Schuss 11

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Wir sitzen im Auto, auf dem Weg zu Julian's Cousine. Die wohnt mit ihrer Familie in Münster. Juli's Audi gleitet fast über die Autobahn und ich liebe dieses Gefühl. An der Raststätte gehe ich auf Toilette und hole uns etwas zu essen. Am Auto essen wir unseren Kuchen und fahren dann weiter. Als wir in Münster ankommen, ist es 15 Uhr. Leila öffnet die Tür und mir fällt sofort auf, dass sie pures Glück ausstrahlt. Wir umarmen uns fest und gehen ins Haus. Ihr Mann, den sie geheiratet hat, hält sein Baby im Arm und begrüßt uns leise. Der kleine Mann schläft und ich schlucke kurz kräftig. Sanft streichele ich seine Wange und betrachte ihn lange. Mein Herz zieht sich stark zusammen und ich hole tief Luft. Leila nimmt ihn in ihre Arme und legt ihn ins Tagesbett. Wir setzen uns aufs Sofa und trinken gemeinsam Kaffee. Julian hat fest einen Arm um mich geschlungen. Ich lehne die ganze Zeit an seine Seite. Die beiden Verliebten zeigen uns ihre Hochzeitsbilder und auch wir zeigen unsere. Schließlich ist unsere Hochzeit gar nicht so lange her.

Als Kellis, ihr Sohn, anfängt zu weinen, schaue ich starr dabei zu, wie Leila ihn beruhigt. "Möchtest du ihn halten?", fragt sie dann sanft. Ich schlucke und nicke leicht. Sie legt ihn in meine Arme und ich schaue ihn verträumt an. Als eine Träne auf sein Gesicht tropft, schniefe ich. Julian legt eine Hand auf meinen Oberschenkel und küsst meine Wange. Als der Kleine eingeschlafen ist, lege ich ihn vorsichtig zurück in sein Bett.

Am späten Abend verabschieden wir uns. Um 23:26 Uhr halten wir an einer Raststätte, weil wir Fahrerwechsel machen. Julian schläft gleich ein und ich fahre weiter. Bevor wir wieder los fahren, lehnt sich Julian ans Auto und zieht mich in eine Umarmung. "Ich bin stolz auf dich. Du warst heute richtig stark.", er küsst mich sanft und legt seine Hände sanft an meine Hüfte. "Ich fühle mich zwar nicht so, aber wenn du das denkst... Danke!", ich lege meinen Kopf an seine Brust und lasse meine Gedanken kreisen. Es ist still auf dem Rastplatz. Nur vereinzelt rauscht ein Auto auf der Autobahn vorbei. Wir halten uns und genießen die Nähe. "Julian, was hälst du davon, wenn wir an die Süd-Westküste Frankreichs fahren? Wir packen zuhause unsere Sachen und fahren noch heute Nacht los. Dort schlafen wir im Auto und haben ein paar Tage nur uns beide.", sage ich unüberlegt. Julian sagt erst nichts und lacht dann leise. "Maus, wie stellst du dir das vor? Ich habe Training. Es ist in Frankreich jetzt genauso kalt wie hier in Deutschland. Am Samstag ist ein Spiel.", macht er schnell klar, dass das nicht geht. Ich seufze. "Schade!... Und was ist, wenn du nur für zwei oder drei Tage beim Training fehlst? Wir machen unsere Handys aus, sagen Marco Bescheid, falls einer nach uns fragt und hauen einfach ab. Raus aus dieser beschissenen, verpflichteten Welt.", lächle ich ihn an und ich weiß, er kann gar nicht nein sagen. Julian schaut mich lange an und legt seine Hände an meine Wangen. Sein kalter Ehering an meinen heißen, aufgeregten Wangen, befeuert mich noch mehr. Julian grinst dann und küsst mich fest. "Na dann, lass uns los fahren!", ich fahre strahlend und laut zur Musik mitsingend über die freie Autobahn. Julian ist eingeschlafen und lächelt seelig. Zuhause angekommen, bereite ich alles zur Abfahrt vor. Die Pferde kriegen einen riesigen Haufen Heu vor die Nase gelegt. Der automatische Wasserspender ist randvoll. Den Zugang zur fest eingezeunten Weide öffne ich und gehe dann unsere Sachen packen. Nur das nötigste landet in der Reisetasche. Dann packe ich die 3 Vierbeiner ein und fahre zurück auf die Autobahn. Unsere Hunde schlafen jetzt genauso wie Julian und ich genieße das langsam eintretende Freiheitsgefühl.

Zum Mittag, nach 11 Stunden Fahrt, erreichen wir die kleine Stadt Soulac-sur-Mer. Julian schläft tatsächlich noch. Ich fahre direkt zum Strand und fange dann sofort anzulächeln. Ich parke und steige aus. Durch diese Geräusche wacht Julian auf und steigt auch aus. Er schaut mich verschlafen an. Obwohl ich die ganze Nacht durchgefahren bin, bin ich einfach nur glücklich und hellwach. Mein Mann kommt zu mir und nimmt meine Hand. "Frankreich!", sagt Juli trocken. Ich kuschele mich an ihn und genieße seinen Griff um meinen Körper. "Mademoiselle Brandt, puis-je demander? (Frau Brandt, darf ich bitten?) ", verbeugt er sich plötzlich vor mir und hält mir seine Hand hin. Ich muss lachen. "Du kannst Französisch?", kurz bin ich entsetzt, aber nehme dann seine Hand. "Bien sûr, Monsieur Brandt. Je vous en prie. (Natürlich, Herr Brandt. Sehr gerne.)", wir gehen gemeinsam den Strandweg runter und ziehen unsere Schuhe aus. Sofort vergrabe ich meine Zehe im Sand. Kurz darauf berührt das kühle Nass meine Füße und ich schließe die Augen. Julian umarmt mich von hinten und ich lehne mich an ihn. Diese Situation hier, ist die wunderschönste, die mir je passiert ist. Das Gefühl frei zu sein, ohne Sorgen und ohne Verpflichtungen, nur wir zwei, Julian und ich, ist toll. Das muss man selbst erlebt haben, das kann man nicht beschreiben.

Juli streichelt mit seinen Händen meine Arme und ich nehme eine von ihnen. Wir verschränken unsere Finger und ich öffne meine Augen. Die Sonne spiegelt sich im Meereswasser. Die Wellen umspielen unsere Füße und ich spüre, dass ich zu weinen angefangen habe. Ich weiß nicht ob es Erlösungstränen sind, weil der Druck abfällt und die Angst oder einfach nur weil ich mich wieder wohlfühle in meinem Körper. Ich bin glücklich und kann wieder richtig und ehrlich strahlen. Alles, was vorher war, als ich dachte, dass ich mich befreit habe, von meinem Erlebnis, war nicht echt. Jetzt bin ich frei. Jetzt kann ich die Fehlgeburten unserer Zwillinge vergessen und langsam verarbeiten. Genau das hier habe ich gebraucht. Julian schmiegt seine Wange an meine und er muss die Tränen spüren. Sagen tut er nichts. Ich glaube sogar, dass auch er weint. Dieser Moment ist einfach magisch und befreiend und tut uns eindeutig beiden gut. Genau das hier brauchten wir beide.

Foul! - Julian Brandt Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt