bluse auf. „Was machst du da?“ fragte er und zog eine Augenbraue hoch. Ich hielt inne und sah ihn erschrocken an. „Ach so! Nein, nein! Ich wollte nicht…“ versuchte ich zu erklären, dass das keine billige Anmache sein sollte. Ich nahm meine Kette und ab sie ihm zurück. „Hier!“ „Du hast sie echt behalten?“ fragte er und betrachtete sie in seiner Hand. „Du hast das Band ausgetauscht.“ Stellte er fest. „Ja, ist nach zwei Wochen gerissen.“ Er lachte kurz, legte die Kette neben sich auf die Bank und griff an seinen Hals.

„Du hast sie auch noch?“ „Natürlich! Nie abgenommen.“ Meinte er und gab sie mir. Ein Lederband war jetzt anstelle des Wollfadens, aber der Anhänger war noch da. „Soll ich dir Kette umhängen?“ fragte er und ich nickte dankbar. „Ja, bitte.“ Seine Hände hinterließen ein Kribbeln auf meiner Haut, als er mich berührte. Selbst nach all den Jahren machte er mich immer noch verrückt. Eher noch mehr, weil ich ihn jetzt auch noch auf eine andere Art anziehend fand, die ich früher nicht für ihn empfand.

Sein Handy klingelte und er ging ran. Er gab einer gewissen Stephie zu verstehen, dass er gerade keine Zeit hatte, und er sie später zurückrufen würde. „War das deine Freundin?“ fragte ich ihn und er nickte. „Ja. Wir haben uns bei einer anderen Serie kennen gelernt. Und du? Hast du einen Freund?“ „Ist kompliziert.“ Er nickte. War ihm anscheinend bekannt.

„Du bist irgendwie richtig erwachsen. Ist irgendwie seltsam.“ Meinte ich und lächelte. „Dasselbe könnte ich über dich sagen. Du bist so hübsch. Und ein richtiger Teenager.“ „Yay. Ich kann es kaum erwarten, aus dem Teenie-Alter raus zu sein!“ Er lachte. Und wieder klingelte sein Handy. Jorge seufzte. „Ich glaube, ich muss los. Aber war schön, dich wieder zu sehen. Also, bis morgen, schätze ich.“ Sagte er und küsste mich kurz auf die Wange. „Bis morgen.“

Ich gebe mein bestes und schreibe so schnell wie möglich weiter. Hoffe, euch hat es gefallen. ❤

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