Schuss 5

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Am nächsten Tag verabschieden wir uns und Julian verfrachtet mich in sein Auto. Ich weiß noch nicht wohin es mich heute führt, weil ich nicht mitbekommen habe, ob Julian meine Tante Holly angerufen hat. Erst als wir auf die Autobahn fahren, bestätigt es sich. Ich schaue auf meine Hände und drehe meinen Ehering hin und her. Ich merke genau wie Julian mich immer wieder beobachtet. Dann spüre ich seine Hand an meiner. Er nimmt meine Finger und wir verschränken unsere Knöchel.

"Kora, ich möchte dir noch sagen, dass ich dich nicht zu deiner Tante bringe, weil ich dich los werden will. Ich möchte nicht, dass du sowas denkst. Ich bin nur etwas unsicher, ob es das richtige Gewesen wäre, wenn du zuhause den ganzen Tag alleine gewesen wärst. Ich denke deine Tante wird dich verwöhnen und du wirst bald wieder gesund sein. Verstehst du das?", fragt er sanft und unsicher. Ich will nicht antworten und drücke nur fest seine Hand. Da wir gerade an einer Ampel stehen, küsst er meine Stirn. Kurze Zeit später sind wir da und ich steige aus. Meine Tante empfängt mich mit offenen Armen und küsst immer wieder meine Haare. Julian bringt noch meine Sachen in mein Zimmer und verabschiedet mich dann. Er umarmt mich fest. "Ich melde mich jeden Abend bei dir. Ich hoffe dir geht es bald wieder besser.", Julian hebt mein Kinn zu sich. "Darf ich dich küssen?", fragt er unsicher. Wir haben uns seitdem Ereignis nicht mehr geküsst oder starke Nähe gehabt. Ich nicke leicht und er haucht einen Kuss auf meine Lippen. Dann löst er sich und schaut mir tief in die Augen. "Ich liebe dich!", sagt er mit fester Stimme. Dann bekomme ich noch einen Kuss auf die Stirn und er steigt ins Auto und verlässt den Hof. Holly guckt mich lächelnd an und nimmt mich bei der Hand. "Komm, wir machen jetzt einen Ausritt.", sagt sie sanft. Ich sage nichts und lasse mir von meiner Tante ein Pferd satteln. Wir reiten zum Strand runter und ich lasse mich einfach von Molly, meinem Pferd, tragen. Im Wasser angekommen, fängt sie an zu gallopieren. Ich fühle den Wind auf meiner Haut und mein Blick geht zum Himmel. Dann treibe ich Molly noch mehr an und wir fliegen über den Sand. Meine Tante holt uns schnell ein und ich muss etwas lächeln als ich versuche schneller zu sein.

Der Tag verläuft gelassen und ich genießen diesen Ausflug mit Holly. Mein Handy habe ich ausgeschaltet und weit weg gepackt. Ich möchte jetzt einfach nur alleine, genießen. Ich möchte doch auch wieder an etwas anderes denken können, als an dieses dumme Ereignis. Ich lasse mich nicht von sowas unterkriegen. Am Abend gehe ich duschen und als ich in die Küche gehen will, höre ich meine Tante mit Julian reden. Telefonieren die beiden gerade? Ich gehe hoch in mein Zimmer und lege mich aufs Bett. Dann schlafe ich ein.

Am nächsten Morgen schickt meine Tante mich zum ausmisten. Ich helfe einigen Reitschülern und darf am Ende des Tages sogar noch eine Reitstunde geben. Ich fühle mich heute schon viel besser und habe nur kurz an meine Fehlgeburt gedacht. Nachdem Mittag habe ich auch angefangen wieder etwas zu reden. Die Woche vergeht so schnell und ich verbringe meine Zeit viel im Stall. Es hilft mir tatsächlich wieder aus meinem Loch heraus. Meine Tante telefoniert jeden Abend mit Julian. Ich höre sie immer reden. Ich möchte nicht mit ihm reden. Meine Schuldgefühle, ihm kein Kind zu schenken, kommen immer wieder in mir hochgekrochen, wenn ich seine Stimme höre. Ich möchte nicht, dass das passiert. Ich brauche noch etwas Zeit.

Keiner weiß bis jetzt von meinen Schuldgefühlen. Auch meine Tante nicht und das soll auch so bleiben. Eines Abends als ich wieder Holly und Juli über mich erzählen höre und die Worte Presse und Das darf sie momentan nicht wissen! aufschnappe, werde ich sofort hellhörig. "Ich werde dieses Schmierblatt verklagen. Ich hoffe sehr, dass wir dieses Mädel ausfindig machen können und die richtig Ärger bekommt. Wenn Kora dieses Bild sieht, dann wäre alles umsonst gewesen.", höre ich wie Julian sich aufregt. Ich muss schlucken. Was steht denn nun schon wieder über mich in der Presse? "Ja, das wäre ein Rückschlag. Sie ist fast die Alte. Ich hoffe dieses Mädchen wird ausfindig gemacht.", antwortet nun meine Tante. Ich laufe rauf auf mein Zimmer und nehme mein Handy. Ich fühle mich wie eine unerzogende Jugendliche, die ihre Eltern belauscht hat und jetzt ein Geheimnis rausfindet. Als mein Handy angeschaltet ist und ich gefunden habe was ich gesucht habe, weicht mir alle Farbe aus dem Gesicht.

Ein Bild von mir aus dem Krankenhausbett wie ich verweint und fertig mit den Nerven da liege und aus dem Fenster starre, kursiert im Internet. Mehrere Klatschspalten haben darüber berichtet und von Bericht zu Bericht, wird der Grund, warum ich im Krankenhaus liege schlimmer und boshafter. Mir steigen Tränen in die Augen und ich verstehe nicht wie bösartig und Geldgeil Menschen sein können. Meine Privatsphäre wurde überschritten. Ich werfe mein Handy zurück in die Ecke und laufe aus dem Haus. Ich sattle mir ein Pferd und reite vom Gestüt. Die ganze Nacht verbringe ich am Strand und weine.

Ich hatte es gerade fast komplett verdrängt und dann passiert so etwas demütigendes. Als die Sonne aufgeht, gehe ich zurück. Das Pferd führe ich neben mir. So habe ich noch etwas Zeit zu überlegen, wie ich meiner Tante erklärt, dass ich über Nacht nicht zuhause war. Ich komme auf dem Gelände meiner Tante an und erblicke als erstes Julian's Sportwagen vor Holly Haustür. Ich seufze. Auch das noch!

Ich bringe das Pferd zurück in den Stall und gehe dann, fast im Schneckentempo, zurück ins Haus. Ich finde beide am Küchentisch und räuspere mich leise. Juli's Kopf schnellt zu mir und er springt auf. Wir stehen uns unschlüssig gegenüber und ich habe das Gefühl, dass wir uns so nah, aber doch so fern sind. Wir schauen uns in die Augen und fallen uns dann in die Arme. Ich lege mein Gesicht an seine Brust und fange an zu schluchzen. Wir schauen uns an und ich muss etwas lächeln. Sofort schaut er erleichtert. Dann küssen wir uns sanft.

Foul! - Julian Brandt Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt