Schuss 12

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Der Weg hoch zum Auto kommt mir viel länger vor als vorhin. Vielleicht weil ich nicht weg will. Wir lassen die Hunde laufen und holen uns danach etwas zum Frühstück. Am Strand setzen wir uns dann hin und trinken Kaffee. Die Croissants, die wir uns geholt haben, sind sehr lecker und sättigen mich. Julian hat sein Handy raus geholt und grinst. "Die Jungs haben mich schon ein paar Mal versucht anzurufen, weil ich nicht beim Training bin. Ich schreibe jetzt Marco und dann schalten wir unsere Handys aus. Ok?", lächelt Juli. Ich nicke und lehne mich schmatzend an ihn. Julian tippt schnell eine Nachricht, dass sich keiner Sorgen soll und wir bis Samstag zurück sind. Dann schalten wir gleichzeitig unsere Handys aus und geben uns einen Kuss. Ich nehme den letzten Bissen Croissant und öffne dann meine Hose. "Ich gehe jetzt schwimmen.", grinse ich und Julian schaut mich entsetzt an. "Jetzt?", lacht er. "Der Sommer ist vorbei. Es ist kalt.", kichert er weiter. "Na und. Man lebt nur einmal!", sage ich selbstsicher und es fühlt sich gut an. Julian beobachtet mich und fängt dann an zu grinsen. Er zuckt mit den Schultern und zieht sich sein T-Shirt aus. "Ich komme mit.", auch seine Hose ist schnell runter und wir laufen lachend zum Wasser. Gleichzeitig schmeißen wir uns ins Nasse und ich genieße den Moment. Fast gleichzeitig tauchen wir auch wieder auf. Julian strahlt mich an und wischt sich die nassen Haare aus dem Gesicht. "Es ist kalt!", lache ich überglücklich und schwimme zu Juli. Er umschlingt mich und ich halte mich an ihm fest. Der Kuss schmeckt salzig, vom Wasser, aber er löst soviel in mir aus, dass ich fast schon wieder weinen muss.

Ein Außenstehender würde die Situation wohl so beobachten: Zwei frisch verliebte Menschen, ohne Probleme.

Auch wenn davon nichts stimmt, fühlt es sich definitiv gerade so an.

In der Sonne lassen wir uns trocknen und laufen dann durch die Stadt. Wir schauen der Sonne dabei zu, wie sie verschwindet und beobachten die Sterne. Erst mitten in der Nacht gehen wir schlafen. Der Platzmangel im Auto tut uns gut und wir kuscheln eng miteinander. Die Sonne weckt uns früh, aber das stört uns nicht. Wir beobachten die Sonne beim aufgehen und genießen den Tag ausgiebig. Lange liegen wir im Sand und unterhalten uns nur. Ich traue mich sogar über Babys zu reden und Julian und ich tauschen uns über eine mögliche Zimmergestaltung aus. Ich kann wieder mit einer gewissen Vorfreude darüber sprechen und denke daran wie es sein könnte ein Baby mit Julian zu haben. Es tut mir nicht einmal weh.

In der Nacht entscheiden wir uns zurück zu fahren. Heute schlafe ich die ganze Fahrt durch und als wir in Dortmund sind, spüre ich deutlich, wie dieses tolle Gefühl nicht abflaut. Wir steigen aus und Julian zieht mich fest in seine Arme. "Das waren die schönsten Tage in meinem Leben!", strahlt er mich an und ich nicke. "Ja, ich empfinde das auch so.", ich strecke mich und küsse ihn. "Danke, dass du daß mit mir gemacht hast. Es bedeutet mir echt viel. Diese Tage werde ich nie in meinem Leben vergessen."

Wir packen unsere Sachen aus und machen uns dann gemeinsam auf den Weg zum Trainingsgelände. Ich bin etwas nervös, weil wir wahrscheinlich einen mächtigen Anschiss bekommen werden. Julian ist die Ruhe in Person. Er parkt sein Audi auf dem Parkplatz und als wir aussteigen, atme ich nervös tief ein. Julian nimmt mich an der Hand und wir gehen ins Gebäude. Scheinbar ist die Nachricht, dass wir wieder da sind, blitzschnell übers Gelände gegangen und der Personalmanager fängt uns sofort am Eingang ab. "Frau Brandt und Herr Brandt!", er räuspert sich und ist sichtlich angesäuert. "Guten Morgen!", sagt Juli überheblich freundlich. Ich drücke fest seine Hand und versuche ihm damit zu verstehen zu geben, dass er sofort damit aufhören soll. Ich weiß, dass Julian keine Angst um seinen Job haben muss. Ich habe schon etwas Angst. "Frau Brandt folgen sie mir bitte! Herr Brandt, sie werden schon auf dem Traingsgelände erwartet. Herr Watzke möchte nachher höchstpersönlich mit Ihnen sprechen. Sie erwartet eine hohe Geldstrafe.", der Personalleiter wird immer aggressiver in seinem Ton. Das liegt vielleicht daran, weil Julian immer mehr zu grinsen anfängt. "Frau Brandt, kommen sie jetzt bitte mit!", läuft er los und ich will hinterher, aber Juli hält mich fest. Er will mich zum Abschied küssen, aber ich drücke ihn weg und zeige ihm einen Vogel. Kurz muss er kichern und winkt mir. "Bis nachher.", flötet er mir nach und ich gehe ängstlich hinter meinem Chef her.

In seinem Büro ist es stickig und die großen Fenster nehmen mir den Druck nicht von den Schultern. "Sie wissen, warum Sie hier sind! Haben Sie irgendetwas zu Ihrer Verteidigung zu sagen?", bafft er mir entgegen und ich schlucke. Kurz überlege ich und atme dann tief durch. "Warum unterstellen sie mir deutlich, dass ich mit Absicht nicht zu meinem Arbeitsplatz erschienen bin?", meine Stimme zittert und ich überlege, warum ich jetzt lüge. Das wollte ich doch gar nicht. "Weil es offensichtlich ist! Sie lassen ihre Arbeit ganz schön hinter sich. Sie fehlen immer häufiger. Warum?", fragt er nun mit Nachdruck. "Ja, sie haben Recht. Dieses Mal war ich nicht krank. Oder vielleicht doch. Ich bin immer noch krank. Ich habe Depressionen und die letzten zwei Tage habe ich damit verbracht aus dieser Situation herauszukommen und gesund zu werden. Weg von allen Verpflichtungen und dem Druck. Es hat mir richtig gut getan.", erzähle ich ihm plötzlich. Viel zu schnell, um darüber überhaupt nachzudenken. Er schaut mich wieder verständnisloser an. "Nur weil sie mit einem unserer Spieler verheiratet sind, haben sie aber noch lange nicht das Recht dazu, einfach abzuhauen und sich nicht von ihrem Arbeitsplatz zu entschuldigen.", wirft er mir vor die Füße und mir fällt fast meine Kinnlade runter. "Ich weiß auch, dass es unmöglich von mir war, daß ich mich nicht entschuldigt habe. Ich werde mich heute Nachmittag noch um eine Krankschreibung kümmern und sie morgen einreichen. Es kommt nicht wieder vor! Versprochen! Es tut mir wirklich leid!", nervös und eingeschüchtert knete ich meine Hände. "Das reicht mir nicht! Sie bekommen heute eine Abmahnung. Vielleicht lassen sich alle anderen von ihrem Ehemann einschüchtern, aber ich nicht. Sie dürfen jetzt gehen!", er dreht sich zu seinem Computer und zeigt mir deutlich, dass das keine Frage war, sondern eine Aufforderung. Ich stehe auf und gehe leise raus. Ich laufe sofort zur Toilette und schließe mich ein. Dort lasse ich meinen Tränen freien Lauf. Ich habe kein Problem mit der Abmahnung. Die habe ich als Arbeitnehmer verdient, aber das er mich auf meinen Beziehungstatus abstempelt, mit Vorurteilen und Unterstellung, macht mich nachdenklich und hat mich verletzt. Seitdem ich hier arbeite, entstehen andauernd Konflikte, weil ich mit Juli verheiratet bin.

Foul! - Julian Brandt Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt