Schuss 4

2K 45 0
                                    

Ich starre die ganze Zeit weinend aus dem Fenster und bekomme nichts von der Außenwelt mit. Mein gebrachtes Frühstück lasse ich stehen und konzentriere mich nur auf den Baum vorm Fenster, der sich im Wind bewegt. Als es an der Tür klopft und mir jemand über die Wange streichelt, drehe ich mich zu Julian um. Hinter ihm steht Heike und ich schaue beide leer an. Meine Tränen sind getrocknet und ich stehe einfach unter Schock. "Hallo Maus, wie geht es dir?", ich antworte ihm nicht und starre wieder aus dem Fenster. "Der Baum hat 16.976 Blätter. Und das nur auf dieser Seite!", sage ich monton. "Was?", fragt Julian, wohl erschrocken über meine Psycho Aktion. Er geht um das Bett rum und hockt sich vor mein Gesicht, sodass ich ihn angucken muss. "Maus!", ich schaue ihm in die Augen und bemerke schnell, dass sie müde und traurig sind. "Du wirst heute untersucht und dann nehmen wir dich mit nachhause. In Ordnung?", fragt er sanft und ich zucke mit den Schultern. Julian schaut hilflos zu seiner Mutter und sie atmet verzweifelt tief ein. Der Tag geht ziemlich langsam und abwesend an mir vorbei. Julian und Heike nehmen mich tatsächlich mit und ich sitze gerade auf der Couch meiner Schwiegereltern und starre den schwarzen, ausgeschalteten Fernseher an. Julian, Heike und Jürgen bereden gerade irgendwas leise, damit ich nichts höre. Ich höre aber deutlich, dass sie über mich reden.

Die Tage bei ihnen bewege ich mich nur von der Couch aufs Klo und wieder zurück. Ich sitze einfach nur da und mache nichts. Julian weiß nichts mit mir zu machen und versucht alles mir klar zu machen, dass es doch nicht so schlimm ist. Wir bekommen das schon hin. Das sagt er immer wieder. Ich jedoch fühle mich schuldig und möchte nicht glauben, dass wir unser Kind verloren haben. Ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass ich schwanger bin. Julian ist heute mit ein paar Freunden unterwegs. Julian wollte mich nicht alleine lassen, aber ich habe gehört wie Heike ihn überredet hat, er müsse hier mal raus. Jascha passt heute auf mich auf. Worauf soll er aufpassen, dass ich nicht in die Küche gehe und etwas anderes tue. Ich bin schwanger und der Arzt hat gesagt, dass ich mich ausruhen soll. Ich darf mich nicht bewegen. Jascha kommt ins Wohnzimmer und setzt sich zu mir. Kurz starrt er mich an und räuspert sich dann. "Kora, wollen wir spazieren gehen?", fragt er leise. "Du musst mal raus! Du musst mal etwas anderes tun als nur rumzusitzen!", sagt er lieb. Ich schüttele mit dem Kopf. "Nein, ich muss hier bleiben. Der Arzt meinte ich muss mich ausruhen. Ich gefährde sonst das Kind.", ich strahle. Kurz ist es ruhig und Jascha starrt mich fassungslos an. Wieder räuspert er sich. "Kora,... Du bist nicht mehr schwanger. Du hast dein Kind verloren!", sagt er einfühlsam und ich reiße die Augen auf. "Du lügst! Was erzählst du da! Hör' auf so etwas zu sagen! Ich werde euch beweisen, dass ich noch schwanger bin!", schreie ich dann los und springe wie eine Irre auf. Ich laufe in den Flur und ziehe meine Schuhe an. Ich spüre mein Kind in meinem Bauch. Ich bin noch schwanger!!!

Ich laufe aus dem Haus und ignoriere Jascha's panischen Rufe. Mein Weg führt mich zur nächsten Apotheke und ich hole einen Schwangerschaftstest. Dann gehe ich zurück zum Haus von Julian's Eltern. Vor der Tür steht der Audi von meinem Mann. Ich gehe rein und höre schon aufgebrachtes Geschrei. Im Wohnzimmer streiten Jascha und Julian gerade und ich räuspere mich. Sofort drehen sich beide um. "Kora! Wo warst du denn! Ich habe mir Sorgen gemacht!", sagt Julian und umarmt mich fest. "Ich habe mir einen Schwangerschaftstest geholt und beweise euch jetzt, dass ich das Baby nicht verloren habe.

Beide schauen sich vielsagend an und ich nutze den Moment und gehe ins Bad und schließe mich ein. Julian klopft immer wieder an die Tür und sagt irgendwas, aber ich höre nicht hin. Als der Test das Ergebnis anzeigt, gehe ich raus und die beiden starren mich an. "So, der Test ist positiv! Nun seht ihr was ich meine.", lächle ich und zeige ihnen das Ergebnis. "Kora! Du hast dein Baby verloren! Das sind die Hormone, die da anschlagen. Die müssen doch erstmal verschwinden. Du bist nicht schwanger.", er nimmt mein Gesicht in seine Hände. "Kora! Bitte! Wir haben unser Baby verloren! Du musst mir endlich glauben!", er starrt mir fest in die Augen und ich fange sofort an zu weinen. "Oh Gott!", ich breche zusammen und Juli trägt mich zurück auf die Couch. Ich kuschele mich eng an seine Brust und klammere mich in das T-Shirt. Julian küsst immer wieder meine Stirn und drückt mich fest an seine Brust. Wir weinen gemeinsam und geben uns die Kraft, die wir die letzten Tage nicht hatten.

Am Abend sitze ich mit Julian's Familie am Tisch und esse etwas. Ich bin aus der Schockstarre befreit. Stattdessen mache ich mir wieder Schuldgefühle. "Wann wollt ihr morgen früh fahren?", fragt Heike leise. Die Stimmung ist sehr bedrückt und auch dafür fühle ich mich schuldig. "Weiß ich noch nicht.", Julian schaut zu. "Ich denke nicht, dass Kora schon arbeiten kann. Ich möchte sie aber auch nicht alleine lassen, wenn ich zum Training bin. Ihre Schwester arbeitet voll. Zu ihrer Mutter möchte ich sie nicht bringen. Und Henri oder Scarlett haben auch zu tun.", er rauft sich die Haare. Ich nehme zwar im vollem Bewusstsein das Gespräch wahr, aber ich rede nicht. "Kora kann bei uns bleiben! Sie wäre nur Vormittags alleine.", sagt Jürgen. Julian seufzt. "Ich weiß nicht. Ich dachte schon an ihre Tante! Die in Ostfriesland lebt. Dort hat sie ihre Tiere und einen Menschen, der ihr sehr viel bedeutet. Vielleicht ist es so eine Art Therapie für sie.", überlegt er laut. "Ich denke, ich werde mal bei ihr anrufen."

Nachdem Abendbrot gehe ich schlafen. Heute schlafe ich wieder im Bett bei Julian. Er zieht mich eng an sich.

Foul! - Julian Brandt Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt