Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

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Der Tag war gekommen. Fast 12 Monate hartes Training lagen hinter mir und ich war in bester Verfassung.
Die Europameisterschaft fand in der Schweiz statt und daher reisten wir schon zwei Tage früher an.

Mit im Schlepptau hatte ich meine Eltern, Michael, Ben, Julien, Alex, Anton und auch Ludwig. Außerdem waren Conti, Allegra und Edda mit im LKW. Edda war mein Ersatzpferd, welches ich aber eigentlich nicht einsetzen wollte. Sie war nicht so motiviert am Sprung wie Conti und auch in der Dressur war sie noch lange nicht so weit. Mit Conti hatte ich einfach die besten Chancen auf einen Sieg. Allegra war einfach nur Contis Sicherheit und wie immer nur zur Unterstützung dabei.
Am Tag unserer Anreise trainierte ich nochmal.

In der noch leeren Arena, in der die Meisterschaft stattfinden sollte, durfte ich mit Conti ein paar Runden drehen.
Conti war sehr aufgedreht und bockte was das Zeug hielt.
»Contenance, jetzt benimm dich doch mal!«, meckerte ich und versuchte die Kontrolle zu behalten. Nicht einmal Allegras Anwesenheit konnte den Hengst beruhigen.
Er hasste einfach so große Hallen. Und ich konnte wirklich sagen, die Halle war riesig. Es war eine riesige Showarena, in der mehrere tausende von Menschen Platz nehmen konnten.

Ich hatte fast ein ganzes Jahr auf diesen Tag hingearbeitet, alles stehen und liegen gelassen, um zu gewinnen. Ein knappes Jahr bereitete ich Conti auf einen Sieg vor und das ließ ich mir garantiert nicht nehmen.
Ich arbeitete gegen ihn an. Mit starker Hand wies ich den Hengst zurecht und ritt ihn obwohl er sich verweigerte. Mit Pferdeliebe hatte dieses Verhalten garantiert nichts zu tun.
Immer wieder nutze der Hengst seine Kraft aus und zog mir die Arme lang oder galoppierte ungefragt an und ließ sich nicht mehr stoppen.

Auch als ich Ludwig ein paar Sprünge aufbauen ließ, tat Conti nicht was er sollte.
Wir rissen eine Stange, wir rissen die nächste Stange. Am Oxer verweigerte er, an der Kombination lief er vorbei.
Wir arbeiteten gegeneinander. So konnte das nichts werden.

Ich bat Michael Conti eine Runde zu reiten.
Es lief anders - es lief gut. Auch als ich Alex bat zu reiten, tat Conti zwar hippelig, aber artig das, was man von ihm verlangte.
Es schien als hätte er ein Problem mit mir. Ein Problem mit jemandem, der ihn schon als Fohlen versorgte.
Ich war empört.

Den restlichen Tag verbrachte ich mit Ben - Stadtbummel.
Meine Pferde versorgten alle anderen, nur eben nicht ich. Wieso auch? Ich musste immerhin die Meisterschaft gewinnen.

Ein Tag vor meiner ersten Prüfung, der Dressurprüfung, gab ich Conti frei. Lediglich ein bisschen longieren. Tatsächlich fühlte ich mich an diesem Tag ein bisschen traurig und deshalb suchte ich den Weg in den Stall.
»Na du«, sagte ich zu meinem Pferd und öffnete seine Boxentür.
Ich gab ihm eine Möhre und einen dicken Kuss hinters Ohr.
So zärtlich war ich wirklich lange nicht mehr gewesen.
»Bitte benimm dich morgen. Wir müssen das schaffen. Für mich - für Rocky.«
Ich wischte mir eine Träne aus dem Auge.

Noch eine kurze Zeit verweilte ich bei Conti. Dann kam aber Alex und ich ging zur alten Gewohnheit über.
»Ach hier bist du! Wir haben dich gesucht. Wir wollen in die Stadt fahren, deine Eltern haben uns ein Tisch im Restaurant gebucht.«
»Ja, ich... ich komm gleich. Ich dachte ich hatte vorhin bei Contenance eine Verletzung entdeckt und wollte nur mal nach sehen. Ich hab mich wohl verguckt«, versuchte ich die Situation zu erklären.
Ob Alex mir das glaubte? Ich bezweifelte das.
Ich schloss Contis Box. Zweimal schaute ich nochmal nach, um wirklich sicherzugehen, dass die Boxentür wirklich zu war. Ich traute meinen eigenen Kompetenzen nicht mehr, wenn es um Türen ging.

Mit zwei Autos fuhren wir ins Restaurant. Ich fuhr meinen Porsche, auf dem Beifahrersitz saß Ben und auf der Rückbank Ludwig und Alex.
Meine Eltern fuhren in ihrem SUV. Die Zwillinge und Michael quetschten sich auf die Rückbank.

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