Endlich 18

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Bis kurz vor meinem 18. Geburtstag genossen wir unser Leben. Anton und Julien wohnten nach wie vor bei uns und es tat ihnen richtig gut. Insgesamt erhielten sie fast 750.000€ Schadensersatz von ihren Eltern und der Frau vom Jugendamt. Damit hätten sie sich ganz bestimmt ein eigenes Haus kaufen und ganz alleine für sich sorgen können. Ich glaube, sie genossen aber das Familienleben, welches sie lange nicht gehabt hatten. Diese Liebe und Geborgenheit brauchten diese Jungs einfach. Unser Gästezimmer wurde zum Zimmer der Jungs, welches sie aber nicht immer benutzten. Wir schliefen oft alle zusammen in meinem Zimmer und ich liebte es einfach. Sie waren einfach wie die großen Brüder, die ich immer wollte und wir verstanden uns blendend.
Auch für Papa und Mama waren sie wie ihre eigenen Kinder.
Ich glaube gerade Julien war für Papa, der insgeheim schon immer einen Sohn haben wollte, sein neuer Stolz. Sie verstanden sich wirklich blendend.
Julien ging oft mit Papa in die Kanzlei oder zum Golfen. Anton hingegen verbrachte viel Zeit im Stall.
Egal zu welcher Veranstaltung wir fuhren, Anton und Julien kamen immer selbstverständlich mit und fühlten sich nie wie das fünfte Rad am Wagen.
Egal ob Geschäftsessen, Grillpartys, Geburtstage, Hochzeiten oder Beerdigungen - die Jungs wurden überall direkt angenommen.

Auch Ben war ein Teil unserer Familie geworden - wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Ben mein erster Freund sein würde. Frieda war nicht ganz so begeistert über meine Situation. Sie hatte kein gutes Verhältnis mehr zu den Zwillingen und Ben konnte sie ja sowieso noch nie leiden. Dass ich aber auf ihre Meinung verzichten konnte, bewies sie mir immer wieder mit ihrem Verhalten. Sie war so versnobt und schrecklich. Wie konnte ich das als Kind nur nicht bemerken?!
Zwischen Alex, Ben, Julien und Anton fühlte ich mich viel verstandener und ich liebte die Art und Weise, wie wir miteinander umgingen.
Zu Emil, Nick, Theo, Eske, Jule und Maria hegte ich immer noch eine gute Freundschaft. Es war nur ein bisschen schwieriger geworden und sie waren halt nicht mehr direkt vor Ort, wenn ich sie brauchte. Mit Marc war die Freundschaft eigentlich fast genauso wie zuvor. Auch wenn wir uns nur sehr selten sahen, verstanden wir uns richtig gut.

Zu meinem Geburtstag wollten wir eine riesige Party bei uns in der Villa feiern.
Mama und Papa hatten mir extra sturmfrei und ihre Erlaubnis für die Party gegeben.
Also trommelten wir ordentlich die Werbetrommel, sodass so viele wie möglich kommen wollten.

An meinem Geburtstag hatte ich Vormittags ein großes Turnier, auf dem viele aus dem Kader ritten.
Viele bekannte Gesichter sah ich an diesem Tag und bei manchen freute ich mich mehr sie zu sehen, bei anderen eher weniger.
Ich sah den Max, dieses Arschloch vom Turnier im Sommer, und ich musste wirklich zugeben, nüchtern war er gar nicht so ein Arschloch. Wir unterhielten uns wirklich gut und unter anderem Umständen wäre ich sogar mit ihm befreundet gewesen.

»Hey kleines«, hörte ich auf einmal hinter mir rufen.
Ich drehte mich verwirrt um.
»Oh Gott Till, was machst du denn hier?!«, fragte ich erfreut und fiel dem Jungen in die Arme.
»Dich besiegen«, sagte er lachend und erwiderte meine Umarmung.
»In deinen Träumen vielleicht«, sagte ich selbstsicher.
»Jaja Conni, aber nur wenn du deine Nervosität in den Griff kriegst«, lachte er.
Und er erinnerte mich wieder an das, was ich so perfekt verdrängt hatte.
»Idiot«, sagte ich lachend.
»Auch wenn du Geburtstag hast, schenke ich dir gar nichts. Du wirst verlieren«, drohte er mir scherzhaft und legte seine Hand auf meine Schulter. Ich denke das war seine Art und Weise mir alles Gute zu wünschen - er war noch nie gut darin.

»Conni«, rief Ben plötzlich von hinten. Er hatte mit den Zwillingen Conti fertig gemacht und Alex hatte ihn sogar schon warm geritten.
»Ich komme gleich«, rief ich zurück.
»Deine Sklaven warten auf dich - geh schon.«
»Du siehst mich später - auf dem Siegertreppchen«, verabschiedete ich mich provokant und ging zu meinem Freund.
Ben bekam noch einen Kuss und dann half er mir aufsteigen. Ich ritt Richtung Reitplatz und noch einmal sah ich verstohlen über meine Schulter. Till sah mir nach und ich wusste, was er in dem Moment dachte. Er hatte immer so einen Blick drauf, wenn er irgendwas vermisste.
Mich glücklich mit einem anderen zu sehen war für ihn mindestens genauso schwer, wie es für mich immer war, wenn ich ihn vermeintlich glücklich mit Franzi sah.
Der Unterschied war nur, dass ich wirklich glücklich mit Ben war und meine alten Leute gar nicht mehr so vermisste.

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