"Und wie sehe ich aus?" fragt Liv und stellt sich vor mich. Mir fällt die Kinnlade runter. Sie trägt ein enges bauchfreies T-shirt und eine weite Jogginghose, darüber eine Kapuzenjacke. "Du siehst äh umwerfend aus." Wow hab ich das jetzt echt gesagt? Eine leicht Röte kriecht über ihre Wangen. Ist sie etwa verlegen? "Danke." Los wir müssen uns ein bisschen beeilen. Ich habe aufgegeben zu fragen wo wir hin gehen und folge ihr einfach.
Zu meiner Überraschung steigen wir in die U Bahn und fahren ein paar Stationen. Gegenüber von uns sitzt ein Typ, der Liv mit unverholenem Interesse anstarrt. Ich spanne mich an und werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. Schnell schaut er weg. Liv kichert leise. Sie lehnt sich zu mir herüber, ihr Atem streicht über meinen Hals. "Heiß, wie eifersüchtig du bist." haucht sie und eine Gänsehaut kriecht über meine Wirbelsäule hoch zu meinem Nacken. Ich schlucke und sage einfach gar nichts. Es ist mir unangenehm, dass sie mich so durchschaut hat. Die Stadt fliegt an uns vorbei und meine Nervosität nimmt weiter zu." Hier müssen wir raus." sagt Liv und nimmt mich an der Hand. Die Türen schließen sich hinter uns und die U-Bahn setzt ihren Weg ohne uns fort. Ich friere ein bisschen und schlinge die Arme um meinen Oberkörper. "Hier." Liv legt mir ihre Jacke um und ihr Geruch hüllt mich ein. Ich muss dem Drang widerstehen, meine Nase darin zu vergraben, sonst mache ich mich total zum Idioten, aber die Versuchung ist groß.
Die kühle Nachtluft umspielt uns und Liv geht zielsicher die Straße entlang. Irgendwann werden die Häuser größer und die Autos in den Einfahrten teurer. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich. Keine Gegend in der Liv normalerweise rumhängt. Wir bleiben vor einer riesigen Villa stehen und Liv drückt selbstsicher auf die Klingel. Erst passiert nichts. Ich will gerade fragen, ob es das richtige Haus ist, dann meldet sich eine knackende Stimme durch die Gegensprechanlage. "Du kommst spät. Komm rein." dann ertönt ein Summen und wir treten ein. Der Kies knirscht unter unseren Füßen und unser Atem bildet kleine Wolken. Die Tür geht auf und warmes Licht fällt nach draußen auf den Weg. "Liiiiiv. Endlich ich dachte du kommst nicht." ein Mann ca Mitte dreißig nimmt sie in den Arm und klopft ihr freundschaftlich auf den Rücken. "Als würde ich mir das entgehen lassen." murmelt sie an seiner Brust. Er lässt von ihr ab und mustert mich eindringlich. "Das ist Ava." stellt sie mich vor. "Ava, das ist Frank." Ich ergreife seine Hand und schüttel sie einmal. "Freut mich." sage ich. "Kann sie ihre Klappe halten?" fragt Frank, als würde ich nicht direkt vor ihm stehen. "Ja wir können ihr trauen." Moment was läuft hier? Mein mulmiges Gefühl wird stärker, aber meine Neugier ist größer. "Na dann kommt mal rein die anderen sind auch da." Wir treten in eine riesige Eingangshalle. Ich drehe den Kopf und versuche jedes Detail in mir aufzunehmen, als ich eine Hand an meinem Rücken spüre. Liv schiebt mich sanft durch den Raum bis zu einer Treppe, die nach unten führt. "Warte. Was ist da unten?" frage ich und versuche nicht panisch zu klingen. "Ein paar Freunde. Wir machen einen Spieleabend." murmelt sie. Sie scheint zu merken, dass ich noch nicht überzeugt bin, denn sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände und schaut mir eindringlich in die Augen. "Vertrau mir okay?" Frank taucht wie aus dem nichts auf und grinst wissend. "Keine Angst süße." Livs Anwesenheit gibt mir Sicherheit und gemeinsam steigen wir die Treppe hinunter. Ich erschrecke mich, als ich merke, dass mir das mulmige Gefühl im Bauch und das Ungewisse mir irgendwie gefallen. Ich habe noch nie etwas verbotenes oder gefährliches gemacht und jetzt frage ich mich was ich sonst noch alles so verpasst habe.
Der Raum unten ist voller Menschen, die um einen mit matten ausgelegten Ring stehen. Sie feuern zwei junge Männer an, die aufeinander einprügeln. Es riecht nach Alkohol, Tabak und Schweiß. Ich bin erschlagen von den ganzen Eindrücken. Liv weicht nicht von meiner Seite und dirigiert mich durch den Raum. Hier und da wird sie begrüßt und ich ernte ein paar neugierige Blicke. "Was ist das hier?" frage ich mit einer Mischung aus Angst und nervöser Erregung. "Ein illigaler Boxwettkampf. Das Preisgeld ist immenz und die Kämpfe gnadenlos." sagt Liv und in ihren Augen sehe ich Vorfreude glänzen. "Bist du bescheuert? Du kannst da doch nicht mit machen." ich bleibe stehen und ihre Hand lässt meinen Arm los. "Du verstehst das nicht." sagt Liv und sie sieht mich bittend an. "Bleib hier und sieh mir zu. Ich brauche dich hier." ich ringe mit mir selbst. Einerseits reizt es mich sehr zu bleiben aber meine jahrelange Vernunftsstimme lässt mir keine Ruhe. "Du spinnst einfach nur."sage ich und lasse sie stehen. Ich quetsche mich durch die Menschen und eile zu den Treppen. Ich will nur weg hier, auch wenn ein kleiner Teil dagegen hält. Ich erreiche die Stufen und drehe mich ein letztes Mal um. Ich kann sie nirgendwo mehr sehen. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und Sorge macht sich in mir breit. Unschlüssig stehe ich auf der Treppe. Einer der beiden Männer wird aus dem Ring getragen und der andere reckt die Faust in die Luft, um die Menge mehr anzustacheln. Mir wird klar, dass ich nicht ohne Liv gehen kann. Wenn ihr hier etwas passiert, bin ich wahrscheinlich die einzige, die Hilfe holen würde. "Verflucht Liv." knurre ich und gehe zurück. Ich ignoriere die Stimme in mir, die sagt dass ich abhauen soll und es fühlt sich verdammt gut an. Ich ergattere einen Platz ganz vorne und recke mich suchend nach ihr. Ein Mann mit Mikrophon zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. "Die nächste Kämpferin kommt hier aus der Gegend. Sie ist zweimaliger Champion und das Goldstück dieser Veranstaltung. Einen großen Applaus für Liiiiv." brüllt er und die Menge eskaliert. Liv betritt den Ring und mir bleibt die Luft weg. Ihre Ausstrahlung gleicht der eines Superstars. Selbstsicher und Stark. Ihre Augen zeigen tiefe Entschlossenheit. Ihre Haare hat sie in einem hohen Zopf zurück gebunden, was ihren Eyebrowslit mehr zur Geltung bringt. Ihr Gegner wird aufgerufen aber er erntet nicht im Ansatz so viel Applaus. "Ich sag die kleine haut ihn K.O." murmelt der Mann hinter mir. "Ich wette einen taui dagegen. Der Typ ist nicht ohne." sie schlagen ein und mir wird schlecht vor Sorge. Ich muss Liv vertrauen, rede ich mir die ganze Zeit ein. Es ertönt ein Signal und der Raum wird dunkel. Die Stille, die plötzlich eingetreten ist, ist so laut, dass sie wehtut. Meine Muskeln sind wie Drahtseile angespannt und das Blut rauscht in meinem Ohr. Dann gehen die Lichter um den Ring herum an und der Kampf beginnt.

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Adrenaline
RomanceAva ist eigentlich ein ganz normales Mädchen mit einem normalen Leben. Dies ändert sich aber schlagartig, als sie eines Nachts auf Liv trifft. Sie ist von Beginn an ein Rätsel, welches Ava aber unbedingt lösen möchte. Gemeinsam begeben sie sich au...