Kapitel 5

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Die Luft im Duschraum ist stickig und feucht. Mein ganzer Körper zittert vor Nervosität, als Liv ihre Tasche ablegt und sich ganz selbstverständlich auszieht. Ich richte den Blick starr an die Wand gegenüber und erlaube mir keinen einzigen Blick, egal wie sehr ich es will. Ich kenne sie kaum. Auch wenn zwischen uns Spannungen sind, ist es zu früh, um sagen zu können, was da ist. Ich bin Splitterfasernackt und gehe steif zu einem der Duschköpfe. Liv folgt mir und stellt sich direkt neben mich. Fuuuck. Was mache ich denn jetzt? Das warme Wasser lockert meine verkrampften Muskeln, aber es verjagt nicht die Spannung in mir. "Willst du Duschgel?" fragt Liv und aus Reflex schaue ich sie an. Heilige scheiße... Einmal hingeschaut, kann ich den Blick nicht mehr abwenden. Sie hat ihre Brause abgestellt um sich einzuseifen. Ihre Augen glänzen erwartungsvoll. Mein Blick wandert ungehindert über ihr Dekolleté und Schlüsselbein, auf dem noch silberne Wassertropfen glänzen, die nach und nach in kleinen Rinnsälen zu ihrem Bauch hinunter laufen. Ein Rosentattoo folgt dem Schwung ihrer Hüfte und unter den Tropfen sehen die einzelnen Blütenblätter aus, als würden sie aufblühen. Ich spüre auch ihren Blick auf mir lauern. Mir wird ganz heiß und ich schlucke ins Leere. Ein Ziehen erwacht pochend in meinem Unterleib, als mein Blick über ihre Brüste hoch zu ihren Augen wandert, die nun deutlich dunkler als vorher sind. Ihr Blick verschmilzt mit meinem, die Spannung zwischen uns ist kaum auszuhalten. Mein Atem geht flacher und auch ihre Brust hebt und senkt sich etwas schneller. Ha, sie lässt es also auch nicht ganz kalt. Keiner traut sich sich zu bewegen, oder etwas zu sagen. Alles in mir fühlt sich zu ihr hingezogen und gerade, als ich Mut gefasst habe, geht die Tür zur Dusche auf und zwei andere Frauen gesellen sich zu uns. Der Moment ist verpasst. Wortlos drückt sie mir das Duschgel in die Hand und ich reibe mich damit ein. Es riecht gut nach Meer, Freiheit und Wind. Mein Körper steht unter Strom und ich trockne mich mit ihrem Handtuch ab. Wir vermeiden Blickkontakt und schweigen. Es ist kein unangenehmes Schweigen, aber trotzdem ist es extrem laut in meinen Ohren.
Endlich an der frischen Luft, klärt sich mein Verstand wieder ein bisschen. Liv trägt wieder den schwarzen Hoodie. "Komm mit ich zeige dir etwas." bricht sie die Stille und zieht mich hinter sich her. Wir laufen immer weiter durch das Industriegebiet, bis wir an eine große Wiese kommen. Mitten auf dieser Wiese steht ein Bus. Es ist einer von den gelben Bussen, die man in den Filmen immer sieht. Liv zieht mich genau darauf zu. Ich werde nervös. Ob wir hier sein dürfen?
"Ich liebe diesen Ort." haucht sie und öffnet gekonnt die Tür. Schnell klettere ich ins Innere. Der Bus ist komplett umgebaut. Statt der langweiligen Sitzreihen, stehen dort jetzt zwei Sofas und ein Tisch in der Mitte. Der Boden ist gesäumt von Zigarettenstummeln und Kronkorken. Es riecht nach nächtlichen Partys und Spaß. Liv lässt sich auf eines der Sofas fallen und klopft auffordernd neben sich. Ich setze mich angespannt neben sie. "Stört es dich, wenn ich ein bisschen Dope rauche?" fragt sie. "Nein alles gut. Mach ruhig." sie holt sich ein Pape aus der Tasche und verteilt darin grüne Brösel. Sie sieht geübt aus und ich schaue ihr fasziniert zu. Als sie die eine Seite des papes anleckt verbindet sie ihren Blick mit meinem. Ich versuche nicht all zu genau darüber nachzudenken was diese Zunge noch so alles machen könnte.
Sie zündet ihn sich an und legt den Kopf genießerisch in den Nacken, als sie den Rauch ausatmet.
Ich bin neugierig. Bis jetzt habe ich noch nie gekifft oder ähnliches. Das Verbotene zieht mich immer mehr an. "Willst du?" fragt sie und hält mir das glimmende Stäbchen hin. Ich nehme ihn an und betrachte ihn. Der Geruch nach Gras ist beißend, aber gar nicht mal so schlecht. Ich nehme einen tiefen Zug und gebe ihn dann sofort an Liv zurück. Überraschung blitzt in ihren Augen auf, aber sie sagt nichts.
Die nächsten 10 Minuten wandert der Joint zwischen uns. Ich fühle mich entspannt. Mein Mund ist irgendwie pappig und meine Zunge klebt träge an meinem Gaumen. Aber gleichzeitig merke ich etwas anderes: Ich habe extrem Heißhunger.
Liv lacht und wir verlassen den Bus. Ich habe Angst, dass man uns etwas anmerkt, aber zu so später Stunde ist bestimmt niemand mehr da. Wir gehen zu Mc Donalds und laufen durch den Drive In. Lachend und prustend bestellt Liv 4 Burger, 20 Nuggets, eine große Tüte Pommes und eine Cola. Wir tragen alles zu einem ruhigen Ort unter einer Brücke, die über einen Fluss führt. Ich atme die zwei Burger weg, genauso wie die Nuggets und Pommes. Das pelzige Gefühl in meinem Mund verschwindet, als ich die Cola zur Hälfte austrinke. Fassungslos schaue ich auf die leeren Packungen und Liv, die es sich am Ufer des Flusses gemütlich gemacht hat. Ich lege mich zu ihr. Wir reden nicht, sondern sind einfach in unserer eigenen Welt. Ich habe noch nie etwas verbotenes gemacht und eine Art Glücksgefühl gepaart mit Adrenalin durchflutet mich. Ich starre in den schwarzen Nachthimmel und fühle mich frei.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es kurz nach eins ist. Ich überlege fieberhaft was wir noch zusammen machen könnten, als sie träge anfängt zu reden. "Ich geb dir meine Nummer, denn ich will dich wiedersehen." sie dreht sich auf die Seite und durchbohrt mich mit ihrem Blick. Mit zittrigen Händen hole ich mein Handy und gebe es ihr. Schnell fliegen ihre Finger über die Tastatur, bevor sie es mir zurück gibt.
Plötzlich trennen uns keine 2 Zentimeter mehr. Ihr Atem streicht über meine Lippen und ich ertrinke in den blauen Wellen ihrer Augen. Das Verlangen ist übermächtig und ich sehne mich nach ihrer Berührung. Ihr Atem geht flach, als sie mir noch näher kommt. Hitze durchflutet meinen Körper und alles steht unter Strom. Ihre Lippen streifen über meine. So kurz und zart, dass es kein richtiger Kuss ist, aber trotzdem genug, um mich komplett aus der Bahn zu werfen. Und dann ist sie weg. Ich liege alleine am Ufer des Flusses. Ihre Nähe fehlt sofort. Ich bin verwirrt, warum sie immer auf so geheimnisvolle Weise verschwindet, aber es gehört wahrscheinlich einfach zu ihr.
Meine Lippen prickeln immernoch nach ihrer Berührung und ich ertappe mich immer wieder, wie ich mit dem Finger nach der Stelle taste. Mein Körper läuft in der kühlen Nachtluft Nachhause, aber meine Gedanken und mein Kopf befinden sich irgendwo bei Liv.

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