Kapitel 9

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Ich schleiche auf Zehenspitzen an den Hotelzimmern vorbei und hoffe, dass mich niemand hört. Zum Fliegen ist es hier drinnen zu eng und außerdem würden meine Flügelschläge einen verdächtigen Wind machen, der möglicherweise jemanden aufgeweckt hätte. Wahrscheinlich wäre dieser Jemand Louis gewesen, der anscheinend neben jedem von uns ein Zimmer hat.

Es ist kurz nach zwei Uhr am Morgen, jetzt sollten also alle schlafen. Auch Stan und Leo.

Nachdem Drake bekommen hatte, was er wollte – ehrlichgesagt: was wir beide wollten – konnte ich ihn dazu überreden mir heute bei diesem Einbruch in den Keller zu helfen. Obwohl... als Einbruch kann man das ja wohl kaum bezeichnen. Ich bin einfach besorgt um die Dämonen, die ich hier eingeliefert habe und will mich nach ihrem Befinden erkundigen... mitten in der Nacht.

Das ist völlig normal!

Wenn ich daran denke, gleich etwas Geheimes über meinen Großvater herauszufinden, fängt mein Herz an vor Nervosität Saltos zu schlagen. Einerseits sagt mir mein Instinkt, dass hier etwas im Gange ist, das ich aufdecken muss. Aber gleichzeitig fürchte ich mich davor, dass ich recht behalte. Wenn Stan wirklich etwas plant, das mir nicht gefällt, wohin soll ich denn dann? Ich habe ja niemanden mehr... außer Drake, aber der wäre genauso aufgeschmissen wie ich. Ich stecke wirklich in der Zwickmühle mit meinen Gefühlen. Hoffen wir mal, dass sich alles zum Guten wendet. Auch, wenn ich mir dann ziemlich lange Drakes albernes Gerede, wie: Ich habe es dir ja gleich gesagt, anhören muss.

Erst als ich in der großen Halle im Erdgeschoss ankomme, traue ich mich wieder durchzuatmen. Trotzdem wage ich nicht, irgendein Geräusch von mir zu geben. Ich befinde mich auf einer Geheimmission und ich will nicht, dass sie auffliegt, weil irgendein bescheuerter Schlafwandler den Mucks gehört hat.

Hoffentlich ist Louis kein Schlafwandler!

Ich schaue mich angespannt im Raum um und verstecke mich dann in einer dunkleren Ecke. Drake sollte mich hier treffen. Es kann nicht mehr lange dauern, es sei denn er hat absichtlich verschlafen, weil er den Plan sabotieren will. Als ich plötzlich hinter mir ein Krachen höre, schrecke ich hoch. Es fühlt sich an, als wäre mein Herz gerade in die Hose gerutscht. Erneut breitet sich Übelkeit in mir aus, die ich nur mühsam wieder herunterschlucke. Ich halte den Atem an und bleibe versteckt. Doch da dieser Raum vollkommen leer ist, stehen die Chancen unentdeckt zu bleiben, nicht sehr gut.

Die Schritte kommen immer näher und so wie es sich anhört sind es mindestens zwei Personen.

Stan und Leo vielleicht?

»Soso?« Ich atme erleichtert aus, als ich Drakes Stimme höre, während er leise auf mich zukommt.

»Gott Drake! Du hast mich zu Tode erschreckt!«, flüstere ich beinahe wütend und komme aus meinem Versteck. Mein Blick fällt auf Dean, der neben Drake steht und den Blick absichtlich von mir abwendet, als wäre es ihm höchst unangenehm in meiner Gegenwart zu sein.

»Was macht er denn hier?«, frage ich an Drake gewandt und kneife die Augen zusammen. Drake schaut überrascht zu Dean, als würde er auch eben erst bemerken, dass er hinter ihm steht.

»Ich dachte, wir können Verstärkung gebrauchen«, sagt Drake und lächelt mich fies an. Das schadenfrohe Glitzern in seinen Augen sagt mir, dass er ihn nur dabeihat, um sich an mir zu rächen für diesen Plan. Dabei ist es eher Dean, dem Drake hier etwas „einbrockt". Immerhin möchte er nicht mit mir reden.

»Wehe du verlierst auch nur ein Wort über das hier!«, zische ich Dean zu. Wer weiß, wie vertraut er mit Stan ist. Vielleicht hat unser Großvater ihn ja auch zu seinem persönlichen Spion erklärt.

SOPHIE (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt