Die Fahrt zu mir nach Hause verläuft schweigend. Ich starre aus dem Fenster, in der Hoffnung, dass es nicht mehr lang dauert, doch ich weiß es besser. Meine Eltern wohnen in Brooklyn. Das ist auch einer der Gründe, wieso ich mir dringend eine eigene Wohnung suchen muss. Das und weil meine Eltern mich behandeln, als sei ich noch ihr kleines, 16-Jähriges Mädchen. „Erzähl mir von dir.", bricht Lucifer die angenehme Stille und holt mich aus meinen viel interessanteren Gedanken. Mell haben wir bereits abgesetzt.
„Über mich gibt's nicht viel zu erzählen."
„Dann erzähle mir von den wenigen Dingen, die es über dich zu erfahren gibt, Lilith."
Er lässt sich meinen Namen auf angenehme Weise, deutlich auf der Zunge zergehen, was mich erröten lässt, also blicke ich wieder aus dem Fenster. Wir fahren noch knappe 25 Minuten. Ich seufze ergeben.
„Meinen Namen kennst du ja bereits...", beginne ich langsam und als er nichts erwidert, fahre ich fort: „Ich arbeite als Assistentin eines Redakteurs der York Daily Record"
„Du arbeitest immer noch dort?"
Wieso immer noch? Woher wusste er das?
„Ja, leider."
Wir halten an einer roten Ampel, dann sieht er mich mit skeptisch gehobener Augenbraue an und fragt: „Warum leider?"
„Weil ich mein Hobby gern zum Beruf machen würde." Das ist nicht die volle Wahrheit. Eigentlich würde mir mein Job gefallen, wäre mein Chef kein herrisches Arschloch, der statt sein Gehirn, seinen Schwanz zum denken benutzt. Leider wird die York Daily Records ihn nicht feuern, denn er ist ein verdammtes Genie, was seine Arbeit dort bisher betrifft.
„Was ist denn dein Hobby?"
„Die Kamera"
„Du willst Model werden?", fragt er und ich schüttele meinen Kopf. Es schmeichelt mir, dass er das denkt, aber fürs Modeln bin ich nicht gemacht.
„Ich selbst schieße Fotos."
„Fotos von Menschen?" Wieder schüttle ich meinen Kopf.
„Nein, von Landschaften, Gegenständen, Wälder... Alles Mögliche, außer Menschen."
Vor allem Wälder fotografiere ich gern. Die Natur hat mich schon immer angezogen, als würde sie leise nach mir rufen.
„Wieso keine Menschen?", hakt er nach.
„Ich mag es nicht, wie die Gefühle der Menschen auf Fotos wirken. Sie sind oft nicht echt, eher gezwungen und gespielt."
„Dann Fotografiere sie in unbeschwerten Moment, heimlich, wenn sie es nicht mitbekommen."
„Darin wäre ich nicht besonders gut..." Und die Lust dazu hätte ich auch nicht.
„Hast du es denn je probiert?" Die Ampel leuchtet grün und er wendet den Blick wieder auf die Straße.
„Nein"
„Dann weißt du auch nicht, ob du es kannst oder nicht." Er hat Recht, doch das gebe ich nicht offen zu. Ich fotografiere Menschen einfach nicht gern, auch wenn sie so schön wie er wären, täte ich es nicht. Lieber fotografiere ich Sonnuntergänge, Regenwetter, Sonnenschein oder Pflanzen. Sogar die Skyline von New York bei Nacht oder bei Regen und Gewitter. Alles außer Menschen eben.
„Ich will mehr wissen."
„Dann frag mich etwas.", erwidere ich.
„Wer ist Mike?" Was?
„Ein guter Freund. Das sagte ich bereits "
„Hattet ihr Sex?", fragt er mit gerunzelter Stirn und ich hoffe mich verhört zu haben.
„Wie bitte?"
„Habt ihr gevögelt?", fragt er nun ernster und umfasst das Lenkrad stärker.
