Kapitel 7

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Vor der Eingangstür des Hotels zische ich in die Nacht hinaus und verschwinde über der Wolkendecke. Oben angekommen kann ich wieder richtig durchatmen. Ich schließe die Augen und schwebe einen Moment in der Nacht.

Was war das denn eben? Wieso habe ich Drake geküsst? Seit Wochen trauere ich meiner in die Brüche gegangenen Beziehung mit Alex nach und dann sowas! Das kann doch nicht wahr sein. Sogar jetzt, auf dem Weg zu Alex, denke ich nur an unseren Kuss. Ich fühle keine Reue in mir. Nein, nur Schuldgefühle. Es fühlt sich an, als würde ich Alex betrügen, dabei sind wir nicht einmal mehr zusammen.

Es dauert keine zehn Minuten, dann schwebe ich auch schon über Alex' Haus. Ich gehe in den Sinkflug und lande leise auf seiner Fensterbank. Dort starre ich neugierig durch das Fenster und frage mich, wo er ist.

Ich knabbere ungeduldig an meiner Lippe herum, während in meinem Kopf alles drunter und drüber geht. Am liebsten würde ich jetzt die Scheibe einschlagen oder von außen das ganze von Glas umschlossene Haus umfliegen, aber dann riskiere ich von den anderen gesehen zu werden. Aber das wäre wohl keine gute Idee. Wenn May oder Rob mich sehen, würden sie mich wahrscheinlich mit einem Gewehr bedrohen. May auf jeden Fall... Ich erinnere mich, wie sie mir in der Hotelhalle vor allen Leuten eine Ohrfeige gab, nur weil ich mich in eine von ihnen verwandelt habe. Dabei war ich genauso geschockt wie sie. Dass May zu so etwas fähig ist, hätte ich niemals gedacht!

Ich warte ein paar Minuten unruhig vor Alex' Fenster und überlege angeregt, was ich tun soll, als plötzlich die Tür auffliegt. Erleichtert starre ich durch das Glas und sehe ihn.

Er stolziert mit einem kleinen Lächeln in sein Zimmer, dann sieht er abwartend zurück.

Ich erwarte schon, dass May oder Rob durch die Tür kommen, aber stattdessen ist es jemand ganz anderes. Jemand, den ich schon ganz vergessen habe. Amber Stiel, das Mädchen aus der Schule, das ich immer bewundert habe wegen ihrer roten langen Haare, steht in der Tür und grinst Alex verlegen an.

Ich schlucke schwer und verfolge angespannt was weiter passiert. Lange Zeit reden sie bloß und ich bin schon fast erleichtert, doch dann steht Alex von seinem Stuhl auf, auf dem er gesessen ist und geht auf Amber zu.

Bestimmt will er ihr zum Abschied nur die Hand schütteln!

Wie in Zeitlupe sehe ich wie er immer mehr Schritte auf sie zugeht. Noch einen und noch einen bis sie schließlich ganz nah zusammenstehen.

Vielleicht eine Umarmung zum Abschied?

Meine Hände beginnen nervös zu zittern und ich reiße die Augen noch weiter auf.

Alex nimmt ihre Hand in seine und zieht sie noch ein Stück näher an sich heran.

Ich klatsche mit der Hand auf die Fensterscheibe und bin fast versucht sie einzuschlagen. Dann passiert das Schlimmste. Alex beugt sich nach vorne und küsst sie.

Ich verliere den Halt und falle tollpatschig drei Meter auf den harten Asphalt-Boden. Ich stöhne und kneife mit schmerzerfülltem Gesicht die Augen zusammen.

Jetzt sind meine Gefühle endgültig am Durchdrehen! Tränen kämpfen sich an die Oberfläche. Es fühlt sich an, als würde er mich betrügen. Mit einem Mädchen, das ich vor einiger Zeit mit ihm verkuppeln wollte!

Ich liege immer noch regungslos am Boden und lasse die Tränen über meine Wangen kugeln. Dass ich hier ein leichtes Ziel für alle möglichen Jäger und Dämonen bin, weiß ich. So gut wie jeder Jäger ist auf der Jagd nach mir und so, wie ich daliege, kann man mich erschießen oder erstechen bevor ich auch nur versuchen kann, mich zu wehren – oder mich zu verwandeln.

SOPHIE (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt