Den ganzen restlichen Tag über bin ich extrem hibbelig. Ich bemerke den strengen Blick meiner Mutter, aber sie sagt nichts. Noch nicht zumindest. Das Echo kommt dann erst, wenn ich mal keine 1,0 in einer Prüfung habe. Dann darf ich mir anhören, dass es ja nicht verwunderlich ist, wenn ich "nichts" dafür tue.
Erst als der Typ schon weg gewesen war, ist mir aufgefallen, dass er mir gar keine Uhrzeit genannt hat. Typisch, Liv. Bis zum Ende ein Mysterium.
Um 18 Uhr mache ich mich langsam fertig. Ich ziehe mir eine bequeme Leggings und einen gecroppten Hoodie an und betrachte mich im Spiegel. Das Mädchen darin sieht aufgeregt und irgendwie anders aus. Ich habe leicht dunkle Ringe unter den Augen und meine Pupillen sind riesig. Schnell schüttele ich das unangenehme Gefühl, dass ich dabei bin mich zu verändern, ab und verlasse mein Zimmer. "Ich gehe nochmal raus." rufe ich und will die Tür gerade hinter mir zuziehen, als sie von etwas blockiert wird. "Nein wirst du nicht." meine Mutter sieht mich ausdruckslos an. "Und warum nicht?" frage ich und versuche meine Gereiztheit zu verbergen. "Weil es jetzt schon der 4. Abend ist, an dem du weggehst. Die Uni fängt in 3 Wochen wieder an und du hast anscheinend alles andere im Kopf, außer lernen. So kann es nicht weiter gehen." "Der 4. Abend innerhalb von 2 WOCHEN. Ich lerne schon noch, Mutter." bevor sie etwas erwidern kann trete ich nach draußen und setze meine Kopfhörer auf. Musik an, Umgebung und Mitmenschen aus. Ich spüre ihren eisigen Blick auf mir und weiß genau, dass das noch ein Nachspiel haben wird. Aber der Gedanke an Konsequenzen wird von Liv überlagert. Meine Hände kribbeln nervös und mein Herz rast. Ich habe sie ewig nicht gesehen. Ich dachte ich wäre ihr egal, aber anscheinend hat sie ja von mir erzählt. Bambi. Der Name schwirrt seit dem Zusammenstoß mit dem Typen immer wieder durch meinen Kopf. Die Adresse ist im Industriegebiet. Was sie dort wohl macht? Jetzt gesellt sich zu der Nervosität auch etwas Angst. Was wenn Liv gar nicht hier ist und der Typ mich nur alleine hier her locken wollte, um mich zu-. Nein. Ich darf so nicht denken. Ich straffe die Schultern und gehe auf ein graues, hallenartiges Gebäude zu. Ein letztes Mal checke ich die Adresse. Ja hier muss es sein. Die Halle ist hell erleuchtet und ich höre Musik. Zu leise, als dass es ein Club sein könnte. Neugierig öffne ich die große Stahltür am Eingang. Wärme und verbrauchte Luft schlagen mir entgegen. Ich blinzle gegen das grelle Licht. Im vorderen Bereich der Halle säumen sich Fitnessgeräte für jede erdenkliche Muskelgruppe. Ein paar sind besetzt und andere stehen wartend rum. Im hinteren Bereich erkenne ich einen Ring, wie ich ihn im Fernsehen oft gesehen habe, wenn mein Vater Boxen geschaut hat. Boxsäcke hängen von Metalhaltern und Matten umsäumen den ganzen Boxbereich. Ich weiß nicht so recht wo ich hinsoll, also stehe ich dumm rum und beobachte alles. Wo ist Liv? "Hallo Willkommen. Suchst du jemanden?" ich drehe mich erschrocken um. Vor mir steht ein Bär von einem Mann. Er hat kurze blonde Haare und seine Nase sieht aus, als wäre sie einige Male gebrochen gewesen. Er überragt mich um 3 Köpfe. "Ja äh. Ich suche Liv." Ich komme mir blöd vor, dass ich ihren Nachnamen nicht kenne. "Ah jaaa. Sie ist hinten beim Sparring." Beim... Was? Ich will nicht nachfragen, also danke ich ihm und gehe in Richtung Boxring, auf den er gezeigt hat. Je mehr ich in die Halle hineingehe, desto stärker wird der Geruch von Schweiß und irgendwie nach alten Turnschuhen. Im Ring stehen zwei Boxer. Einer von ihnen trägt eine schwarze Kapuze und eine Art, seidenen Bademantel. Ich sehe nur den Rücken und wie er in Kampfhaltung bereit steht. Der andere kommt mir jedoch sehr bekannt vor. Der Typ von heute Mittag hebt grüßend die Hand und nickt mir zu. Jetzt dreht die andere Person sich auch um und mein Atem stockt. Liv trägt eine weite, schwarze Jogginghose und dazu einen schwarzen Sportbh. Die Robe umspielt neckend ihre Figur. Ihre Augen leuchten als blauer Kontrast zu all dem Schwarz und in ihrem Blick sehe ich den Anflug eines Lächelns. "Setz dich, ich bin gleich bei dir." ruft sie mir zu und ich nicke wie in Trance. "Bereit Rick?" ruft sie und ihr Gegner geht in Position. Sie führt erst ein paar Schläge aus, die er einfach einsteckt. Wahrscheinlich zum aufwärmen. Dann legt sie ihre Robe ab und ich muss schlucken. Ihr Körper ist genau richtig trainiert, sodass es nicht zu viel ist. Unter dem leichten Schweißfilm erkenne ich das geschmeidige Spiel ihrer Muskeln. Ich bemerke noch ein Tattoo, welches ich das letzte Mal wegen ihres Hoodies nicht sehen konnte: Eine Schlange windet sich von der Mitte ihres Oberarms, über die Schulter, bis zu ihrem Schlüsselbein. Auch hinten im Nacken hat sie eins. Es ist ein Vogel, der im Vergleich zu den anderen beiden Tattoos fast schon weich wirkt. Je länger ich ihr zu schaue, wie sie gegen Rick kämpft, desto mehr gerät mein Körper und Verstand in Wallung. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit und Geschmeidigkeit bringt sie Tritte und Schläge an oder weicht Angriffen aus. Ich kann meinen Blick nicht von ihr abwenden. Mir wird ganz heiß, als sie mir von oben neckend zuzwinkert. Fuck, sie weiß genau welche Wirkung sie auf mich hat. Endlich ist der Kampf vorbei und die beiden schlagen ein. "Guter Kampf, Liv." meint Rick. "Hatte ja keinen großen Gegner." entgegnet sie und beide lachen. Jetzt dreht sie sich zu mir und heilige scheiße. Ihre Haare kleben leicht an ihrem verschwitzten Körper und ich versuche überall hin zu schauen, nur nicht auf das Dekolleté, welches durch den Sport-Bh sehr gut betont wird. Sie geht an mir vorbei zu ihrer Tasche. Ich folge ihr wie ein Depp. Sie nimmt eine Wasserflasche raus und trinkt ein paar große Schlucke. Ein Tropfen läuft daneben über ihre volle Unterlippe und das Kinn, bevor er auf den Boden tropft. "Hab ich was im Gesicht?" fragt sie und ich werde knallrot, bevor ich ertappt auf den Boden schaue. "Nein, hast du nicht. Ich äh... Sorry." stottere ich. Himmel bringt sie mich aus dem Konzept. "Schon okay. Willst du, dass ich dir ein paar Sachen zeige?" oh sie könnte mir so einiges zeigen, aber ich weiß, dass sie das Boxen meint, also verjage ich jeden unzüchtigen Gedanken fürs erste aus meinem Kopf. "Klar. Aber hab Geduld mit mir." sie lacht und nickt, als sie mir ihre Handschuhe rüberwirft. Ich ziehe sie an und fühle mich unbeholfen, als sie mich vor einen Boxsack stellt.
Sie zeigt mir, wie ich meine Arme und Hände halten muss und wie ich dabei stehen soll. Wir lachen beide, als ich es nicht hinbekomme und der Boxsack sich kaum einen Millimeter rührt. "Dass kann ich ja nicht mit anschauen. Warte." meint sie und stellt sich direkt hinter mich. Meine Haut prickelt, als ich ihren Atem in meinem Nacken spüre. Ihr eines Bein schiebt sie zwischen meine und drückt sie weiter auseinander, damit ich richtig stehe. Plötzlich existieren nur noch sie und ich, wie in einer Blase. "Du musst die Arme viel höher halten, sonst hast du keine Deckung. Flüstert sie an meinem Ohr und eine Gänsehaut kriecht über meinen Hals. "Hm." Mache ich nur, weil meine Stimme sonst versagt hätte. "So und jetzt verlagere dein Gewicht und-" der Boxsack wackelt, als meine Faust auf ihn trifft. Liv lässt mich los, macht aber keine Anstalten sich wegzubewegen. "Siehst du, ist doch ganz einfach." haucht sie. "Ja." Ich hoffe meine Stimme klingt gefasster, als ich mich fühle. Sie geht einen Schritt zurück und sofort fehlt etwas. "Lass uns duschen gehen." sie versucht es neutral zu sagen, aber ihre Augen sprechen eine ganz andere Sprache. Sie fordern mich heraus, reizen mich, flirten mit mir. Ihr Blick wandert über meinen Körper und sieht dabei aus wie ein wildes Tier, dass seine Beute ins Visier nimmt. Meine Knie werden weich. "Okay." antworte ich viel zu spät und gemeinsam gehen wir zu den Duschen.
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Adrenaline
RomanceAva ist eigentlich ein ganz normales Mädchen mit einem normalen Leben. Dies ändert sich aber schlagartig, als sie eines Nachts auf Liv trifft. Sie ist von Beginn an ein Rätsel, welches Ava aber unbedingt lösen möchte. Gemeinsam begeben sie sich au...