Montag
Ich werde sein Angebot ablehnen. Ich kann nicht für ihn schreiben. Jedenfalls nicht das, was er von mir verlangt. Aber das ist einfacher gesagt, als getan. Denn sobald ich vor seinem Büro stehe, zittern meine Beine.
Genau vor zwei Wochen hat er mich in sein Büro bestellt und mich gefragt, wie gut ich den Teufel New Yorks kenne. Mit gerunzelter Stirn hatte ich ihn angesehen. Verwirrt, weil ich mich fragte, wieso er das wissen wollte. Dann rückte er mit der Sprache heraus.
„Eine Enthüllungsgeschichte über einen Mann, der von seinem Urgroßvater einen Nachtclub vererbt bekommen hat, in dem Dinge vorgehen, über die niemand sprechen darf. Drogen, Sexorgien, selbsternannte Vampire und tote Frauen die komplett Blutleer in der Nähe gefunden worden sind, aber über die niemand spricht. Ein Mann, der so viel Geld und Einfluss besitzt, kann nur ein kaltblütiger Mistkerl sein, Miss Grey. Und Sie kennen ihn besser als jede andere Frau, die bereits mit ihm im Bett war. Schon als ich nur diese wilde, dunkle Lockenmähne auf den Bildern im Internet gesehen habe, wusste ich das Sie es sind. Und dann war er sogar hier um Sie zu besuchen. Sie waren wohl nicht ganz so leicht zu haben wie all die anderen Frauen, mit denen er gerne ein Bett teilte.“
„Jones, das geht mir zu weit!“, antwortete ich, drauf und dran zu gehen.
„Ich wollte dich nicht beleidigen, Lilith!“, entschuldigte er sich halbherzig. „Aber du wurdest so oft mit ihm gesehen! Benutzt du dein Smartphone überhaupt? Die New Yorker Klatschpresse zerriß sich um dich! Und dann plötzlich... nicht mehr. Alle Bilder von dir und ihm... weg! Einfach verschwunden. Er hat sogar die Presse fest unter seinen Fittichen!“
„Können Sie bitte auf den Punkt kommen?“, bat ich ihn bemüht freundlich.
Jones klatschte in die Hände, stand auf, kam zu mir und legte seine Hände auf meine Schultern. Fest blickte er mich an und ich fühlte mich mehr als nur unwohl.
„Er hat überall Einfluss, nur bei uns nicht. Und selbst wenn die da oben nein zu dieser Story sagen... dann machen wir eben unser eigenes Ding. Sie und ich. Alles was sie dafür tun müssen...“
„Wir haben uns getrennt, Jones. Ich weiß zu wenig, um eine Enthüllungsgeschichte zu schreiben.“
Er schüttelte seine Kopf, ließ mich los und lehnte sich gegen seinen Schreibtisch.
„Ich denke, Sie wissen mehr, als die meisten und das reicht bereits. Doch sind Sie sicher, das es endgültig vorbei ist?“
Ich nickte zögernd, doch Jones schüttelte bloß seinen Kopf.
„Ich gebe Ihnen zwei Wochen Bedenkzeit. Dann will ich eine Entscheidung.“
Bevor ich gehen konnte, sagte er noch „Das ist ihre große Chance, mehr aus sich zu machen, Grey! Denken Sie gut darüber nach, bevor sie falsch entscheiden.“Mell ist heute nicht auf Arbeit, weshalb ich diesen morgen überhaupt nicht einschätzen kann, wie seine Laune ist, da sie mich sonst immer vorher darüber informiert. Wenn er schlechte Laune hat, wird er mich im schlimmsten Fall feuern und ich bin arbeitslos. Und wenn er gute Laune hat, wird er gleich schlechte Laune haben und mich auch in diesem Szenario, das den ganzen morgen bereits durch meinen Kopf schwirrt, kündigen.
Beruhige dich, Grey!
Er braucht mich. Ich bin seit einem Jahr seine Assistentin/ Sekretärin oder einfacher gesagt: Sein Mädchen für alles. Ich habe meinen Job immer gut gemacht, habe ihm jeden morgen einen Kaffee ohne Milch und Zucker gebracht. Habe seine Anzüge in die Reinigung geschickt und wieder abgeholt. Ich bin noch nie zu Spät gekommen oder habe mich krank gemeldet. Habe ihm bei mehreren Artikeln zur Seite gestanden und selber für ihn geschrieben, ohne je irgendwo erwähnt worden zu sein. Und das alles ohne mich ein einziges Mal zu beschweren. Sollte er mich wirklich feuern, dann...
Dann was, Grey? Dann bist du arbeitslos und musst so schnell wie möglich einen neuen Job finden.
Wenn er mich wirklich kündigt, dann bin ich am Arsch. Ich werde nirgends so viel verdienen, wie ich hier verdiene. Jetzt bereue ich es zum hundertsten mal nicht das College absolviert zu haben. Denn dann hätte ich eindeutig bessere Chancen auf einen gutbezahlten Job.
Ok, beruhig dich endlich. Du gehst dort jetzt rein, sagst ihm, dass du diesen Artikel über Lucifers´ Privatleben nicht verfassen wirst, er wird wütend sein, es aber schließlich akzeptieren, weil es meine Entscheidung ist und dann werde ich wie gewohnt weiter arbeiten, als sei nichts gewesen.
Ich strecke meine Hand nach der Türklinke aus und will gerade hinein gehen, da tippt mir jemand auf die Schulter und ich fahre herum, als hätte mich ein Insekt gestochen.
„Jones ist nicht in seinem Büro.“
Isabelle, die hier ebenfalls arbeitet, wirft selbstsicher ihre roten, mittellangen Haare zurück und schaut mich mit einem gespielten Lächeln an. Sie ist die größte Nervensäge bei uns auf Arbeit. Sie denkt, sie sei etwas besseres, als alle anderen und außerdem liebt sie es, Gerüchte zu verbreiten und sich in die Gelegenheiten anderer einzumischen. Ich konnte sie noch nie leiden.
„Guten Morgen, Isabelle. Weißt du denn wo er ist? Ich muss mit ihm sprechen.“, frage ich sie und lächle sie ebenso gespielt an, wie sie mich. Sie betrachtet mich von oben bis unten und eine ihrer perfekt nachgezogenen Augenbrauen hebt sich.
„Für wen kleidest du dich neuerdings...so?“ Sie deutet auf mein hellblaues Etuikleid, für das ich mich heute morgen aus vier anderen Kleidern entschieden habe. Es besitzt einen Kastenausschnitt, mit halblangen Ärmel, geht mir bis zu den Knien und liegt eng an meiner schmalen Taille. Und da ich heute morgen bereits unsicher wegen des Ausschnitts war, fühle ich mich durch diese Frage direkt unwohl, nachdem ich heute morgen vor dem Spiegel stand und mir eingeredet habe, das ich toll aussehe, wie eine richtige Businessfrau, die ich zwar nicht bin, aber gern wäre. Doch ich gönne ihr meine Unsicherheit, die sie damit in mir auslöst, nicht und strecke meinen Rücken durch, um größer und selbstbewusster zu wirken.
„Darf ich fragen, was du mit...“ Ich mache mit dem Finger die selbe Geste bei ihr, wie sie es eben bei mir getan hat. „...so meinst?“
„Sie verschränkt die Arme vor ihrer Brust. „Das war keineswegs eine Beleidigung, Schätzchen. Das Kleid sieht wirklich toll aus. Ich bin eben nur neugierig, für wen du dich so schick anziehst. Hast du einen Freund? Ist es etwa der, den ich denke?“, fragt sie mich voller Neugier und gleichzeitig höre ich so etwas wie Neid heraus.
„An wem denkst du denn?“, will ich tonlos wissen.
„An den berühmtesten und heißesten Nachtclubbesitzer in ganz New York City. Ich habe schon öfter beobachtet wie er dich in seinem hübschen Dodge abgeholt hat und wie er vor ein paar Monaten in dein Büro marschiert ist.“, erklärt sie mir und ich verdrehe innerlich meine Augen. Mir war zwar klar, dass sein Besuch bei mir im Büro nicht unbemerkt bleiben würde, doch ich habe es gehofft.
„Er ist nicht mein Freund, Isabelle.“, beantworte ich ihre Frage knapp, hole tief Luft und will das Thema wieder auf meine Frage lenken, doch bevor ich meine Frage wiederholen kann, fällt sie mir ins Wort. „Ist er immer noch so eine Granate im Bett?“, fragt sie mich und strotzt dabei gerade so vor Stolz.. „Erzähl mir nicht, dass du nie mit ihm geschlafen hast.“
Wie bitte?
Mir bleibt fast die Spucke im Hals stecken. Hat sie mich eben wirklich gefragt, ob Lucifer immer noch so gut im Bett ist? Auf einmal ist mir ganz schlecht. Mein Donut von heute morgen droht jeden Moment aus mir herauszuplatzen. Mir fehlen wirklich die Worte. Doch ich fange mich wieder und räuspere mich. Versuche mir nichts anmerken zu lassen und versuche weiterhin selbstsicher und nicht (aufgarkeinenfall!) unsicher, eifersüchtig oder gar verletzt zu wirken.
„Du hattest also damals etwas mit ihm?“, frage ich gelassen, um mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich dieser Gedanke anekelt. Es ist nicht nur Ekel, sondern auch pure Eifersucht, die gerade in mich hochsteigt. Mir ist Bewusst, das Lucifer viele Frauen in seinem Leben hatte, aber eine von ihnen vor mir stehen zuhaben, die auch noch meine Arbeitskollegen und die schrecklichste Person überhaupt ist, überrumpelt mich.
„Solange ist das eigentlich nicht her. Vor ungefähr einer Woche habe ich ihn das letzte mal gesehen.“, erzählt sie mir und ich fühle einen schmerzhaften Stich in meiner Brust. Er hat mich angelogen. Natürlich hat er gelogen.
„Wann kommt Jones zurück?“, wechsle ich prompt das Thema und versuche weiterhin krampfhaft zu unterdrücken, verletzt zu wirken.
„Der kommt heute nicht. Irgendwas mit der Familie, keine Ahnung.“
„Alles klar. Danke.“ Ich zische an ihr vorbei und schnappe meinen Mantel, der über meinem Bürostuhl hängt, bevor ich meine Tasche nehme und mein Handy heraus krame. Jones hat mir eine Email gesendet, die ich jetzt erst sehe.
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My Destiny
Romance"Glaub ihm nicht. Er lügt." Lilith war achtzehn, als sie die Wahrheit über sich und über ihre Herkunft erfuhr. Halb Mensch und halb Dämon. Gesegnet mit unvorstellbarer Macht. Jung und unerfahren in Sachen Liebe, Begehren und Leidenschaft, bis der g...