Mama macht ernst - schon wieder

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Die Zeit bis kurz vor der Zwischenzeugnisausgabe verlief soweit gut. Till hielt sein Wort und ließ mich in der Schule in Ruhe.
Er sorgte sogar dafür, dass auch die anderen mich in Ruhe ließen. Ich stand sozusagen unter seinem persönlichen Schutz, auch wenn es kein anderer mitbekam.
Ich war wirklich dankbar über diese Situation.
Irgendwie kamen Till und ich uns dann doch wieder in gewisser Weise näher. Im Stall redeten wir dann doch mehr als verabredet war und dort verstanden wir uns blendend, aber darüber hinaus war nichts gewesen.
Ich hoffte wirklich, dass wir uns irgendwann wieder auf einer ganz neuen Ebene verstehen konnten und setzte alles auf die Zeit, die bekanntlich Wunden heilt.
Dass ausgerechnet meine Mutter mir einen Strich durch diese Rechnung machte, musste ich dann schnell feststellen.

Eine Woche vor der Zeugnisausgabe kam ich erst spät nach Hause.
Ich hatte noch ziemlich lange mit Till trainiert.
Es war ein kalter Wintertag und ich freute mich schon auf eine heiße Dusche.
Als ich dann aber ins Haus kam, hatte Mama eine Überraschung parat.
Ich stand in unserem Flur, die Reitstiefel gerade erst aufgemacht, als ich Mama und Papa vor mir stehen hatte.
»Es gibt tolle Neuigkeiten!«, meinte Mama und übergab Papa das Wort.
Ich war noch total überwältig und umarmte erstmal Papa. Mama sah mich ein wenig erzieherisch an, als ich mit meinen dreckigen Reitstiefeln von der Fußmatte auf den sauberen Boden trat.
»Ich hab dir ein Geschenk mitgebracht«, meinte Papa und trat zur Seite.
Hinter ihm war ein kleines Fellbündel, welches eine rote Schleife um den Hals hatte.
»Mama hat mir von deinen guten Noten und den ganzen Turniersiegen erzählt, da muss ich dich doch belohnen.«
»Aww Papa der ist ja toll! Hat er einen Namen?«, fragte ich und stürmte direkt auf die kleine Fellkugel zu.
»Das ist Charlie.«
Charlie war ein kleiner, beigefarbener Goldendoodlewelpe. Ich fand ihn unglaublich toll und hatte mich direkt ihn den kleinen Kerl verliebt.
Nach Daisys Tod war ich ziemlich traurig gewesen und Mama und ich beschlossen uns vorerst keinen neuen Hund zu kaufen.
Ein besseres Geschenk hätte Papa mir aber nicht machen können. Ich war über den Verlust hinweg gekommen und bereit für ein neuen Freund.

Nachdem die ersten Kuschelrunden vorbei waren und der kleine Welpe auf dem Sofa eingeschlafen war, setzten wir uns dazu.
Nach einer angenehmen Stille sagte Mama dann auf einmal: »Du Conni, Charlie ist nicht das Einzige womit wir dich überraschen wollen.«
Ich sah Mama fragend an, die dann direkt weiterredete.
»Also ich, also wir, also Papa und ich... Nun ja, wir sind wieder ein Paar.«
»Das ist ja großartig! Ich freue mich so sehr!« Ich war wirklich so erfreut über diese Nachricht, aber in meinem Kopf hatte ich mir die Konsequenzen irgendwie anders Vorgestellt.
Ich richtete mein Wort erfreut an Papa.
»Hast du die Villa vermietet oder verkauft? Und was ist mit der Kanzlei, hast du einen Stellvertreter eingestellt? Etwa Werner oder doch Stephan?«, löcherte ich ihn und piekste in seine Seite.
»Conni Schätzchen, du verstehst nicht ganz richtig...«, sagte Mama und legte ihre Hand auf mein Knie.
»Schätzchen, ihr kommt  wieder zu mir nach München. Der Umzug ist in 7 Tagen...«
Nachdem Papa diese Worte aussprach, verschwand das Lächeln in meinem Gesicht und wurde zu einer fassungslosen Miene.
»Nein, ich komme nicht mit! Das könnt ihr mir nicht schon wieder antun!«
Ich schrie so laut, dass Charlie erschrocken aufwachte und den Schwanz panisch zwischen seine Beine klemmte.
»Constanze, beruhige dich doch. Das ist doch das was du vor ein paar Wochen noch wolltest«, versuchte Mama mich zu beruhigen und streichelte über mein Bein.
Ich schlug ihre Hand weg und sprang auf.
»Nein Mama! Ich hab nur gesagt, dass ich hier weg will, weil mein Leben nicht so lief wie ich es wollte und der Stress mich auffraß! Aber Teenager sind manchmal unzufrieden, dies bedeutet noch längst nicht, dass ich bei der bestmöglichen Chance hier abhaue! Mein ganzes Leben ist hier und ihr könnt nicht immer solche Entscheidungen über meinen Kopf hinaus treffen!«
Ich senkte meine Stimme und sah fassungslos zu meinem Vater.
»Papa, sag doch was!«, flehte ich ihn unter Tränen an.
Er sah mich nur bemitleidend an und sagte mit schwerer Stimme: »Es ist beschlossen. Tu was deine Mutter dir sagt.«
»Ich mache mein ganzes Leben lang, dass was Mama mir sagt und ich bin es leid! Ich will nicht mehr. Nehmt doch einmal Rücksicht auf mich!«
Ich stürmte zur Tür und zog mir irgendwelche Schuhe an.
»Constanze, du bleibst hier!«, schrie meine Mutter mir nach.
»Bring mich doch dazu!«, sagte ich mit scharfem Blick und kontrollierter Stimme.
Nachdem ich meiner Mutter noch eine Sekunde lang scharf in die Augen sah, öffnete ich die Haustür und verschwand in die Nacht.

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