Die Fassade bröckelt

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Drei Wochen waren seit meinem Sturz auf der Europameisterschaft vergangen und es war mein erster Tag wieder bei den Pferden. Die letzten Wochen verbrachte ich im Krankenhaus, beim Arzt oder im Bett - ich brauchte Zeit. Gelernt hatte ich aus der Sache nichts.

So selbstsicher wie immer,ging ich an den Boxen vorbei. Ludwig kam mir in die Quere.
»Conti hat schlechte Laune, ich würde ihn nicht reiten. Wir würden ihn alle nicht reiten.«
»Was ich mit Contenance mache, kann dir egal sein. Der wird sich bestimmt freuen mich zu sehen«, sagte ich arrogant und ging einfach an ihm vorbei.
»Wie du meinst«, rief er mir hinterher.

Ich öffnete die Boxentür und stieß sofort auf Ablehnung. Böse legte Conti die Ohren an und drehte mir drohend die Hinterhand zu. Erschrocken wich ich zurück.
»Contenance!«, meckerte ich.

»Der ist seitdem er wieder hier ist total verändert. Er reagiert gereizt, aber so böse wie bei dir gerade, das hat er bei keinem von uns gemacht. Alex ist ihn zwischendurch auch geritten, aber er schien nicht so motiviert«, sagte Cedric, als er mitbekam was gerade geschah.
»Pff, der brauch nur eine ordentliche Trainingseinheit! In 10 Minuten ist er fertig in der Halle! Ich warte«, befahl ich den armen Stallburschen, der sowieso schon zu viel zu tun hatte.
Er widersprach mir nicht. Richtig toll fand er die Situation aber sichtlich nicht.
Keiner widersprach mir mehr seitdem ich mich so verändert hatte. Keiner wollte sich mit mir anlegen, keiner wollte gefeuert werden.

Ich zog meinen Helm an und ging in die Halle. Anton und Vicky trainierten gerade und Ludwig unterhielt sich mit Alex an der Bande.
Ich sah die Blicke - die durchdringenden Blicke. Ich versuchte ihnen keine Aufmerksamkeit zu schenken und beschloss mit gehobenen Haupt mein Ding zu machen.

Keine fünf Minuten später brachte Cedric mir meinen Hengst, welcher ziemlich unruhig neben dem Jungen herging.
Ich sah wie die anderen anfingen zu tuscheln, aber auch davon ließ ich mich nicht aufhalten.
Ich nahm mein Pferd und versuchte aufzusteigen. Er blieb nicht still, sondern bewegte sich ein paar Schritte nach vorne. Ungewöhnlich.
Ich ließ mich nicht abhalten, sondern versuchte es einfach erneut.

Nach ein paar Versuchen bekam ich Conti dann doch in den Griff und stieg auf.
Er schlug angespannt mit seinem Schweif und zog mir ständig die Arme lang.

Schon das Schrittreiten war äußerst Nerven aufreibend und ich wollte einfach absteigen und gehen. Diese Genugtuung gab ich den anderen aber nicht! Sie warteten doch nur auf solche Schuldgeständnisse von mir.

Ich trabte an und versuchte Conti so zureiten, wie ich es die letzten Wochen immer tat - mit harter Hand.
Er reagierte schnell auf meine Art und Weise und fing an zu bocken, was das Zeug hielt.
»Reiß dich zusammen, Contenance!«, rief ich durch die Halle und fing an ihn doller vorwärts zu treiben. Woraufhin er mit leichtem Steigen reagierte.

Was war mit ihm los?! War er verrückt geworden?!

Ich versuchte ihn so gut es ging vorwärts zubekommen, aber an der einen Ecke wurde es zu viel.
Er nahm den Kopf zwischen die Beine, bockte ohne Ende und rannte einfach los.
Er katapultierte mich direkt in den Sand. Geschockt stand ich auf und sah meinen Hengst, der wie wild geworden durch die Halle bockte, hinterher.

Ich ging gefasst rüber zu ihm und versuchte ihn einzufangen.
Er rannte mich beinahe um, in letzter Sekunde konnte ich noch zur Seite springen. Er wäre nicht angehalten! Er hatte kein Respekt mehr vor mir - das wurde mir klar.

Die Tränen kullerten mir über die Wange und ich sah die anderen beschämt an. Sie sahen nur bemitleidend zurück. Ich stürmte aus der Halle und verkrümelte mich in der Futterkammer.
»Scheiße! Boah Fuck man!«, schrie ich weinend vor mich hin und trat einer der Futtertonnen um.
Ludwig kam zur Tür rein.
»Conni, es ist...«
»GEH! Lass mich alleine!«, schrie ich verzweifelt.
»Komm schon...«
»BOAH HÖRST DU SCHLECHT?! ICH WILL ALLEINE SEIN!«
»Schön, ich wollte nur helfen«, sagte er eingeschnappt und verließ mich wütend.
Ich sackte zu Boden und weinte.

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