Kapitel 58

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„Und wer fängt an?", fragt Mike und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Da du es ja offensichtlich kaum abwarten kannst, kannst du gerne beginnen. Im Uhrzeigersinn geht es dann weiter."
Josie zwinkert Mike zu und entlockt ihm ein leichtes schmunzeln. Die beiden Flirten doch ganz offensichtlich miteinander. Vorhin als ich die beiden beim tanzen beobachtet habe, hat man schon gemerkt, anhand wie sich anfassten, und die intensiven Blicke, dass die beiden gern mal miteinander vögeln wollen würden.
Wie immer, wenn Josie in der Stadt ist.
Und dabei mögen sich beiden nicht einmal besonders. Jedenfalls behaupten sie das.
„Gut ok. Wahrheit oder Pflicht, Josie?"
„Wahrheit"
„Mit wie vielen Männern hast du es bereits getrieben?"
Landon verschluckt sich an seinem Getränk und Mell fängt an zu lachen.
Das ist eine unfassbar intime Frage, die ich nicht beantworten wollen würde. Doch wer bin ich denn schon. Eine Langweilerin.
„Ich habe leider nicht mitgezählt.", antwortet sie und ich glaube ihr sogar.
„Als Lucifer dran ist, erwarte ich, dass er mich nimmt, liege aber vollkommen falsch."
„Mike?"
„Wahrheit."
Wie langweilig.
„Wie oft wurde dir von ein und der selben Frau das Herz gebrochen?"
Mikes Mundwinkel bilden sich zu einer geraden Linie und es herrscht komplette Stille.
Da die beiden sich bereits vor mir kannten und Mike nicht erfreut über diese Frage ist, schließe ich daraus, dass Lucifer genau weiß, wie oft ihm ein und dieselbe Frau das Herz gebrochen hat. Nur wer ist diese besagte Frau wohl?
„Ich trinke.", zischt er, bevor er einen Shot trinkt und das Glas auf den Tisch stellt. „Du hast Glück, das ich VB genommen habe, Bro."
Bro. Benutzt er neuerdings den selben Wortschatz wie Jackson? Ich kichere und Mike schaut mich verwirrt an. Im Moment würde mich wohl alles zum lachen bringen. Und wieso ist eigentlich die Musik so leise?
„Landon", sage ich und er setzt sich kerzengerade hin. „Wahrheit oder Pflicht?
Bitte nimm Pflicht!
„Pflicht"
Ja! Mike wird mich dafür hassen, doch ich kann einfach nicht anders.
„Küsse Mike auf den Mund, oder ihr müsst beide trinken." Ich grinse wie ein kleines Kind und auch Mell und Jackson verkneifen sich zu lachen.
Landon wird knallrot und Mike verzieht das Gesicht, bevor er sagt: „Pflicht ist Pflicht, also komm her, aber behalte deine Zunge bitte im Mund."
Landon steht auf und Mike ebenfalls. Sie geben sich einen kleinen Kuss auf den Mund und setzen sich wieder.
„Und wie war es?", will Lucifer wissen.
„Er hat sehr weiche Lippen."
Lucifers Mundwinkel zucken und für einen Moment scheinen die beiden sich vertragen zu haben. Aber das liegt am VB. Morgen werde ich Lucifer auch wieder hassen. Ganz bestimmt.
Nach einigen eher langweiligen Runden ist Josie wieder dran und wählt dieses mal Lucifer, der Pflicht nimmt..
Er schaut sie abwartend an, während sie kurz nachdenkt. „Küss eine anwesende Person. Du darfst selbst entscheiden wer."
Was?
Mir rutscht das Herz in die Hose, sobald sein Blick auf mich trifft und er sich über die Sessellehne beugt, nur um mir teuflisch grinsend mit dem Finger zu signalisieren, dass ich mich zu ihm beugen soll.
Darf ich mich weigern? Will ich mich weigern? Alle Blicke sind auf uns gerichtet und weil ich zögere, rammt mir Josie ihren Ellenbogen in die Seite.
„Schon gut!", murmle ich und beuge mich zu ihm. Ich küsse ihn schnell auf dem Mund. Es dauert nicht mal eine Sekunde. Dann lehne ich mich wieder zurück, mit knallroten Wangen, als wäre ich noch ein kleines Schulmädchen, die zum ersten Mal einen Jungen geküsst hat.
„Ok, ich glaube, das war es. Das Spiel bringt es irgendwie nicht.", sagt Jackson, der selbst immer nur Wahrheit genommen hat und trinkt gleich zwei Shots hintereinander.
Ich tue es ihm gleich und schüttle angewidert den Kopf. Purer Vodka ist absolut widerlich.
Selbst nach meinem vierten verziehe ich noch das Gesicht.
Da die anderen sich darüber unterhalten, nochmal in einen anderen Club zu gehen, verziehe ich mich mit meinem Getränk auf die riesige Terrasse, um frische Luft zu schnappen. Meine Haut ist ganz warm und kribbelt und Lucifer hat vorhin endlich die Musik lauter gemacht.
Draußen ist es angenehm kühl und die Aussicht ist der absolute Wahnsinn. Am Steingeländer stelle ich mein Getränk ab und schaue mir die Aussicht an. Von hier oben kann man über ganz New York blicken. Die Stadt erstrahlt in der Dunkelheit im puren Glanze. Meine Lider fallen fast von allein zu und ich finde mich auf dem Dach eines Wolkenkratzers wieder. Wenn ich nach unten blicke, wirkt alles ganz klein und unnahbar. Mein Herz hämmert heftig und unaufhörlich gegen meine Brust. Ich will es beenden. Eine Stimme in mir schreit mich an „Spring"
Doch was kommt danach? Was hält mein Ableben für mich bereit? Wartet dort pure Dunkelheit oder vielleicht doch ewige Qual für meine Sünden?
Ein Windhauch genügt und ich würde es erfahren.
Doch jemand reißt mich aus der Trance und ich öffne meine Augen. Bin wieder im hier und jetzt. Und die Erinnerung, an dieser Nacht, verblasst wieder.
„Das vorhin nennst du einen Kuss?", raunt mir Lucifer ins Ohr und ich erschaudere. Vielleicht ist es auch nur der kühle Wind auf meiner nackten Haut. Vielleicht aber auch Lucifers Hände, an meinen Oberarmen, die mich umklammern, als wollen sie mich aufhalten, wieder tief in meine Gedanken zu gehen und an die Vergangenheit zu denken.
Liebevoll streicht er meine Haare zur Seite, bevor seine Lippen meinen Hals streifen und sich Gänsehaut auf meiner kälte empfindlichen Haut ausbreitet.
„Lucifer...", seufze ich leise und drehe mich zu ihm um.
„Lass mich dich richtig küssen"
Doch ich schüttle meinen Kopf. „Wieso hast du es beendet?"
Ich muss es einfach wissen. Doch er schüttelt wie immer, wenn ich etwas von ihm wissen möchte, mit dem Kopf.
„Wir sollten uns nicht mehr sehen." Keine Ahnung, wie diese Worte plötzlich aus mir herauskommen. Doch das halte ich für das beste. Er wird niemals so empfinden, wie ich für ihn empfinde.
Dieses mal schüttelt er seinen Kopf heftiger und ich mag so etwas wie Panik in seinen Augen aufblitzen sehen.
„Ich kann mich nicht von dir fernhalten. Das heute war kein Zufall. Als Josie meinte, sie würde alte Freunde wieder sehen, darunter Lilith Grey, ihre beste Freundin aus Highschoolzeiten, konnte ich nicht widerstehen, sie zu fragen, ob sie etwas dagegen hätte, dass ich sie begleite. Ich wollte dich sehen."
Er hält kurz inne und mein Herz scheint gleich aus der Brust zu springen. Worte aus seinem Mund klangen noch nie ehrlicher als jetzt im Moment.
Zart legt er eine Hand auf meine Wange und hebt mit seinem Daumen mein Kinn an, sodass ich direkt in seine tiefblauen Augen sehen kann.
„Ich vermisse dich", offenbart er mir. „Das wollte ich dir vorhin in der Bar schon sagen, bevor Josie uns unterbrochen hat." Meine Lippen öffnen sich, aber ich kriege keinen Ton heraus.
„Hast du mich auch vermisst?", fragt er vorsichtig, als hätte er Angst vor meiner Antwort, doch ich nicke und Erleichterung ziert sein Gesicht.
„Dann lass uns meinen Fehler vergessen. Bitte", fleht er und ich weiß nicht, was ich antworten soll. Der letzte Monat war eine Qual. Ich habe ständig an ihn denken müssen. Habe versucht, dieses unangenehme stechen in meiner Brust zu Ignorieren, doch es hat mich bis heute begleitet.
„Du hast mir wehgetan, Lucifer." Sogar sehr. Mehr als ich für möglich gehalten habe.
„Es tut mir leid. Ich will es wieder gut machen. Ich weiß auch, dass ich nicht gut genug für dich bin, aber lass es mich versuchen. Ich will versuchen gut genug zu sein für dich..." Er klingt so unfassbar verunsichert, dass ich innerlich zerschmelze.
„Wenn das alles nur ein Spiel ist, Lucifer..." Heftig schüttelt er seinen Kopf, bevor er meinen in seine Hände nimmt. „Ich verspreche es!" Und ich glaube ihm. Doch vielleicht morgen nicht mehr.
„Das ist deine letzte Chance."
Lächelnd legt er seine Lippen auf meine und küsst mich. Seine Küsse beginnen zärtlich und werden, je länger wir einander festhalten, wilder und fordernder. Es ist so lange her, als ich das letzte mal seine Lippen auf meinen gespürt habe, dass meine Knie fast weich werden. Er schmeckt immer noch so gut wie in meinen Erinnerungen. Und es fühlt sich so gut an, von ihm geküsst und gewollt zu werden.
Doch sobald die Musik verstummt, löse sich unsere Lippen voneinander.

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