Die Überraschung

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Die erste Schulwoche war eine reine Katastrophe.
Ich war natürlich nicht mit Nick, Jule, Maria oder Eske in einer Klasse.
In meiner Klasse war aber Moritz, der in den Sommerferien ja relativ nett gewesen war, aber mit seinem besten Freund Till, war er unerträglich. Sie machten sich ständig über mich lustig, nahmen meine Sachen weg oder ärgerten mich mit kleinen Gemeinheiten.
Ich wusste, dass Jungs in meinem Alter so waren, aber dadurch, dass ich sonst keine Freunde in meiner Klasse hatte und auch noch die Oberzicke Franzi in meiner Klasse war, machte alles nur noch schwerer.
Franzi zickte vom ersten Tag an nur gegen mich. Ihre zwei besten Freundinnen, oder eher gesagt ihr Gefolge, hießen Karla und Nicole.
Sie waren so wie Bedienstete und machten so gut wie alles was Franzi sagte.
Die drei verschlimmerten meine erste Schulwoche noch viel mehr.
So richtig Freunde fand ich zuerst nicht.
Auch zuhause lief nicht alles so wie es sollte.
Mama und ich gerieten immer mal wieder an einander, richtig ausgesprochen hatten wir uns nach der Sache nämlich vorerst nicht.
Während Mama ihre letzten Wochen mit ihren alten Freunden verbracht hatte, habe ich mich überwiegend mit den Pferden beschäftigt und dies war auch das Einzige wozu ich Lust hatte.
An einem Freitagabend, als es schon dunkel war, saß Mama am Küchentisch. Vor ihr lag das lilafarbene Halfter mit dem Namen drauf.
Sie strich mit ihrem Finger über den Namen.
Ich beobachtete sie einen kurzen Moment und als sie mich sah, bat sie mich, mich hinzusetzen.
»Conni es tut mir leid was passiert ist, ich weiß ich hätte dich nicht belügen dürfen. Aber du musst verstehen, ich wusste einfach nicht wie ich es dir hätte sagen können. Ich hab dich so lieb und ich möchte dir mal was erzählen.«
Ich hörte ihr aufmerksam zu und hoffte endlich ihre Sicht der Situationen zu hören.
»Also Petit Four war mein erstes Pony, diese Stute hat mir wirklich eine Welt bedeutet. Sie und ich waren unzertrennlich und das konnte jeder sehen.
Als ich dann aber ca. 14 Jahre alt war, beschloss meine Mutter kurzer Hand, dass Petit Four nichts mehr taugte und hat sie einfach verkauft als ich in der Schule war. Nach der Schule kam ich in den Stall und ihre Box war leer, sie war einfach nicht mehr da. Von Sabines Eltern habe ich dann erfahren, dass sie weg war. Meine eigene Mutter hatte nicht den nötigen Anstand mir, ihrer einzigen Tochter, zu sagen, dass sie ihr Pony und somit ihr ganzes Leben, verkauft hatte. Es war grässlich.«
»Mama ich wusste nicht...«
Sie ließ mich nicht aus reden.
»Nein Conni, du brauchst dich nicht entschuldigen. Wie solltest du denn auch wissen? Ich hab dir ja nie was erzählt. Aber ich möchte jetzt alles wieder gut machen.«
Sie umarmte mich und ich wusste, dass sie es ernst meinte. Ich nahm ihre Entschuldigung an verzieh ihr alles.
Es ging sogar soweit, dass Mama mit mir auf den Dachboden ging und mit mir zusammen die Kisten akribisch durchging. An dem Abend erzählte sie mir sehr viel von ihr und ihren Pferden. Sie erzählte mir zwar viel, aber noch längst nicht alles, für manches war ich einfach noch zu jung. An dem Tag stand mir der Dachboden immer offen und der Schrank im Flur verschwand endgültig.

Am nächsten Morgen weckte mich Mama schon früh. Sie wollte mit mir in den Stall gehen und mir bei meiner Reitstunde auf Rocky zusehen. Es war zwar früh, aber ich gewöhnte mich langsam dran und maulte deshalb nicht ganz so viel.
Ich machte mich einfach schnell fertig und dann gingen wir auch schon in den Stall.
»Ach hey Conni«, rief Sabine mir zu. »Dein Pferd steht in der Box, mach ihn fertig und komm dann zum Round pen.«
Es war ein seltsamer morgen Sabine hatte mich wohl schon erwartet und auch Theo, Emil und Nick schienen so als wenn sie in den Startlöchern standen. Mama war auch komisch gewesen, aber dies war sie in den letzten Wochen sowieso öfters gewesen, deshalb wunderte mich ihr Verhalten am wenigsten.
Ich ging in den Stall und alle gingen mit. Verwundert dreht ich mich um und fragte: »Ist was?«
»Nicht im geringsten«, antwortete Theo mit einem Verdächtigen Grinsen im Gesicht.
So ein seltsames Verhalten konnte ich mir auch nicht erklären und nahm es fürs erste einfach so hin.
Ich ging einfach in die Sattelkammer und rief: »Sabine Sattel oder Gurt?«
»Nimm mal bitte den Gurt von ganz links und das Reithalfter, was darüber hängt und bitte noch eine Longe. Der Putzkasten steht vor der Box.«
Och Nö wie blöd, dachte ich. Schon wieder Longenarbeit?! Ich dachte echt ich wäre schon weiter gewesen.
Als ich den Voltigurt nahm, merkte ich, dass es Ponygröße war und auch das Reithalfter war nicht so groß wie das von Rocky. Ein wenig verwundert ging ich also nichts ahnend durch die hintere Stalltür raus zum Putzplatz. Ich war total in meinen Gedanken vertieft und ging schnurstracks an den Boxen vorbei. Dann wollte ich noch den Putzkasten holen und wunderte mich warum Rocky nicht da war.
»Sabine, reite ich heute etwa Jaromir zuerst?«
Es antwortete keiner.
Ich war wirklich sehr irritiert und entdeckte dann erst die Box vor der ein Putzkasten stand.
»Hat Rocky eine neue Box?«, rief ich wieder. Es antwortete wieder niemand, sie standen alle nur super seltsam an der großen Stalltür und sahen mich gespannt an.
Ich ging zum Putzkasten und wollte ihn mit zum Putzplatz nehmen, dann laß ich aber den Namen und war verwirrt.
»Rübchen«
»Sabine hier steht der falsche Kasten.«
Sie schauten wieder nur grinsend zu mir rüber und warteten auf irgendwas.
Ich schaute in die Box und sah ein mir fremdes Pferd.
»Also so langsam finde ich es nicht mehr lustig. Kann mir jetzt mal jemand sagen wo Jaromir und Rocky sind. Ich hab keine Lust mehr auf eure Schnitzeljagd.«

In der Box stand ein fuchsfarbendes Pony, es war um die 1.40m groß und hatte riesige Kulleraugen. Er knabberte genüsslich an seinem Heu und interessierte sich vorerst gar nicht für mich.
Seine Mähne war sportlich kurz gehalten und auch im generellen war er eher der sportliche Typ, trotzdem war er nicht zu zierlich, sodass er immer noch gut abdeckte.

Ich drehte mich zu den anderen und wartete auf eine Antwort, sie antworteten aber nicht und sahen mich nur kichernd an.
»Habt ihr ein neues Schulpony?«, fragte ich ein wenig genervt.
Sabine trat näher und zeigte auf das Boxenschild.
»Fast«, fügte sie noch hinzu.

Ich fing an es zu lesen.
Name: Rubenstein
Besitzerin: Constanze Luise Fiedler

Weiter laß ich gar nicht erst, denn ich konnte eins und eins zusammenzählen. Ich konnte es nicht glauben und drehte mich schnell zu den anderen.
»Nicht im Ernst oder?«
»Oh doch«, meinte Nick und stürmte auf mich zu.
Auch die anderen nickten zustimmend und kamen näher.
Ich machte die Box auf und streichelte den kleinen Mann erstmal.
»Das ist Rübchen, er ist 5 Jahre alt und ein super tolles Pony. Ich durfte ihn probereiten und seine Rittigkeit und sein Ausbildungsstand sind wirklich herausragend. Er ist wirklich ein toller«, meinte Theo schwärmend.
»Auch ich bin ihn geritten und ich muss sagen, dass ich ein wenig neidisch bin«, meinte Nick schmunzelnd.
»Das ist jetzt wirklich meiner?«, fragte ich ungläubig.
Mama nickte.
Ich fiel ihr um den Arm und bedankte mich.
So ein tolles Geschenk, hatte ich zuvor bekommen und ich wusste, dass es eine große Chance war.
»Wollen wir denn mal anfangen«, lachte ich und holte den kleinen Wallach aus seiner Box.
Der kleine Wallach hatte einen zügigen Schritt drauf und ich war dies alles andere als gewohnt. Jaromir trottete immer so langsam hinter einem her, aber Rübchen der war sehr aufmerksam und aktiv. Ihn musste man nicht hinter sich her ziehen.

Ich putzte ihn und näherte mich erstmals ein wenig an. Ich redete viel mit ihn und krauelte ihn unterm Bauch. Das gefiel ihm und ich sammelte gleich Pluspunkte.
Das Satteln verlief einwandfrei und auch das Reithalfter war schnell drauf.
Dieser junge Wallach war außerordentlich geduldig und gut erzogen, es gefiel mir.
Als ich dann mit ihm zum Reitplatz ging, machte Sabine die Longe dran und warf mich rauf.
Wow, dachte ich mir. Auf ihn zu sitzen war wirklich schön. Er hatte eine sehr aktive Hinterhand und er hatte einen äußerst zügigen Schritt drauf. Ich brauchte nicht viel treiben, er lief so ziemlich von alleine. Es war wirklich toll. So ganz realisieren, dass er mir gehörte, konnte ich es zu der Zeit noch ganz und gar nicht und es fühlte sich alles so surreal an.
Sein Trab war auch sehr atemberaubend, er wurde sehr gut ausgebildet und er hatte viel Potenzial.
Sein Galopp war genauso gut wie die anderen Gangarten, er war sehr Schwungvoll, aber dennoch leicht zu reiten. Ich war wirklich verliebt.

Die nächsten Tage verliefen gut, für mich änderte sich kaum etwas. Ich war nach wie vor jeden Tag im Stall, aber ab dann ritt ich bis zu drei Pferde am Tag.
Ich fühlte mich das erste Mal im Leben richtig komplett.
Die Schule verlief durchwachsen, aber nach der Hochzeit von alten Schulfreunden meiner Mutter, hatte ich wenigstens ein bisschen mit ein paar Kindern aus meiner Klasse zusammen gefunden. Franzi und Till machten mir trotzdem noch das Leben schwer.

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