Kapitel 12

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Stundenlang gehe ich vor der Wohnzimmertür auf und ab und kaue auf meiner Lippe herum. Die anderen gingen wieder ins Bett, aber Alex blieb bei mir. Wahrscheinlich wollten sie mich nicht unbeaufsichtigt in ihrem Haus lassen. Dabei bin ich genauso ungerne hier. Das Heimatsgefühl, das dieses Haus bei mir auslöst, fühlt sich so schön an, aber die Ablehnung, die ich von allen Seiten spüren kann, tut gleichzeitig so unheimlich weh. Es ist kaum zu ertragen.

»Danke...«, sagt Alex nach einiger Zeit. Er sitzt auf den Stufen, die nach oben führen, etwa zwei Meter von mir entfernt und sieht mich ernst an. Erstaunlicherweise kann Alex sich für etwas bedanken ohne jegliche Anzeichen von Dankbarkeit in seinem Blick.

»Wofür?«

»Dafür, dass du meine Mom wieder nach Hause gebracht hast«, sagt er und senkt betrübt und schuldbewusst den Blick.

»Das war selbstverständlich. Sie ist mir genauso wichtig wie dir!« Ich halte es nicht mehr aus nervös im Raum auf und abzugehen, also setze ich mich auf den Teppichboden und lehne mich stöhnend an die Wand. Weit weg von Alex.

»Ja, ich weiß. Und anscheinend hat sie es auch geschafft dir zu vergeben!«, raunt er ohne mich anzusehen.

»Vergeben? Was habe ich denn Schlimmes getan, dass ich Vergebung brauche?«, frage ich verletzt und merke wie die Wut und die Übelkeit sich in meinem Körper ausbreiten.

Alex sieht mich an. Sein Blick ist weicher als sonst, aber trotzdem liegt Verachtung darin.

»Du warst die ganze Zeit ein Dämon!«, wirft er mir dann vor.

»Nein war ich nicht! Dämonen sind nicht so von Geburt an. Sie verwandeln sich in bestimmten Situationen. Meistens, wenn etwas Schlimmes passiert. Deshalb habe ich mich verwandelt. Weil du vor meinen Augen gestorben bist!« Ich versuche so viel Schmerz in diese Worte zu legen, wie nur geht.

»Aber du warst trotzdem schon immer einer! Ob nun innerlich oder äußerlich! Du warst ein Dämon. Und ich habe dich in meine Familie gelassen. Ich habe mit dir den Großteil meines Lebens verbracht!«

Er stellt mich so hin, als wäre ich ein fleischfressendes Monster, das nur in sein Leben gekommen ist, um seine Familie zu zerstören und alle umzubringen, die ihm lieb und teuer sind. Was wirft er mir da bloß vor?

Schmerzerfüllt beiße ich die Zähne zusammen und wende den Blick ab. Ich spüre wie das Brennen in meinen Augen schlimmer wird und ein paar Tränen über meine Wange kullern, die ich verärgert wegwische. Im Augenblick macht es mich unheimlich wütend wie viel Zeit und Tränen ich damit verschwendet habe, um Alex und unsere kaputte Beziehung zu trauern. In der Zwischenzeit hegte er nur Hass gegen mich, machte mit Amber rum und wünschte sich, dass wir uns nie kennengelernt hätten. Wie kann sich seine Meinung von mir in so kurzer Zeit bloß so drastisch ändern? Wieso kann er nicht begreifen, dass ich immer noch dieselbe bin?

»Du kannst mir nicht die Schuld dafür geben!«, sage ich mit Wut in der Stimme.

»Doch, das kann ich!«

»Ich wusste mein ganzes Leben lang nicht einmal, dass es Dämonen gibt. Wie hätte ich das vorhersehen können? Ich habe dich geliebt und zwar aufrichtig«, ich schreie ihn fast an, während noch mehr Tränen aus meinen Augen strömen.

»Ich liebe dich noch immer, Alex!«, hauche ich noch und ziehe im selben Augenblick meine Knie an und schlinge die Arme um sie, damit Alex nicht sieht, wie ich zu schluchzen beginne. Er wendet den Blick ab und wischt sich unauffällig über die Augen. Ohne ein weiteres Wort oder einen Blick in meine Richtung steht er auf und verschwindet im oberen Stock.

Mein Schluchzen wird schlimmer und schüttelt meinen ganzen Körper durch. Wie kann ich Alex klarmachen, dass ich immer noch dieselbe bin, mit der er vor zwei Monaten noch für immer zusammenbleiben wollte?

SOPHIE (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt