Sonnentag

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Der Vortag machte mir noch sehr zu schaffen. Irgendwie hing ich in den Seilen und wusste nicht so ganz wohin mit mir.
Ben beachtete ich nicht wirklich und verließ die Wohnung schon früh. Er schlief sowieso, wie immer, noch und wurde auch durch meine extra lauten Geräusche nicht wach.

Ich ging in den Stall und wartete nicht auf Alex. Alleine, so wie ich es wollte, machte ich mein Pferd fertig und ging in die Halle.
Das erste Pferd war heute Catchi. An Conti traute ich mich noch nicht so recht ran. Meistens ritt ihn Michael oder Alex - oder besser gesagt sie versuchten es.
Mich akzeptierte er einfach nicht mehr.
Ich musste also nur Edda, Camelot und Catchi reiten. Die Zuchtstuten hatte ich aus dem Training genommen, weil sie schon ordentliche Babybäuche vor sich hin schoben und ich auf Rat des Tierarztes ihnen die Pause gönnte.

Mit Catchi drehte ich also als erstes meine Runden in der Halle. Die Stute war wie immer höchstmotiviert und voller Energie.
Ich hatte richtig Spaß die Stute zu bewegen, auch wenn ich immer noch ziemlich grob ritt.

Meine Freude hielt allerdings nicht lange an, denn schon kurze Zeit später kamen die Zwillinge mit Charlie und Vicky in die Halle.
Meine Eltern schenkten Anton und Julien jeweils ein Pferd, die ausgerechnet auch noch Bonny und Clyde hießen.
Meine Pferde mussten Namen wie „Catch me if you can" oder „First Lady Allegra" haben, aber die der Jungen durften einfache Namen tragen?!
Genauso mussten die beiden auch keine Turniere reiten oder geschweige denn bei der Zucht mit helfen. Ihre Pferde sind nicht mal reinrassig und höher als L-Niveau können die eh nicht springen.
Aber das war ja wieder typisch - alles lastete auf meinen Schultern!

Ich schwang mich augenblicklich vom Pferd und machte mich auf den Weg aus der Halle.
»Du musst nicht gehen - es ist deine Halle«, meinte Julien freundlich.
»Ich will aber!«, keifte ich böse zurück.
»Was ist denn bei dir los?«, fragte er irritiert.
»Als ob es dich interessiert!«
»Was?!«
Ich sah ihn mit runzelnder Stirn an.
»Du hast mich schon richtig verstanden! Sonst interessiert dich doch auch nicht, was ich von solchen Sachen halte - also!«
»Ich hab nie gesagt, dass es mich nicht interessiert! Ich hab dir nichts getan, also hör auf dich hier auf zuspielen!«, zickte er zurück.
»Pff, das ist ja lächerlich. Nichts getan?! Glaubst du nicht, dass ich weiß, dass ihr gestern essen wart - ohne mich?«
»Deshalb bist du sauer?! Was ist schon dabei? Du hast eben trainiert und wir haben einfach beschlossen dich in Ruhe zulassen.«
»Was schon dabei ist?! Das sind meine Eltern, mein Hund, mein Verlobter, meine beste Freundin, mein Hof und mein blödes Lieblingsrestaurant! Ich bin alt genug, um selbst zu entscheiden, ob ich Zeit für sowas habe oder nicht! Ich hab euch damals aus eurem bescheuerten Leben raus geholt und womit dankt ihr es mir?! Ihr nehmt mir alles, was mir wichtig ist! Was wollt ihr als nächstes haben? Mein Pferd? Mein Auto? Ach Moment - ihr habt ja selber eins bekommen!«
»Wow - Constanze, das ist nicht fair«, mischte sich nun auch Vicky ein.
»Nicht fair?! Wisst ihr was nicht fair ist? Mein bescheuertes Leben und dass jeder immer über meinen Kopf hinweg bestimmt!«
Es brach einfach aus mir heraus.
Böse sah ich sie an und verließ die Halle.
Diesmal weinte ich nicht - noch nicht.
Zuerst machte ich Catchi fertig und stellte sie in die Box. Erst dann verkroch ich mich im Strohlager und weinte mir die Seele aus dem Leib.

Wie konnten die Menschen um mich rum nur nicht merken, dass ich kein verdammtes kleines Kind mehr war und sehr wohl selber entscheiden konnte und auch wollte!
Egal ob es Alex war, der mich versuchte zu verändern, oder meine Mutter, die immer wieder Entscheidungen für mich traf - jede Entscheidung, die nicht ich traf, war eine zu viel!

Mal wieder fühlte ich mich unverstanden und alleine gelassen. Noch mehr verspürte ich den Drang einfach ausbrechen zu wollen. Ich wollte einfach nur noch weg. Irgendwohin wo mich niemand kannte - wo keiner über mich entscheiden konnte.

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