„Das geht dich genauso wenig etwas an, wie die Sache, die du mich in der Bar gefragt hast." Er sieht abwechselnd auf die Straße und zu mir.
„Beantworte meine Frage." Ich blinzele über die härte in seiner Stimme überrascht.
„Nein!", antworte ich herrisch.
„Hast du Gefühle für ihn?" Wie kommt er auf all diese Fragen?
„Nein, er ist wie ein Bruder für mich." Auch wenn das nicht immer so war.
„Bist du für ihn auch wie eine Schwester?"
„Ich weiß nicht... Ich denke schon.", lüge ich, dann sehe ich wieder aus dem Fenster. Wir müssen gleich da sein.
„Aha" Er wirkt plötzlich viel zu ernst für meinen Geschmack, also sage ich nichts mehr auf dem restlichen Weg. Es ist mir unangenehm über solch Dinge zu reden. Vor allem kenne ich Lucifer nicht und um ehrlich zu sein, will ich ihn auch nicht kennen. Das einzige, was ich über ihn wissen muss, ist, dass er der Teufel ist und Schuld am Tod von Lilian hat. Außerdem ist der die Verkörperung des Bösen. Auch wenn er absolut nicht so aussieht. Das aber genügt, um mich von ihm fern zu halten.
"Wann hast du von mir erfahren?", will ich von ihm wissen. Eine Frage, die mir auf Arbeit bereits mehrmals durch den Kopf ging.
"Von meinem Bruder."
"Du hast also einen Bruder?"
Er schmunzelt. "Ich habe viele Brüder, auch wenn ich nicht alle als solche bezeichnen würde."
"Wie war Lilian?"
Lucifers lächeln verschwindet und sein Gesichtsausdruck wirkt plötzlich sehr ernst. "Manchmal hätte man denken können, sie sei ein größeres, gefühlskaltes Monster als ich es bin. Tut mir leid, wenn ich dir deine Vorstellung versaue, sie sei vielleicht eine tolle Mutter für dich gewesen. Aber das einzige, was sie dir beigebracht hätte, wenn du bei ihr geblieben wärst, wäre gewesen, ein Monster zu werden. Dämonen sind Seelenlose Wesen, Lilith. In ihnen steckt nichts gutes."
Ich schlucke. Wenigstens ist er ehrlich zu mir. Er merkt meinen Stimmungswechsel und legt eine Hand auf meine Schulter.
"Tut mir leid"
Was tut ihm leid? Das er mir die Wahrheit sagt? Das ich endlich eine Antwort auf diese Frage bekommen habe, die ich mir stelle, seit ich vor acht Jahren erfahren habe, wer und was ich wirklich bin? Oder tut es ihm leid, dass ich mich jetzt frage, ob in mir auch solch ein Monster steckt? Eine Zeit lang war ich kein guter Mensch. Ganz im Gegenteil. Auf der Highschool habe ich mich nur für mich selbst interessiert... bis zum Unfall. Der Unfall, der dafür gesorgt hat, dass ich nie wieder meine übernatürlichen Kräfte einsetzen werde.
„Wir sind da." Ich schnalle mich ab, während Lucifer aussteigt um mir die Tür zu öffnen und aus dem Auto zu helfen, obwohl das definitiv nicht nötig ist.
„Danke"
„Ich hole dich morgen um sechs ab." Das Essen.
„Ich dachte, dass gehörte zum Spiel?" Er schüttelt den Kopf und tritt näher an mich heran.
„Ich möchte morgen mit dir essen gehen, sei also fertig. Zieh dich..." Er mustert mich intensiv.
„...angemessen an." Dann steigt er zurück in sein Auto und fährt los. In was habe ich mich da rein gerittten?
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My Destiny
Romance"Glaub ihm nicht. Er lügt." Lilith war achtzehn, als sie die Wahrheit über sich und über ihre Herkunft erfuhr. Halb Mensch und halb Dämon. Gesegnet mit unvorstellbarer Macht. Jung und unerfahren in Sachen Liebe, Begehren und Leidenschaft, bis der g...