Ich beschloss mich nicht unterkriegen zu lassen und ging am nächsten Morgen selbstbewusst zu den Boxen.
Es war früh am Morgen, aber der Stall war dennoch voll. Ein wichtiges Turnier stand vor der Tür, für das ich mich auch qualifiziert hatte. Also tat ich das, was die anderen auch taten - besser gesagt, ich versuchte es.
Ich ging zu Conti und öffnete seine Box. Ablehnung.
Conti hatte noch schlechtere Laune als am Vortag. Mit angelegten Ohren schnappte er nach mir. Ich ließ mich nicht entmutigen.
Ich versuchte Conti am Halfter zu erwischen und festzuhalten, aber er drehte mir nur die Hinterhand zu.
Ich blieb hartnäckig.
Er drehte sich wütend um die eigene Achse und baute sich vor mir auf.
Ein letztes Mal griff ich nach ihm.
Er stieg und trat mich mit seinem Vorderhuf zu Boden.Da saß ich nun und war Contis Attacke ausgeliefert.
»Conni!«, hörte ich Alex rufen, der mit Ludwig schnell zu mir kam.
Ohne das schnelle Eingreifen der beiden Jungs hätte Conti mich bösartig verletzt.Alex zog mich in Windeseile vom Boden und Ludwig besänftigte den aggressiven Hengst.
Geschockt sah ich zu Conti, der immer noch aufgebracht mit dem Kopf schlug, und fing langsam an zu begreifen.
Ich machte ein Schritt auf ihn zu.
»Nicht - lass ihn«, meinte Alex und hielt mich an der Schulter zurück.
Ich riss mich los und ging mit ausgestrecktem Arm langsam zur Box.
»Contenance... Conti?«, sagte ich vorsichtig und sah meinen Hengst durchdringend an.
Er legte wieder die Ohren an und warf seine Hufe in die Luft.
Hätte Alex mich nicht wieder beiseite gezogen, wäre es mal wieder unschön ausgegangen.
Mir wurde das erste Mal bewusst, was ich getan habe. Conti öffnete mir die Augen.Erschrocken hielt ich mir die Hand an den Mund und die Tränen kullerten nur so über mein Gesicht. Ich sah Alex mit großen, geschockten Augen an.
Ich wollte weg, einfach nur weg.
Da kam das alte Gefühl wieder in mir auf. Ich verspürte den Drang mich verkriechen zu müssen. Ohne zu zögern drehte ich mich um und ging im Schnellschritt Richtung Stalltür.
»Conni, was wird das?!«, rief Alex mir nach, der ahnte, was ich tat.
Ich drehte mich nicht mehr um, also rannte er mir nach.»Lass mich in Ruhe«, schrie ich ihn an, als wir aus dem Stall waren.
»Nein, das werde ich nicht tun!«
»Komm schon, Alex!«
»Nein, Conni! Ich lass nicht zu, dass du dich wieder für die nächsten drei Wochen einschließt! Nicht schon wieder! Du hast gesagt ich war das letzte Mal nicht für dich da, also schön, hier bin ich! Rede mit mir!«, forderte er mich unsanft auf.
»Alex...«
Er unterbrach mich.
»Nein! Das bist du mir jetzt schuldig! Ich lauf dir nicht noch einmal hinterher! Entweder du redest jetzt oder du kannst mich mal. Aber schieb dann nicht die Schuld auf andere, denn die einzige Person, die was für deine Situation kann, BIST DU SELBST!«
»Du weißt doch gar nicht, wie das ist, wenn dir so vor den Kopf gestoßen wird von jemanden, wo du es nie erwartet hättest!«, schrie ich ihn mit Tränen in den Augen an.
»Oh doch, Constanze, ich weiß, wie das ist! Du stößt uns seit Jahren nur noch vorn Kopf und erwartest, dass wir dich verstehen! Die Welt dreht sich eben nicht nur um dich - check das mal!«
»Das ist...«
Er unterbrach mich schon wieder.
»Lächerlich?! Ne, du bist lächerlich! Seit Jahren bist du der schrecklichste Mensch den ich kenne und trotzdem nehme ich dich jedesmal in Schutz! Du behandelst deine sogenannten Freunde wie deine Bediensteten und denkst immer du bist was Besseres! Dich hasst jeder! Selbst Ludwig macht sich hinter deinem Rücken über dich lustig!«
»Alex, hör auf!«, forderte ich ihn flehend auf.
»Wieso? Nur weil du die Wahrheit nicht verträgst?!«, fragte er wütend.
Ich war verletzt und wusste nicht was ich sagen sollte. Eins war mir aber klar, er hatte irgendwie recht und ihn weiter so anzubrüllen, hatte keinen Sinn.Mit einem furchtbar traurigen Blick sah ich ihn an und sagte niedergeschlagen: »Bin ich wirklich so schrecklich?«
Überrascht über den Stimmungswechsel lockerte sich seine Miene und er sagte einfühlsam: »Nein... also doch schon. Du bist wirklich schrecklich...«
»Ich... ich wollte doch nicht...«, sagte ich mit brüchiger Stimme.
»Ich weiß, aber du hast.«
»Alex, ich...« Ich sprach nicht zu Ende, denn ich fing noch viel doller an zu weinen.
»Hör schon auf und komm in meinen Arm«, forderte er mich mit offenen Armen auf.
Ein bisschen zögernd holte ich mir die so dringend benötigte Umarmung und legte meine Stirn gegen seine Brust.
Ich schluchzte.
»Ist schon gut«, meinte er aufmunternd und tätschelte mir mit seinen großen Händen den Hinterkopf.»Die Welt sieht doch gar nicht mehr so schlimm aus«, sagte er nach einer kurzen Zeit aufmunternd.
»Ich hab dein Pulli angeheult«, sagte ich schmunzelnd und sah wie ein kleines Kind zu ihm auf. Er wischte mir eine Träne von der Wange.
»Kommst du mit mir und den Pferden ein bisschen in den Wald?«
»Aber ich will nicht reiten«, sagte ich traurig.
»Musst du nicht. Wir nehmen Stanley und Rose und machen einen kleinen Spaziergang. Charlie freut sich bestimmt auch, wenn er mitkommen darf.
Ich wischte mir die laufende Nase im Ärmel ab und nickte. Gegen einen Spaziergang hatte ich nichts einzuwenden.Charlie war mittlerweile ein großer, haariger Rüde geworden. Ehrlich gesagt hatte ich auch ihn in den letzten Jahren vernachlässigt.
Ben zog damals zu mir auf den Hof, das hieß aber nicht, dass er Tiere mochte. Im Stall war er nie und er wollte nicht, dass Charlie bei uns am Fußende schlief oder überhaupt in unserer Wohnung ist, also schlief der Rüde bei Julien und Anton mit in der Wohnung, wodurch er immer mehr zu deren Hund wurde.
Ich beschäftigte mich immer seltener mit dem Hund und wie bei meinen Pferden, ließ ich die anderen die Arbeit erledigen.Charlie trottete ganz selbstständig vor uns, während wir mit den beiden Pferden hinter her kamen. Ich hatte Stanley am Strick und ich freute mich sehr über das sture Pony. Egal wie sehr ich die großen, eleganten Pferde mochte, Ponys liebte ich über alles.
»Geht's dir besser?«, fragte Alex mich.
»Ich weiß nicht«, sagte ich noch ein bisschen niedergeschlagen.
»Das wird schon, Conni.«
»Alex, ich bin nicht, Conni... Ich hab jetzt verstanden, was du mir sagen wolltest, aber ich kann mich nicht von heute auf morgen ändern. So funktioniert das nicht. Es tut mir leid, aber ich muss jetzt in erster Linie an mich denken und ich kann mich nicht einfach verstellen, um euch wieder zu gefallen. Ich werde mein Bestes versuchen, aber ich bin immer noch diejenige, die dir gestern gesagt hat, dass sie gar nicht mehr Conni sein möchte - respektiere das bitte...«
»Hm, verstehe.«
»Es tut mir leid, aber...«
»Nein, Conni - Constanze - verstehe schon. Du willst dich gar nicht ändern«, sagte er eingeschnappt und war ziemlich enttäuscht.
»Denk doch einmal an mich! Mein Verhalten stört mich nicht und die letzten Jahre bin ich gut damit klar gekommen. Ihr, vor allem Contenance, habt mir zu verstehen gegeben, dass ich Fehler gemacht habe, aber daraus muss ich jetzt lernen. Das heißt aber nicht, dass ich wieder genauso wie damals sein möchte!«, gab ich ziemlich energisch zurück.
»Okay, ist ja gut!«, brüllte er, bevor er enttäuscht seine Stimme senkte. »Ich möchte jetzt nicht schon wieder streiten.«
Ich wollte auch nicht wieder streiten. Die letzte Zeit raubte sowieso schon meine Kräfte, ich wollte mich nicht noch mehr belasten. Aus diesem Grund hielt ich einfach mein Mund.Die restliche Zeit des Spazierganges schwiegen wir und als wir wieder auf dem Hof waren, verschwand Alex sofort ohne Verabschiedung irgendwo auf dem Gelände. Er war wirklich wütend auf mich. Ich verstand ja seinen Standpunkt, aber es ging nun mal nicht um sein Leben und am Ende des Tages musste ich mit mir selber klarkommen, was ich im Großen und Ganzen ja auch tat. Ich wusste, ich hatte Fehler gemacht und nahm mir auch fest vor mich in machen Punkten zu bessern, aber ich hatte auch vieles richtig gemacht und bin über mich heraus gewachsen. Ich hatte richtig viel erreicht und das wollte ich definitiv nicht wieder ändern.
An diesem Tag trainierte ich noch Catchi, Camelot und Edda. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich sanfter geritten bin, aber mir fiel es wenigstens auf. Das erste Mal seit fast zwei Jahren merkte ich selber, dass ich meine Pferde ungerecht behandelte. Es war schonmal ein Anfang, denn in diesem Punkt, gab ich Alex recht. Ich musste wirklich was an meiner Reitweise ändern!
Ich hatte nur leider total verlernt, wie es anders ging und deshalb konzentrierte ich mich erstmal auf mich, bevor ich wieder ein guter Partner für meine Pferde werden konnte.Am Abend legte ich mich erschöpft neben Ben ins Bett.
»Bin ich ein schlechter Mensch?«, fragte ich meinen Verlobten niedergeschlagen, der nicht einmal von seinem Tablet aufsah.
»Ja, Schatz, Elaine ist wirklich schrecklich«, sagte er abgelenkt.
Ich wusste, dass er mir nicht zuhörte. Er hörte mir fast nie zu.Ich gab ihm einfach einen Kuss auf die Wange und drehte mich enttäuscht auf die Seite.
Ich kannte ihn nicht anders, daher nahm ich es ihm nicht allzu übel. Trotzdem stimmte es mich ein wenig traurig und ich hatte mir mehr Unterstützung erhofft.
DU LIEST GERADE
Zurück zu mir
JugendliteraturDie zwölfjährige Constanze ist ein ganz normales Mädchen. Naja, vielleicht nicht so normal wie du oder ich. Ihr Leben scheint perfekt. Ein behütetes Eltern Haus - eine liebende Familie mit Geld ohne Ende. Was ist wenn aber nicht alles so bleibt wie...