Am Morgen wachte ich mal wieder mit ordentlichen Muskelkater auf, aber ich musste zugeben, dass der Muskelkater nicht so stark war wie am Vortag.
Trotzdem quälte ich mich die knarrende Holztreppe hinunter zu Mama in die Küche.
6:30 Uhr sah ich auf der Küchenuhr.
Dass Mama so übermotiviert in der Küche stand und kochte wunderte mich ganz und gar nicht mehr.
Ich setzte mich müde an den Küchentisch und wartete auf das fertige Essen.
»Willst du schon gleich mit mir rüber zum Hof gehen oder lieber später nachkommen?«, fragte Mama mich und stellte Spiegelei auf den Tisch.
»Also wenn ich schon wach bin kann ich auch direkt mit dir kommen«, meinte ich ein wenig verschlafen und griff nach einem Teller.
Es war einfach nicht meine Uhrzeit.
Mama und ich aßen gemeinsam unsere Spiegeleier und Brötchen.
Sie war super motiviert, angezogen und in Topform. Ich nicht. Keines von den Dingen.
Müde, voll mit Muskelkater und auch noch im Schlafanzug. Na toll, dachte ich mir, wie konnte man bloß so voller Elan am Morgen sein ?Das Frühstück war schnell verputzt und Mama stand in den Startlöchern. Sie wollte los, ich noch nicht. Ich war halt noch nicht fertig.
Ich sprintete in mein Zimmer, zog mir schnell die Reitsachen an und ging auf direktem Wege ins Bad. Schnell Haare kämmen und Zähne putzen, mehr war nicht drinnen.
Ich glaube ich hatte zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben so wenig Zeit im Bad verbracht wie in diesem Haus.
So schnell wie ich oben war, war ich auch schon wieder unten.
Daisy war angeleint und Mama hatte schon Schuhe an.
»Können wir dann endlich?«, fragte Mama und schaute auf ihre teure Armbanduhr.
Ich antwortete gar nicht erst und zog mir einfach meine alten Turnschuhe an. Die Reitschuhe nahm ich vorsichtshalber schon mal mit.Wir gingen wieder die lange Straße bis zum Ende durch. Daisy lief gemütlich neben uns her.
Auf dem Hof herrschte schon eine große Menge Trubel. Kinder tobten munter umher und es herrschte ein großes Geschrei.
Wir gingen ins große Ferienhaus. Dort gab es zwei Abteile. Unten gab es zwei Flure, an diese jeweils drei voll möblierte Ferienwohnungen mit zwei Kinderzimmern, ein Elternzimmer, eine Küche, ein Bad und ein gemütliches Wohnzimmer waren. Dort lebten die Feriengäste die zusammen mit ihrer Familie angereist waren, manche von ihnen hatten sogar ihre eigenen Pferde dabei, dieses Mal aber keiner.
Im oberen Stockwerk waren sechs Zimmer mit 4-5 Betten drinnen. Es gab ein kleines Bad mit vier Toilettenkabinen und zwei Waschbecken, dazu gab es noch vier kleine getrennte Duschkabinen auf dem Flur.
Am Ende des Flures war ein großer Speisesaal mit einer Küche.
Dort fanden wir Sabine und Theo auch.
Sie wuschen gerade um die 30 dreckigen Teller, viele Schüsseln, Gläser und Unmengen an Besteck ab.
»Guten Morgen, sollen wir helfen?«, fragte Mama und nahm sich schon einen Schwamm in die Hand.
»Hilfe wird immer gerne angenommen«, meinte Sabine. »Du kannst Theo ablösen. Du weißt ja wo alles ist.«
Ich war ein wenig verwirrt, woher sollte Mama wissen wo alles war? Ich wusste, dass sie und Sabine augenscheinlich viel in ihrer Jugend zusammen unternommen haben, aber Mama hatte mit Pferden nie was am Hut.
Dachte ich zu diesem Zeitpunkt zumindest noch.
Ich konnte gar nicht weiter darüber nachdenken, noch bevor ich mich nämlich zu intensiv damit auseinandersetzte kam Nick in den Speisesaal.
»Wir sollten mal ein Plan darüber machen welches Pony wir von der Wiese holen. Bald beginnt die 1. Reitstunde und wenn wir wollen, dass die Pferde sich ihren Reiter aussuchen, müssen wir bald mal anfangen.«
Nick holte sich einen Zettel und einen Stift und setzte sich an einen der frisch gewischten Tische.
Ich setzte mich dazu und Theo stützte sich auf einen der Stuhllehnen ab und überlegte.
»Hmm wir brauchen insgesamt 15 Ponys. Wir haben fünf Anfänger die alle unter 1.40m sind, die können also einer der kleinen lieben Ponys nehmen. Vier von ihnen sind ziemlich Sattelfest und haben schon viel Erfahrung, die können also auch anspruchsvollere Ponys reiten. Fünf andere können schon reiten, brauchen aber definitiv noch mehr Übung, also eher die ruhigen, die viele Fehler verzeihen.«
Theo redete nicht weiter und überlegte.
Nick rechnete im Kopf nach und meinte: »Du hast nur 14 aufgezählt, da fehlt ein Kind. Welchen Erfahrungsstand hat sie?«
Er kritzelte ungeduldig mit seinem Kugelschreiber auf dem Papier und wartete darauf endlich weiter schreiben zu können.
»Nun ja, zuerst mal es ist keine sie. Der Junge ist 14 und ist ein sehr guter Reiter...«
»Gut dann einfach zu den anderen Sattelfesten«, fiel Nick ihr ins Wort.
»Ne eben nicht, er hatte vor kurzem einen schlimmen Unfall und seitdem ist er definitiver Angstreiter. Für ihn brauchen wir ein ganz besonderes Pferd. Ich weiß noch nicht ganz welches wir nehmen könnten.«
Nick und ich waren genauso ratlos. Diese Entscheidung ließen wir also erstmal außen vor und widmeten uns den anderen.
»Gut ich denke für die Anfänger sind am besten fünf Ponys die bis zu 1.30m sind. Da könnten wir doch Freddy, Krümel, Klecks, Jerry und Karl nehmen«, meinte Nick und fing an zu notieren.
»Nick du weißt doch, dass Jerry nicht ohne Tom laufen kann und Krümel ist ein bisschen zu frech für die Anfänger. Dadurch, dass der Krümel ein ziemlich kompakter Bursche ist, kann er ruhig auch einen der etwas größeren Kinder tragen. Karl ist ja jetzt auch nicht mehr der jüngste und der staubige Sandboden lässt ihn ziemlich husten, also würde ich ihn lieber eine Pause gönnen und stattdessen Tom rein nehmen. Krümel würde ich gerne gegen Teddy tauschen, der ist zwar ein bisschen kleiner, aber das wird bestimmt auch gehen.«
Theo hatte einfach einen Plan, dieser war echt unschlagbar.
Sie redete weiter und Nick notierte.
»Augustin, Krümel, Finn, Anton und Sugar würde ich gerne den Fortgeschrittenen zur Verfügung stellen und Thor, Robin, Bobby und Johnny sehe ich schon unter den Sattelfesten laufen.«
»Damit könnte ich definitiv leben, ich hoffe nur inständig, dass die Sattelfesten wirklich wissen wie man reitet und gut mit ihren Pferden zurecht kommen werden. Gerade Thor und Johnny können nämlich sehr eigenwillig sein.«
Welches Pferd der ängstliche Reiter reiten sollte wussten wir alle noch nicht, auch Sabine hatten keine Idee. Wir beließen es also erstmal dabei und holten die anderen Ponys.
Wir fuhren mit den Fahrrädern zur Sommerweide, wo Emil schon auf uns wartete, und fingen an zu Sortieren.
Ich war dabei keine große Hilfe denn ich wusste weder wer Krümel oder Thor sein sollten, noch wusste ich wer Tom oder Jerry war.
Ich konnte einfach nur die Ponys solange festhalten bis alle eingefangen waren.
Dies ging erstaunlich schnell, die Ponys waren wirklich alle sehr umgänglich und Menschenbezogen. Ich wusste ganz klar, dass nicht jedes Pferd auf dieser Wiese so schnell mitkommen würde, aber die die wir brauchten taten es schon.
Theo positionierte sich mit ihrem Fahrrad vorne weg und Nick und ich hielten uns hinten bereit. Emil öffnete das Gatter für die 14 Ponys und schloss es danach schnell wieder.
Theo fuhr los und die Ponys galoppierten ruhig und gesittet hinter her.
Nick, Emil und ich fuhren der galoppierenden Herde hinterher und achteten darauf, dass keiner verloren ging.
Die Ponys liefen alle geordnet in ihre Boxen und warteten da ruhig auf das was als nächstes passierte.
Die Kinder auf dem Hof fanden das Geschehen außerordentlich interessant und guckten neugierig in den Stall hinein.
Nick, Emil, Theo und ich machten alle Boxen zu und holten erstmal fünf Stricke.
Wir wollten mit den blutigen Anfängern anfangen und holten deshalb Freddy, Klecks, Teddy, Tom und Jerry aus den Boxen und führten sie in den Roundpen.
Die Stricke kamen ab und sie konnten sich frei im Roundpen bewegen.
Fünf Kinder die im Alter von 8-10 waren wurden von Theo in den Rounpen geholt.
Sie stellten sich dort hin und es dauerte so seine Weile bis alle Ponys sich wen ausgesucht hatten, aber nach einer kurzen Zeit war es endlich so weit.
Das selbe Spiel war auch bei den beiden anderen Gruppen. Pferde in den Roundpen, Kinder dazu, alle glücklich.
Ich fragte Theo: »Wie kannst du garantieren, dass jedes Kind am Ende ein Pferd hat, ich meine was ist wenn sich kein Pferd für einen interessiert?«
»Ich kann es nicht garantieren, aber bis jetzt hat es immer geklappt. Natürlich kann es mal vorkommen, dass ein Pferd sich zu niemanden hingezogen fühlt, aber solange das hier nicht der Fall ist brauche ich kein Plan B«, sagte sie stolz.
Wir schauten einen Moment lang in den Rounpen und dann sagte Theo plötzlich: »Rune!«
»Was Rune, jeder ist doch versorgt«, sagte Emil
»Oh nein Emil, nicht jeder.« So viel Euphorie hatte ich noch nie zuvor in Theos Stimme gehört.
»Oh nein Theo das ist eine ganz und gar schlechte Idee«, warf Nick ein.
»Ein Versuch wird es wohl wert sein«, meinte sie immer noch äußerst überzeugt von ihrer Idee.
»Ach komm Theo diese Idee ist wahnsinnig, dieser Wallach hat ein tiefliegendes Trauma erlitten, er hat Angst!«
Ich habe Theo und Nick noch nie zuvor so miteinander reden hören. Ehrlich gesagt machte es mir ein wenig Angst.
»Du bist verrückt!«, trat Nick nochmal nach.
»Wir fragen Sabine und wenn sie meine Idee für verrückt hält, dann verwerfe ich sie. Aber nur dann!« Theos Stimme war ruhig und selbstsicher.
Theo und Nick liefen sofort los zu Sabine um den Streit zu klären.
Emil und ich standen am Roundpen und nach einer kurzen unangenehmen Stille sagte er: »Weißt du Rune war immer einer unserer besten Therapiepferde, immer sehr verlässlich und 100% klar im Kopf.
An einem Nachmittag hatte Theo ein Ausritt veranstaltet, da Rune so verlässlich war, wurde er mitgenommen. Es war eine kleine Gruppe aus fünf jungen Mädchen, die alle eigentlich schon reiten konnten. Sie wollten alle zusammen zum See und eine runden schwimmen gehen. Soweit kamen sie aber nicht. Seine Reiterin war, ich sag's mal so, nicht gerade die umgänglichste. Sie war sehr verwöhnt und wollte schneller reiten, als es Theo vorgab. Das tat sie auch, sie galoppierte an der einen Stelle an und ritt einfach an Theo und Rocky vorbei. Die anderen Ponys galoppierten mit und es herrschte ein großes Chaos, Theo hatte einfach große Angst und war maßlos überfordert. Rune tat einfach das was seine Reiterin ihn befahl und rannte immer weiter. Die anderen Mädels hatten ihre Ponys in den Griff bekommen und taten das was Theo ihnen sagte und blieben schön dort stehen. Theo galoppierte dem Mädchen hinter her und versuchte sie zu warnen. An der Stelle des Waldes war es nämlich sehr gefährlich und es verlief nur ein sehr schmaler Pfad zwischen dem Weg und ein steilen Abhang. Eine Kurve bekamen sie auf Grund der Geschwindigkeit nicht und rutschten einen langen Abgang hinunter. Sie überschlugen sich mehrfach aber im Endeffekt ist keiner schwer verletzt gewesen.«
»Das ist ja grauenvoll«, sagte ich bestürzt.
»Seitdem konnten wir ihn nicht mehr dazu ermutigen geritten zu werden. Er ist unglaublich lieb vom Boden aus, aber sobald man sich nur über ihn rüber beugt verfällt er in sehr großer Panik und fängt an unberechenbar zu werden. Theo hat das ganze auch nicht gut aufgenommen, dieser Unfall ist schon ein gutes Jahr her, aber seitdem macht sie keine Ausritte mit Kindern mehr die sie nicht kennt. Der Anblick von damals war schrecklich gewesen und sie hat ihn bis heute nicht ganz verdaut. Manchmal wacht sie nachts auf und ruft mich an, manchmal weint sie sogar. Sie fühlt sich für Rune verantwortlich und ich glaube deshalb möchte sie so gerne, dass der verunfallte Junge mit ihm Arbeit.«
Ich schwieg nur, wie schwer muss das bitte gewesen sein? Ich wollte mir gar nicht ausmalen was das für ein Anblick gewesen sein musste.
Weder ich noch Emil sagten noch ein Wort bis Nick und Theo wieder kamen.
Theo freute sich und Nick war ein wenig maulig.
Theo hatte gewonnen, Sabine war begeistert von dieser Idee und stimmte dem ganzen zu.
Der ängstliche Junge hieß Marc, er war wirklich ein guter Reiter. Er kam aus einer Reiterfamilie und in den Turnierkreisen war diese sehr angesehen. Er hatte vor kurzem ein traumatisches Erlebnis und sollte auf dem Hof, innerhalb der restlichen Sommerferienzeit, wieder den Spaß am reiten finden.
Am heutigen Tag ließen wir für ihn alles ruhig angehen und er half den kleinen beim satteln, putzen und aufsteigen.
DU LIEST GERADE
Zurück zu mir
Teen FictionDie zwölfjährige Constanze ist ein ganz normales Mädchen. Naja, vielleicht nicht so normal wie du oder ich. Ihr Leben scheint perfekt. Ein behütetes Eltern Haus - eine liebende Familie mit Geld ohne Ende. Was ist wenn aber nicht alles so bleibt wie...