Kapitel 20

54 3 0
                                    

Ich kann kaum atmen. Meine Finger fliegen vorsichtig, fast schon ehrfürchtig über die Zeichnungen. Jede einzelne Linie erzählt etwas. Lässt mich in ihre Seele schauen. In manchen Zeichnungen erkenne ich Schmerz und Trauer. Die Farben sind grau und trotzdem kraftvoll. In anderen Zeichnungen spüre ich wie leidenschaftlich sie gezeichnet hat nur durch das Papier. Gebannt schaue ich auf die erste Zeichnung auf der sie zu sehen ist. Sie steht kampfbereit im Ring. Es ist so detailliert, dass ich die Entschlossenheit und Leidenschaft in ihren Augen sehe. Ich erkenne die Anspannung in ihrer Haltung. Vorsichtig lege ich die Zeichnung beiseite und nehme die letzte. Ihre Hände zucken kurz als wollte sie mich aufhalten, das Bild anzuschauen aber es ist schon zu spät. Jetzt verschlägt es mir endgültig den Atem. Die Zeichnung zeigt mich. Nur anders. Ich sehe wunderschön aus. In meinen Augen sehe ich Liebe und Zuneigung. Die Stille im Raum ist ohrenbetäubend. Ich sehe sie an und merke, dass meine Augen leicht brennen. "Ich äh." sie schluckt und sucht nach den richtigen Worten. "Ich habe dich durch meine Augen gezeichnet." sagt sie schüchtern. Ich lege das Bild hin und falle ihr in die Arme. Ich drücke sie fest an mich und will sie am liebsten nie wieder loslassen. Ich bin so gerührt, dass ich nicht weiß was ich sagen soll, aber das ist auch nicht nötig mein Blick scheint mehr als tausend Worte zu sagen. "gefallen sie dir?" fragt sie. "Bist du verrückt? Die Bilder sind unglaublich. Diese Details und das jede Linie ihren Platz hat. Es ist einfach... Wow." sie sieht erleichtert aus. Plötzlich schauen wir uns tief in die Augen und ein ungeheurer Drang überkommt mich. Ich will gerade meinen Mund öffnen, um ihr zum ersten Mal "Ich liebe dich" zu sagen, aber unser Moment wird durch einen nerdig aussehenden Typen unterbrochen, der ins Klassenzimmer stolpert. Sie blinzelt als wäre sie gerade aus einem Traum aufgewacht. Der Moment ist vorbei. "Oh äh sorry... Soll ich später wiederkommen?" fragt er und starrt vorallem Liv an. Ich nehme ihre Hand und sehe ihn herausfordernd an. Schnell schaut er weg. "Nein wir wollten eh grade gehen." sagt Liv und verstaut wieder alles in ihrem Spind.
Gemeinsam verlassen wir den Campus. "Gehen wir essen?" frage ich sie und sie stimmt so begeistert zu, dass ich lachen muss. "Worauf hast du Lust?" frage ich. "Hmmmm asiatisch?" "Klar." sie führt mich zu einem kleinen süßen asiatischen Restaurant.  Mein Magen knurrt so laut, dass sie es hört und lacht. Das Essen kommt Gott sei Dank gleich. Ich habe mir Nudeln mit Ente bestellt und Liv Reis mit Hähnchen. Es schmeckt köstlich. Wie hungrige Wölfe fallen wir über unsere Portion her. Genüsslich essen wir und reden kaum dabei. Ab und zu werfen wir uns verträumte Blicke zu. Sie holt ihr Handy raus und verschluckt sich fast an ihrem Essen. "So spät schon? Wir müssen los." ohne auf meine Antwort zu warten ruft sie die Kellnerin zu sich und zahlt. Unser Essen packen wir zwar ein aber ich bin trotzdem verwirrt. Sie eilt durch die Straßen. "Liv was zum Teufel ist denn in dich gefahren?" langsam werde ich sauer. Was denkt sie sich eigentlich. Ich bleibe trotzig stehen. Liv dreht sich um und nimmt meine Hand. "Bitte baby. Ich habe etwas für uns geplant." meine Neugier zwingt mich weiter zu laufen. Langsam kommt mir die Gegend hier bekannt vor. Hier waren wir nach unserem ersten Treffen. Nach dem Club. Sie zieht mich zu dem Haus auf dem wir schon mal waren. Es riecht genauso wie das letzte mal. Aufregung breitet sich in mir aus. Ich stolpere vor lauter Nervosität aber sie hält mich. "Pass auf Engel."flüstert sie und stellt mich wieder richtig hin. Etwas in meiner Brust flattert bei dem Kosenamen. Es ist kitschig ich weiß. Wir treten aufs Dach und ich muss erstmal durchatmen. Am Rand des Daches liegt eine Decke und ein Korb mit einer Flasche Wein. "Komm."sagt sie und wir setzen uns nebeneinander. Sie holt Gläser raus und schenkt uns beiden etwas ein." Warum mussten wir so schnell los?" frage ich. "Deshalb."sagt sie und zeigt vor uns. Ich drehe meinen Kopf und sehe die Sonne als riesigen feuerball langsam hinterm Horizont verschwinden. Alles um uns herum wird in ein Orange rotes Licht getaucht. Der Schein fällt auf livs Gesicht. Sie sieht wie eine Göttin aus. "Ich habe dich hierher gebracht, weil ich dir etwas sagen will." Mein Herz setzt kurz aus, um dann doppelt so schnell weiterzuschkagen. "Vor ein paar Monaten hätte ich nie gedacht jemand so tollen wie dich zu finden. Aber wir würden zusammen geführt. Immer wieder hat das Schicksal uns gezeigt, dass wir zusammen gehören. Ich kann mich in dir verlieren aber gleichzeitig auch wiederfinden. Ich liebe dich, Ava. Mit jeder Faser meines Körpers." Ihre Augen sind mit meinen verankert. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Mein Herz hüpft und in meinem Bauch flattern die Schmetterlinge. "Ich liebe dich auch, Liv." Wir küssen uns. Ich lege all meine Gefühle in den Kuss und Liv tut es mir gleich. Mir ist schwindelig so überwältigt bin ich. "Ich bin froh dich kennengelernt zu haben." flüstere ich. Sie holt eine zweite Decke und legt sie über uns beide. Mein Kopf ruht auf ihrer Schulter und gemeinsam schauen wir zu wie die Sonne dem Mond weicht. "Heute habe ich eine neue Seite an dir kennen gelernt." sage ich. Fragend hebt sie eine Augenbraue. "Naja deine Zeichnungen. Ich habe mich gefühlt, als könnte ich in deine Seele schauen. Es war unglaublich. Du musst etwas aus diesem Talent machen." "Sie lacht und.. Wird sie etwa rot? "Ich naja. Ich zeichne für mich nicht für andere, deshalb will ich meine Bilder nicht verkaufen. Sie spiegeln meine Seele, meine Gefühle mein Leben wieder. Und wenn ich für andere zeichnen würde würde es bald zur Massenproduktion führen und das mag ich nicht." ich nicke. Wir reden noch ein wenig weiter über alles. Trotz der Decke fang ich an zu frösteln. Liv entgeht das natürlich nicht. "Lass uns nachhause gehen. Sonst erfrierst du noch du kleine Frostbeule." Dankbar kuschel ich mich in ihre Halsgrube bevor wir gemeinsam alles aufräumen. Die Sterne werden im Vergleich zur Sonne ein kaltes Licht auf uns. Livs Augen funkeln blau. Sie hält mir die Tür auf und lässt meine Hand nicht los. Auch auf der Treppe als uns jemand entegegn kommt hält sie mich fest. Sie trägt den Korb ich unser Essen. Ein fairer Deal wie ich finde.

AdrenalineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt