Kapitel 22

1 0 0
                                    

Eine ganze Weile lang sagt keiner von uns ein Wort. Es hängt ein derart bedrückendes Schweigen im Auto, wie ich es noch nie gespürt habe. Jeder versucht die letzten Minuten irgendwie zu verarbeiten, was mir nicht wirklich gelingt. Alex und mich hat es wohl am Härtesten getroffen. Für Alex ist seine ganze Familie in die Brüche gegangen und ich habe erfahren, dass die einzige Familie, die ich zu haben glaubte, mich eiskalt hintergangen hat.

Ich kann einfach nicht glauben, dass Rob zu so etwas fähig ist. Dass er mit einem Schlag eine ganze Spezies ausrotten würde, nur weil sie ihm im Weg ist. Wie kann jemand nur so engstirnig sein? Wieso will er denn nicht sehen, dass nicht alles schlecht ist an der Welt der Dämonen?

Nach ein paar Minuten kommen wir vor dem Hotel zum Stehen. Das Auto wird abgedreht und das angenehme Brummen des Motors verlischt, was eine merkwürdige Leere in mir hinterlässt. Alex zieht den Schlüssel ab und sieht mich von der Seite her an. In seinem Blick liegt Trauer, aber auch Sorge. Sogar in der schlimmsten Phase seines Lebens sorgt er sich noch um mich. Womit habe ich das bloß verdient?

»Bist du sicher, dass wir mit euch kommen können?«, fragt er mich leise und deutet mit dem Kopf auf das Hotel.

»Ja. Ganz sicher.« Ich weiß zwar noch nicht viel über die neue Welt, in die ich geschubst wurde, aber eines doch. Nämlich, dass die Dämonen, die in diesem Hotel leben, gute Menschen sind. Zumindest die meisten, aber wie gesagt, ich denke nicht, dass es noch weitere gibt, die wie Leo auf Stans Seite stehen. Ich denke die anderen, die hier leben, möchten einfach nur... leben. In Ruhe und Frieden und mit ihren Familien. Sie leben in einem Rudel, zurückgezogen, ständig auf der Hut und immer in Sorge... aber sie leben.

Alex nickt zaghaft, dann steigt er aus.

Dean, Drake und ich gehen voraus und stoßen die Tür zur Lobby auf, in der schon so viel passiert ist. Hier hat Stan mich glauben lassen, Alex sei gestorben. Hier habe ich mich zum ersten Mal verwandelt. Hier habe ich die Liebe und das Vertrauen der einzigen Familie, die mir am Herzen lag, ein für alle Mal verloren. Und hier wurde ich, wie sich herausstellte, so stark getäuscht, dass es mir jetzt noch alle Haare zu Berge stehen lässt.

Wir durchqueren den staubigen, leeren Raum, der für uns nur als Tarnung dient und steuern auf die weitläufigen Treppen zu. Im ersten Stock befindet sich eine Tür, die mit einem sechsstelligen Pin-Code versperrt ist. Ich gebe die Zahlen ein und halte den anderen die Tür auf.

Hinter der Tür ist das Hotel wie verwandelt. Die Farben strahlen nur so und es sieht groß und prunkvoll aus. Das ist die einzige Lobby, die noch zählt in diesem Hotel. Wie zu erwarten treffen wir auf einige Dämonen. Es wäre verdächtig gewesen, wenn nicht, immerhin ist es noch nicht einmal Mittag. Ich spüre wie Alex sich neben mir anspannt, als wir durch den Raum gehen, aber dafür gibt es keinen Grund. Die anderen merken nicht einmal, dass Alex und Mary keine von ihnen sind. Sie alle stehen in kleinen Grüppchen zusammen und lachen oder unterhalten sich, manche sind auf dem Weg nach unten und manche wollen in ihr Zimmer. Als wir vor dem Lift zum Stehen kommen, sieht Alex sich überrascht um, als er merkt, dass niemand uns Beachtung schenkt. Manche begrüßen Drake und mich freundlich, aber das wars dann schon.

»Sophie!«, ruft plötzlich jemand hinter uns. Ich drehe mich um und entdecke Quentin, der mit strahlendem Gesicht auf mich zukommt.

»Quen!«, rufe ich fröhlich und umarme ihn freundschaftlich.

»Wie geht's dir, Kleine? Ich habe dich schon länger nicht mehr gesehen. Du und Drake habt uns gefehlt bei unserem gestrigen Ausflug!« Ich lächle nur verlegen und schaue zu Boden.

»Ehrlichgesagt, ist das eine längere Geschichte und ich bin gerade zu müde, um sie dir zu erzählen...«

Quen nickt und wirkt ein wenig betrübt.

SOPHIE (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt