Schuss 6

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Wir gehen runter zum Strand und setzen uns in den Sand. Julian hält die ganze Zeit meine Hand. Wir haben noch kein Wort miteinander gesprochen, aber ich lehne mich an ihn. "Warum bist du hier?", frage ich einfach leise. "Holly hat mich angerufen und erzählst, dass du in der Nacht nicht zuhause warst. Ich bin sofort ins Auto und bin hergefahren?", sagt Julian und schaut hinaus auf die Nordsee. "3 Stunden, weil ich am Strand war und meine Ruhe brauchte.", schmunzele ich. Julian grinst. "Ich habe dich schrecklich vermisst. Das war wohl ein weiterer Grund.", nun schaut er wieder zu mir und küsst meine Stirn. "Ich habe dich auch vermisst.", lächle ich und kuschele mich wieder an ihn. Dann lauschen wir dem Meer und dem leichtem Wind. "Ich habe gestern gehört wie ihr über das Bild aus dem Krankenhaus geredet habt. Ich habe es nachgeguckt und es hat mich etwas runtergerissen.", ich schlucke und verdränge es schnell wieder. "Ich habe lange nachgedacht und ich will nicht mehr von solchen Idioten beeinflusst werden. Ich akzeptiere, dass ich das Baby verloren habe, aber ich akzeptiere nicht daß sowas über mich geschrieben wird. Ich werde absofort schneller sein. Wenn irgendwas neues und wichtiges passiert in meinem Leben, dann poste ich eine kurze Story auf Social Media. Ich möchte nicht als Influencer enden, aber ich möchte nicht mehr, dass es jedesmal in der Zeitung landet. Als ich aktiver auf Instagram war, hat keiner über mich geschrieben. Vielleicht hört es wieder auf.", sage ich und bin entschlossen. Julian zuckt mit den Schultern. "Versuchen kannst du es. Allerdings kann es natürlich sein, dass sie auch daraus Artikel machen.", stellt er in Frage. "Stimmt, aber kein Paparazzi verdient dadurch noch Geld.", sage ich dann zufrieden. Julian grinst und nickt. "In Ordnung.", wir küssen uns. "Bist du mir böse, wenn ich trotzdem noch eine Woche hier bleibe? Nur zur Sicherheit und zum eigenen Schutz.", nun schaue ich auf's Meer. "Natürlich nicht. Ich hole dich nächstes Wochenende ab.", nickt er. "Paula versorgt deine Pferde übrigens immer noch fleißig.", sagt Juli schuldbewusst. Ich muss lachen. "Ich hatte Angst, dass irgendwas passiert. Ich wollte diese Aufgabe lieber einer Erfahrenen lassen.", kichert er. "Natürlich.", zwinkere ich ihm zu. Paula hat eine Woche Ferienarbeit bei uns gemacht. Jetzt wohl 2 bzw. 3 Wochen. Ich grinse. Sie war die Woche als wir in Bremen waren bei uns und hat unsere Tiere verpflegt. Paula ist Abiturientin. Sie ist die Tochter von einem Bekannten von Julian und sie wollte sich etwas Geld verdienen. Das haben wir als Chance genutzt. Und Julian nutzt es nun aus. "Ich hoffe du bezahlst dafür Aufschlag.", grinse ich bitter. Julian lacht. "Natürlich. Sie bekommt 3 Euro pro Stunde mehr."

Julian schläft nicht bei uns, weil er morgen das erste Testspiel hat. Ich verabschiede mich lange bei ihm und freue mich auf nächste Woche, wenn er mich abholt. Die Tage bei Tante Holly sind immer wunderschön und vergehen, wie damals in meiner Kindheit, viel zu schnell. Am Freitag Abend helfe ich Tante Holly beim kochen. Es gibt Sauerkraut mit Bratwurst und Kartoffeln. Meine liebe zu Sauerkraut ist geblieben und ich bin von mir selbst überrascht. Ich sehe Julian's schrägen Blick vor mir. Wir haben nochmal ordentlich Spaß zusammen und lassen den Abend so ausklingen.

Als das Essen fertig ist und ich mir auffülle und die erste Gabel vom Sauerkraut nehme, arbeitet mein Mund schneller als mein Verstand. "Hast du Vanilleeis?", frage ich und bekomme sofort große Augen als ich selbst verarbeitet habe, was ich gerade gesagt habe. "Vanilleeis? Wozu willst du denn Vanilleeis?", schaut Tante Holly erschrocken. Ich springe auf und setze mich wieder hin. Erneut muss ich aufspringen und raufe mir die Haare. "Tante Holly, Vanilleeis mit Sauerkraut war mein Gelüst in der Schwangerschaft.", wieder setze ich mich hin und fange an mit dem Bein zu wackeln. "Aber du bist nicht mehr schwanger!", sagt Holly. Ich nicke. "Aber das ist doch komisch. Ich habe nie Sauerkraut gegessen. Mich wundert, dass ich es jetzt esse.", ich springe wieder auf, weil ich nicht sitzen bleiben kann. "Was wenn ich das Baby doch nicht verloren habe? Ich meine, ich habe immer noch das Gefühl schwanger zu sein.", lache ich überglücklich. Tante Holly steht auf und kommt zu mir. Sanft nimmt sie mein Gesicht in ihre Hände. "Kind, ich bitte dich. Sei vernünftig. Solche Gelüste kann man auch ohne eine Schwangerschaft haben. Außerdem hast du eine deutliche Fehlgeburt gehabt und auch eine ärztliche Bestätigung. Du bist nicht schwanger!", sagt sie mir überzeugt. "Tante Holly, ich bitte dich. Lass' uns zum Arzt fahren! Ich bin nicht mehr vom Schock gefangen. Ich fühle mich nur anders. Ich weiß, dass ich noch schwanger bin.", sage ich und flehe sie an. "Kora, heute ist Freitag. Es hat kein Frauenarzt mehr Dienst!", will mich meine Tante davon abbringen. Sie hält mich für verrückt. "Kora! Das sind die Hormone. Du bist nicht mehr schwanger! Glaub' mir doch!", schüttelt sie mich nun leicht. "Tante Holly, ich verspreche dir, ich bin nicht schockiert, wenn ich nicht schwanger bin, aber bitte lass' uns zum Arzt fahren! Heute Abend noch! Du hast sämtliche Kontakte in der Stadt. Bitte!"

Meine Tante lässt sich überreden. Wir haben einen Pakt abgesprochen! Wenn ich nicht schwanger sein sollte, dann verliere ich kein Wort mehr über meine Fehlgeburt. Zumindest nicht, wenn ich versuche sie zu leugnen. Holly hat tatsächlich ihre Kontakte spielen lassen und wir fahren zu einer Bekannten. Sie ist Ärztin und hat ein Ultraschallgerät in der Praxis. Ich lege mich auf die Liege und mache mein T-Shirt hoch. Meine Tante schaut mich traurig und benommen an und kann deutlich nicht verstehen, was ich hier versuche zu beweisen. Ich weiß aber, dass ich schwanger bin. Ich spüre es und gleich wird es sich bestätigen. Ich bin mir ganz sicher! Die Ärztin macht mir das eiskalte Gel drauf und ich schaue zum Bildschirm. Auch sie scheint etwas unsicher zu sein und will wohl gar nicht anfangen, weil auch sie mich nicht enttäuscht will.

Ich atme tief durch und entspanne mich. "Also Kora,... hier kann ich noch leichte Rückstände sehen. Hier hat ihr kleines Würmchen gelegen!", ich höre aufmerksam zu und folge ihren Lippen. Sie lässt sich noch etwas Zeit und schaut sehr genau hin. Langsam werde ich unruhig. Sind es doch nur die Hormone? Täuscht sich mein Körper? "Und... mehr kann ich ni...", sie stoppt mitten im Satz und ich schaue sie mit großen Augen. "Das ist unglaublich!", sie fängt breit an zu lachen.

Foul! - Julian Brandt Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt