Schuss 23

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Als ich aufwache, bin ich schon wieder in einem Krankenhausbett. Es ist immer noch dunkel draußen. Julian sitzt neben meinem Bett und hat geschwollene Augen. Oh nein! Bitte nicht! Nicht schon wieder! Meine Hände schnellen zu meinem Bauch. Ich taste ihn ab. Julian schaut zu mir auf und lächelt mich an. "Haben wir ihn verloren?", frage ich aufgebracht. Julian's Augen füllen sich mit Tränen. Dann umarmt er mich fest. Er hat ein Lächeln auf dem Gesicht. Ich schaue panisch, verwirrt. "Julian!", fordere ich ihn auf, mir zu antworten. "Wir haben ihn nicht verloren! Wir sind Eltern, Kora!", erzählt er mir und ich brauche etwas länger, um zu verstehen, was er mir sagen will. Julian streichelt mir meine Tränen weg. "Was? Er ist 5 Monate alt!", frage ich dann fassungslos und bin total unruhig. Was ist mit meinem Baby? "Du hattest eine Frühgeburt Maus! Anders hätten sie ihn nicht retten können. Ihm geht es erstmal gut. Wenn du möchtest, können wir ihn uns ansehen gehen. Er ist total knautschig und super klein.", immer noch klitzern seine Augen. Seine Stimme zittert, aber Julian hat ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht. Mein Körper fängt langsam anzuzittern und ich hole tief Luft. Ich setze mich auf und drücke Julian von mir weg. Dann lege ich mich wieder hin und versuche ruhig zu atmen. "Maus! Ich weiß, was du jetzt denkst! Komm steh auf, wir gehen erstmal zu ihm! Dann erzähle ich dir, was nun passiert! Wir dürfen jetzt nicht die Hoffnung verlieren! Er ist kräftig und hat gute Chancen zu überleben!", versucht Julian auf mich einzureden, aber ich rede mir nur noch ein, dass er es nicht schaffen kann. Unser kleiner Junge ist gerade mal in der 22. SSW. Niemals kann er überleben! Wir verlieren unser Baby wieder.

Julian hilft mir beim aufstehen und beim anziehen. Ich ziehe den Krankenhauskittel aus und schlüpfe in eine Hose und einen großen Pulli. Fest nehme ich Julian's Hand und er führt mich durch die weißen Flure. In einem kleinen isolierten Raum stehen zwei Kästen, mit jeweils einem kleinen Baby. Ich halte mir die Hand vor den Mund. Eine Schwester lässt uns rein und Julian führt uns zielsicher zum rechten Kasten. Da liegt unser Sohn. Höchstens 30 Zentimeter lang und keinen Kilo schwer. Er schläft friedlich und hat ein Lächeln auf dem Gesicht. Sofort erkenne ich Julian's Gesicht. Im nächsten Moment erkenne ich, was ich gerade gedacht habe. Unser Sohn ist auf der Welt. Julian umarmt mich fest von hinten. Ich schluchze und habe so ein ganz komisches Gefühl in mir. Es ist sehr bedrückend. Zum einen bin ich Mama geworden und es fühlt sich toll an, aber es könnte sich sofort wieder ändern und leider bleibt dieses Gefühl stärker und zerdrückt mich innerlich. Warum passiert uns das? Warum ausgerechnet wir? Haben wir nicht genug gelitten? Ich schluchze und drehe mich zu Julian um. Er zieht mich fest an seine Brust und küsst immer wieder meine Haare. "Maus! Wir dürfen jetzt nicht den Glauben verlieren! Er weiß ganz sicher, dass wir bei ihm sind. Wir müssen an ihn glauben! Wir müssen jetzt fröhlich sein! Bestimmt ist er noch körperlich mit dir oder uns verbunden. Er kommt schließlich von uns!", Juli redet auf mich ein. Meine Schultern fallen jedoch immer mehr. "Maus!", er nimmt mein Gesicht in seine Hände. Kurz zeigt er auf das kleine Baby, links. "Dieses Baby ist einen ganzen Monat älter und ist viel kleiner als unser Junge! Die Chance der beiden, zu überleben ist gleich groß! Wir müssen nur fest daran glauben und bei ihm sein! Er wird es schaffen! In 4 Monaten werden wir dann nachhause fahren und unseren kleinen Fußballer in sein Babybett legen!", versucht er mir klar zu machen, woran ich glauben muss. Ich liebe ihn so sehr! Sanft küsse ich ihn und drücke mich fest an den Vater meines Kindes.

Lange stehen wir einfach nur bei unserem Sohn und beobachten ihn. Die Schwester erklärt mir nochmal dasselbe, wie Julian eben auch und ich beruhige mich etwas. Die Wahrscheinlichkeit, dass er es nicht schafft ist zwar hoch, aber sie meinte auch, das unser Sohn sehr stark ist und kräftig. Nie wieder denke ich darüber nach, ob ich nicht vielleicht zuviel gegessen habe. Es passiert wohl alles aus einem bestimmten Grund. Julian fährt dann nachhause. Ich muss noch zur Überwachung bleiben und kann kaum schlafen. Mitten in der Nacht mache ich mich auf den Weg zu meinem kleinen Baby. Es ist eine ganz schöne Qual, ihn zwar zu sehen, aber nicht anfassen zu dürfen. Wenn er noch in meinem Bauch wäre, dann hätte ich keine andere Wahl, aber jetzt würde ich ihn gerne nehmen und an mich drücken. Ihn fühlen und seine Mama sein. Ich wische mir meine Tränen weg und schaue zu dem kleinen Mädchen rüber. Sie liegt ebenfalls in einem geschlossenen Kasten und ist genauso verkabelt, wie unserer Junge. An einem kleinen Schild steht ihr Name. Mia-Luise Kupfer
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ch muss lächeln. Sie ist sehr dünn und viel kleiner als unser Junior. Langsam schlürfe ich zurück in mein Zimmer. Julian hat mir wieder ein Einzelzimmer besorgt. Darüber bin ich sehr glücklich. Ich gehe heiß duschen und lege mich dann wieder ins Bett. Ich muss ein wenig weg geduselt sein, denn wach werde ich erst wieder als Julian mit Frühstück vor meinem Bett steht. Wir grinsen uns an und ich richte mich etwas auf. Julian setzt sich neben mich und wir essen gemeinsam. "Maus, können wir uns einen Namen für unseren Kleinen aussuchen? Ich möchte nicht immer unser Sohn sagen oder Junior.", Julian lächelt mich an. "Natürlich, können wir!" "Was hälst du von Emilio oder Lionel?", frage ich gleich. Ich hatte schließlich die ganze Nacht Zeit zum überlegen. "Bei Lionel denke ich sofort an Messi. Das funktioniert nicht. Und Emilio passt irgendwie nur zu einem Kleinkind. Was hälst du von super seltenen Namen? Wie wäre es mit Dante oder Kjell?", Julian grinst. Ich schaue ihn überrascht an. Er hat sich auch schon Gedanken gemacht. "Klingen beide super schön. Aber Dante würden die Deutschen wahrscheinlich immer falsch aussprechen. Kjell gefällt mir schon besser. Kjell Brandt.", ich schaue an die Decke. "Kjell Norbert Brandt.", nuschele ich.



Julian fängt anzulachen. "Wie bitte?", ich schaue Julian ernst an. "Julian, ich meine es ernst. Das der Kleine noch lebendig ist, haben wir nur Nobby zu verdanken.", wir geben uns die Hände und Julian spielt mit meinen Fingern. Er überlegt sichtlich. "Ich möchte, dass wir ihm diesen Zweitnamen geben!", verdeutliche ich mein Anliegen. Ich bin Nobby so dankbar, dass er mich ins Krankenhaus gebracht hat und so schnell gehandelt hat. Ohne ihn hätten wir unser Baby wieder verloren. Natürlich muss ich mich auch bei der Security bedanken. Er hat natürlich auch dazu beigetragen. "Also gut! Nobby wird sich freuen!", nickt er dann. "Danke! Also ich finde den Namen super. Kjell Norbert Brandt! Hervorragend!", strahle ich Juli an. Er lächelt mir wunderschön zurück. Sanft küssen wir uns. "Wollen wir unserem Sohn mitteilen, welchen tollen Namen er nun hat?", fragt er aufgeregt und ich nicke hastig. Wir laufen fast zu unserem süßen Mann und teilen der Schwester den Namen mit. Sie macht sofort ein Schildchen fertig und steckt es an den Kasten. Breit strahlen wir und beobachten unseren schlafenden Kjell.


"Ich habe übrigens einen Termin gemacht, bei der Polizei! Für eine Anzeige gegen Unbekannt!", flüstert Julian nach einer Zeit. Ich höre genau, dass seine Stimme zittert. Langsam drehe ich mich in seinen Armen. Fest umschlinge ich ihn. "In Ordnung!... Was ist los?", frage ich sanft. Julian nimmt mein Gesicht in seine Hände und will mich küssen, aber ich drücke ihn weg. "Maus! Warum weinst du?", frage ich. Die erste Träne rollt zwar erst jetzt aus seinem Augenwinkel, aber ich wusste vorher, dass er gleich weinen wird. Julian küsst mich doch krampfhaft und der Kuss schmeckt salzig. Erst kurz darauf löst sich Juli dann und versucht stark zu bleiben. "Gott Kora! Ich fühle mich so schuldig! Wenn Kjell stirbt, dann ist das meine Schuld!", schluchzt er dann plötzlich los. Er will sich lösen, aber ich halte ihn dicht bei mir. "Julian! Hör sofort auf, so ein Blödsinn zu reden! Kjell wird nicht sterben! Davon reden wir gar nicht! Und es ist nicht deine Schuld! Wie kommst du auf so eine dumme Idee?", sanft nehme ich sein Gesicht in meine Hände. Juli schluchzt so oft, dass ich ihn kaum verstehe. "Wenn ich nicht zugelassen hätte, dass jeder erfährt wer du bist, dann hätten sie dich nicht angegriffen. Oder ich hätte dich abholen müssen. Oder ich hätte dich alleine fahren lassen sollen! Nur ich kann auf diese Idee kommen, ein Taxi zu bestellen. Gott, oh Gott es tut mir so leid!", er lässt sich praktisch in meine Arme fallen und ich fange ihn auf. "Selbst wenn er tatsächlich die Frühgeburt überlebt, dann wird er bestimmt irgendwelche Nachfolgen haben! Und es ist meine Schuld!", total fertig weint er in meine Halsbeuge und ich küsse immer wieder seine Haare. Wie kann man so sehr an sich selbst zweifeln? Er trägt keine einzige Schuld!!!

Foul! - Julian Brandt Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt