Kapitel 23: In den Händen des Feindes

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»Ihr habt meinen Vater angegriffen!«, brachte ich mit rauer und vorwurfsvoller Stimme hervor.

Sofort verwandelten sie sich alle zurück und Damien kam auf mich zu. Selbst in Wolfsgestalt hatte er einen besorgten Blick aufgesetzt, doch nun war ich mir zu hundertprozentig sicher, dass mich meine Augen mit der Vermutung nicht getäuscht hatten.

»Nein, es ist nicht so wie du denkst«, versuchte er mich zu beruhigen. Er strich mir mit der Hand über meinen rechten Arm, doch ich schlug sie weg und brachte wieder ein wenig Abstand zwischen uns.

»Wir wollten ihm helfen«, versuchte er mir zu erklären. Die anderen Schwiegen und sahen betreten zu Boden.

»Ich weiß doch was ich gesehen habe. Ihr habt ihn beinahe verletzt!« Ich wurde mit jedem Wort lauter und meine Hände hatte ich zu Fäusten geballt. Sie sollten ruhig wissen, wie wütend ich auf sie war.

Ich hatte keine Ahnung, ob ich ihnen überhaupt etwas glauben konnte. Wahrscheinlich steckten sie mit Cody sogar noch unter einer Decke und versuchten mich nun in eine Falle zu locken.

»Wieso habt ihr ihn dann nicht einfach als Menschen in Sicherheit gebracht?!« Betreten sahen die anderen zu Boden und Damien schien sich ebenfalls unsicher zu sein, was er mir nun sagen sollte.

«Ich habe genug davon! Wenn ihr mir diese einfach Frage nicht beantworten könnt liege ich wohl richtig!», sagte ich, drehte mich um und begann davon zu laufen. Es war mir egal, dass mein Rucksack noch in Damiens Auto lag und es war mir auch egal, dass ich nicht den genauen Weg zurück kannte. Ich wollte nur hier weg.

»Avianna warte!«, rief er und ich merkte, wie er mir hinterherrannte. Sofort begann auch ich zu rennen. Er sollte mich einfach in Ruhe lassen. Sie logen mich die ganze Zeit über an, egal was ich tat. Damien und ich waren quitt, ich schuldete ihm nichts, also konnte er mich auch in Ruhe lassen.

Mir liefen ein paar Tränen über die Wangen und meine Sicht verschwamm. Trotzdem hielt ich nicht an. Ich rannte weiter, ohne Ziel und ohne Orientierung.

Ich stoppte jedoch, als ich plötzlich gegen etwas hartes stieß.

»Avianna? Ist alles in Ordnung?« Das durfte doch alles nicht wahr sein. Vorsichtig hielt mich Cody fest, damit ich nicht hinfiel.

»Ja, es ist alles gut. Ich muss los.« Ich versuchte weiterzugehen, doch er hielt mich immer noch fest.

»Du weinst, es ist also nicht alles okay. Was ist passiert? Hat dir jemand etwas getan?« Ich hörte ehrlich Sorge aus seiner Stimme heraus, doch scheinbar konnte ich hier niemandem mehr trauen. Die einzigen denen ich trauen konnte waren ich selbst und mein Vater. Wahrscheinlich war diese ganze Stadt voll mit Werwölfen und Gestaltenwandlern und ich war nur zu dumm gewesen, um es zu bemerken.

»Lass sie sofort los!«, ertönte die wütende Stimme von Damien hinter mir und ich hörte wie ein heftiges Knurren seine Kehle verließ.

»Sag bloß sie ist dir wichtig.« Der Tonfall von Cody hatte sich schlagartig verändert, sodass ich erschrocken zurückwich. Er hielt mich jedoch so stark fest, dass ich keine Chance hatte ihm zu entkommen. Ich war in der Falle.

»Lass sie gehen«, wiederholte sich Damien und machte vorsichtig einen Schritt auf uns zu.

»Zu schade, dass sie dir wichtig ist. Ich mag dich wirklich sehr Avianna, du bist ein tolles Mädchen. Aber Rache ist süß, so wie du. Sie wird für deinen Fehler mit dem Tod bezahlen Damien!«, rief er wütend. Er warf mich über seine Schulter und rannte los.

Ich schlug ihn, schrie und strampelte mit den Beinen, doch es nützte nichts. Er war um einiges stärker als ich. Sein Auto parkte am Weges Rand. Er riss die Tür auf und setzte mich unsanft hinein. Schnell rannte er um den Wagen herum und stieg ebenfalls ein. Der Motor heulte einmal kräftig auf, als Cody den Zündschlüssel herum drehte uns schnell das Gaspedal durchtrat. Ich sah noch wie Damien fluchend hinter uns her rannte. Doch der Wagen war zu schnell. Damien war in innerhalb von Sekunden aus meinem Sichtfeld verschwunden.

»Schnall dich an!«, befahl Cody mit scharfem Ton. Er fuhr viel zu schnell. Die Tachonadel schoss in innerhalb von Sekunden in die Höhe. Sofort gehorchte ich und legte mir den Sicherheitsgurt um.

»Bitte lass mich raus«, flehte ich ihn an und klammerte mich an meinem Sicherheitsgurt fest. Wenn wir in der Geschwindigkeit einen Unfall bauen würden wäre es aussichtslos. Das würden wir nicht überleben.

Ich war in den Händen des Feindes gefangen. Doch wer war mein Freund, der mich rettete? Die hatte ich nicht. Ich konnte niemandem mehr Vertrauen. Ich wünschte mir wir wären niemals nach Wolfstead gezogen.

Die Bäume konnte ich kaum sehen. Es waren nur Striche die an meinem Fenster vorbei rasten. Als ich nach vorne blickte sah ich eine große Brücke. Natürlich, unter ihr verlief der Desert Creek. Cody drückte das Gaspedal komplett durch und augenblicklich war mir klar was er vorhatte.

»Cody bitte nicht!« Alles flehen der Welt hätte bei ihm nichts gebracht. Er beachtete mich nicht. Fokussiert sah er nach vorn und der Wagen wurde immer schneller.

»Nimm es nicht persönlich Avianna. Aber alles dient dem Zweck und die Rache an Damien ist mehr Wert als dein Leben.« Ich fühlte mich beleidigt, da er so über mich sprach. Gut zu wissen, dass ich scheinbar keinen Wert hatte. Doch mir blieb keine Zeit weiter darüber nachzudenken und zu schmollen, schließlich würde mich das nicht aus dieser miserablen Lage befreien.

Kurz bevor wir die Brücke erreicht hatten schnallte Cody sich ab und öffnete seine Tür. So schnell konnte ich gar nicht reagieren wie er das Lenkrad nach links gerissen hatte und gleichzeitig aus dem Wagen gesprungen war.

Der Wagen krachte gegen die Steinmauer und überschlug sich. Dann flog er mehrere Meter in die Tiefe. Es war als würde alles in Zeitlupe ablaufen. Ich wurde hart in den Gurt geschleudert, sodass mir schwindelig wurde. Die Luft zog zischend an uns vorbei und trieb mir Tränen in die Augen. Dann folgte nach mehreren Sekunden der harte Aufprall auf das Wasser. Die Wagentür von der Fahrerseite fiel ab, die Wundschutzscheibe zersprang und in Sekunden schnelle war der Wagen mit eiskaltem Wasser gefüllt. Ich schaffte es noch schnell meine Luft anzuhalten. Wie war mir jedoch ein Wunder. Der Wagen sank immer tiefer in den Fluss hinein der noch dazu eine relativ starke Strömung hatte. Die kalte Strömung ließ meinen Körper beben und sofort schoss mein Puls erneut in die Höhe. Verzweifelt rüttelte ich an meinem Sicherheitsgurt und versuchte ihn zu lösen doch der Druck im Wasser verhinderte das. Ich sah mich panisch um und suchte etwas, womit ich den Gurt durchtrennen konnte, doch ich fand nichts. Mir wurde schwindelig und die Luft ging mir aus. Meine Sicht verschwamm immer mehr, bis ich meine Augen ganz schloss. Meine Gliedmaßen wurden immer leichter und begannen ruhig im Wasser zu treiben, während der Druck in meiner Lunge immer größer wurde und drohte mich zu zerreißen. Mir war klar das meine letzte Minute nun gekommen war.

Meinen letzten Gedanken widmete ich jedoch nicht meinem Leben, sondern meiner Mutter. Vielleicht gab es doch etwas wie den Himmel und ich konnte nun wieder mit ihr vereint sein. Zumindest wusste ich nun was es hieß bei einem Autounfall zu sterben.

Nach diesem Gedanken schien auch nun auch mein Gehirnabzuschalten und ich ließ es geschehen, um mich meinem Schicksal zu stellen.

Avianna Hope - im Land der Wölfe | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt