Kapitel 55

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Nach drei oder vier weiteren kurzen, die wir schweigend zu uns nehmen, meint Lucifer plötzlich: „Das Kleid ist ziemlich kurz."
„Zum Glück interessiert mich deine Meinung nicht. Außerdem ist Josies noch kürzer.", erwidere ich barsch.
„Sei doch nicht so empfindlich. Es war nur eine Anmerkung."
Ich verdrehe die Augen.
„Lass uns zurück gehen." Wir sind bereits viel zu lange weg. Die anderen Fragen sich sicher schon wo wir bleiben und ich will die Gerüchteküche nicht anheitzen.
Lucifer nimmt meine Hand und zieht mich zu sich rüber. „Ich wäre lieber weiterhin mit dir allein..."
Stirnrunzelnd sehe ich ihn an. „Warum?", frage ich ihn.
Er öffnet seinen Mund um etwas zu sagen und lässt es dann bleiben.
„Sind du und Josie zusammen?", platzt es aus mir heraus, weil mich diese Frage bereits den ganzen Abend beschäftigt.
Er schüttelt seinen Kopf und ein Stein fällt mir vom Herzen.
„Wir sind nur Freunde. Unsere körperliche Beziehung ist Vergangenheit.", versichert er mir.
„Sie wohnt aber bei dir."
„Nur bis sie was eigenes hat."
„Dann gib ihr doch mein Apartment."
Bevor ich meine Hand zurück ziehen kann, kommt er einen Schritt näher und seine Nähe- sein betörender Duft- ziehen mich zusammen mit seinen Augen erneut in den Bann.
„Du bist eifersüchtig", stellt er amüsiert fest und ich erröte. Ich bin froh, Make Up zu tragen und dass es hier nicht sonderlich hell ist.
„Es geht hier um meine Freundin. Ich will nur nicht, dass du sie verletzt, wie du..."
„Wie ich dich verletzt habe." Seine Stimme ist leise, sodass ich nur anhand seiner Lippenbewegungen erahnen kann, dass er das gesagt hat und wirkt fast schon reumütig.
„Was soll das hier, Lucifer?", will ich von ihm wissen.
Er verdreht die Augen und drückt meine Hand noch fester. „Ich..."
„Hier seid ihr also!" Josie taucht plötzlich neben uns auf und Lucifer lässt meine Hand sofort los. Josie wirkt einen Moment verwirrt, kriegt sich jedoch schnell wieder ein und kommt zu mir.
„Wir wollen Tequila trinken, also kommt endlich!" Sie greift nach meiner Hand, die Lucifer bis eben noch festgehalten hat und zieht mich mit durch die Menge, zurück zu unserem Tisch im VIP Bereich. Die Stimmung ist locker, sogar Landon scheint wirklich Spaß zu haben.
„Hab sie gefunden!", freut sich Josie, setzt sich auf Lucifer's Schoss und ich blicke weg von den beiden, denn es tut weh, ihn mit einer anderen zu sehen. Sogar sehr.
Mike zieht mich zu sich und zeigt mir irgendwas auf seinem Handy, was er und die anderen total witzig finden, doch ich bin mal wieder mit meinen Gedanken woanders. Als ich zu Lucifer sehe, ist Josie weg.
„Wo ist Josie hin?", fragt Mell und scheint bereits angeheitert zu sein. Immer wenn sie trinkt, werden ihre Wangen so schön rosig und verraten mir direkt, dass sie bereits ein paar Drinks intus hat.
„Auf Toillette.", erwidert er und macht sich eine Zigarette an. Darf er hier drin rauchen?
Er bietet mir auch eine an. „Hier drin?"
„Wir können auch raus gehen.", antwortet er.
Ich schüttle meinen Kopf und nehme dankend die Zigarette an. Bevor ich überhaupt nachdenke, was ich tue, ziehe ich an ihr. Ohne eine Feuerzeug zu benutzen. Erschrocken schaue ich die anderen an, um erleichtert festzustellen, dass es niemand gesehen hat...bis auf Lucifer. Er scheint fasziniert.
„Darf ich einen Schluck haben?", fragt Mike und greift nach meinem neuen Glas Vodka Cranberry, bevor ich antworten kann und trinkt einen großen Schluck.
„Schmeckt gar nicht so ekelhaft wie ich dachte. Wie kamst du auf die Idee mit dem Tequila?"
Ich zucke mit den Schultern. „Bei einer Collegeparty haben wir Bierpong gespielt und..."
„Es gab statt Bier Vodka Cranberry mit einem Schuss Tequila. Seitdem ist sie verrückt danach.", beendet Mell meinen Satz und ich grinse.
„Du warst doch gar nicht auf dem College?" Ich schaue Lucifer an.
„Nein, aber auf den Partys.", antworte ich ihm.
„Unsere Lilith war mal eine richtige Partymaus!", erzählt Mell und Josie ist zu uns zurückgekehrt.
„Wollen wir austrinken und dann gehen? Bei Lucifer geht die Party weiter. Ich will heute unbedingt noch schwimmen gehen!"
Mike hebt seinen Arm und und streckt ihn hinter mir auf der Banklehne aus. Ich beobachte, wie Lucifers Augen schmal werden.
„Von mir aus. Aber behalte deine Sachen an. Niemand will dich nackt sehen!", bittet Mike sie und verzieht angeekelt das Gesicht. Josie bewirft ihn mit einem Stück Zitrone, doch er fängt sie auf.
„Sei doch ehrlich, Mike, du wünscht dir nichts sehnlicher als eine Nacht mit mir. Wie unsere nassen, verschwitzten Körper sich aneinander..."
„Ok, ich kotz gleich. Klärt das bitte unter vier Augen!", meint Mell und schüttelt sich theatralisch vor ekel.
Ein letztes mal ziehe ich an meiner Zigarette, bevor ich mein Glas leere. Die anderen sind schnell fertig, doch bevor wir los gehen, schnappe ich mir die Tequila Flasche und Lucifer sich den Cranberrysaft.
„Hast du Vodka bei dir zu Hause?", frage ich ihn auf dem Weg nach draußen. Er nickt und Mike hilft mir, sobald wir draußen sind, in meinen Mantel.
„Laufen oder Taxi?", fragt er Lucifer, als würde er genau wissen, wo Lucifer wohnt. War er schon mal bei ihm? Wieso habe ich ihn das nie gefragt?
Lucifer zieht seine Lederjacke an, schaut in den Himmel und schmunzelt, während Josie und die anderen bereits entschieden haben, zu laufen.
„Die Entscheidung wurde mir bereits abgenommen, Michael.", sagt er und folgt den anderen. Landon dreht sich irgendwann zu uns um und läuft mit mir und Mike zusammen, während Lucifer bei Josie und den anderen weiter vorn ist.
„Na, was habt ihr beide getrieben, als ihr zusammen den Tequila bestellt habt?"
Ein kalter Windzug kommt mir entgegen und ich ziehe den Mantel fester um mich.
„Wir haben nur schweigend ein paar kurze getrunken.", erzähle ich ihm die halbe Wahrheit, da Mike direkt neben mir ist und nicht besonders begeistert aussieht.
„Und wer ist nun diese Josie genau? Eine alte Schulfreundin?"
Ich lächle. „Wir haben uns ziemlich gehasst, bis ich ihr aus einer schwierigen Situation geholfen habe, worüber ich nicht reden möchte...


Ich habe bereits das halbe Studentinhaus nach Mell abgesucht und kann sie immer noch nicht finden. Das ist so typisch. Sie leckt wahrscheinlich mit irgendeinem Studentin rum und lässt mich einfach allein. Genervt will ich zurück nach unten, doch dann höre ich etwas aus einem der Zimmer kommen.
„Lass das!"
Es ist ein betrunkenes Mädchen.
„Ich will das nicht!"
Dann höre ich etwas, wie einen dumpfen knall. Als wäre etwas herunter gefallen. Soll ich nachsehen oder einfach weiter gehen?
„Komm schon..." Da ist noch jemand drin. Ich gehe wieder zurück und stehe nun direkt vor der Tür, aus denen die Geräusche kommen. Das betrunkene Mädchen ist nicht allein. Da ist noch jemand.
Vorsichtig lege ich mein Ohr an die Tür um mehr von dem Gespräch zu hören. Ich weiß, dass man andere nicht belauscht, aber irgendwas ist komisch. Das lauschen dient nur um sicher zu gehen, dass dort drin alles in Ordnung ist.
„Erst geil machen und dann links liegen lassen, du Schlampe!" Dieses mal hört es sich nicht an, als würde etwas herunter fallen, sondern als hätte sich jemand eben eine knallen lassen. Ruckartig öffne ich die Tür, nur um Josephine halb bewusstlos und total verheult auf dem Bett und über ihr einen betrunkenen Studentin liegen zu sehen.
„Hilf mir...", krächszt sie und ich schubse den Typen, ohne darüber nachzudenken, von ihr runter.
„Scheiße, was machst du hier drin...?"
Ich nehme Josies Gesicht in meine Hände und drohe dem Schwein, die Polizei zu rufen, wenn er nicht direkt verschwindet.
„Josie, kannst du mich hören?", frage ich sie, bevor sie flackernd ihre Augen öffnet, nur um im nächsten Moment auf den Boden zu kotzen. Ich schiebe ihre Haare bei Seite und schaue nach dem Typen, der sich bereits vom Acker gemacht hat. Ich kannte ihn und das wird er bitterlich bereuen.
Nachdem sie fertig ist, zittert sie am ganzen Körper und verfällt in einen Heulkrampf. Sanft ziehe ich sie an mich und umarme sie.
„Er... er hat....", stottert sie unter Tränen.
„Shhh....", mache ich beruhigend, streichle ihr sanft durchs Haar. Auch wenn Josie und ich uns hassen, lasse ich sie jetzt nicht allein. Niemand hat verdient, was ihr hier angetan wurde...

...aber so sehr wie wir uns gehasst haben, so sehr waren wir einander plötzlich wichtig. Und wenn ich sage, wir haben uns gehasst, dann meine ich das auch so. Wir waren fast schon Feinde."
Ich war für sie da, nachdem was passiert ist. Als einzige, denn sie wollte mit niemanden darüber sprechen. Auch sie und ich haben nie wirklich ein Wort mehr darüber verloren. Ich erinnere mich nur daran, wie wir plötzlich anders miteinander umgingen und sie mich plötzlich nicht mehr angefeindet hat, woraus irgendwann eine enge Freundschaft entstand.
Landon unterhält sich mit Mike, während ich mir die Schaufenster beim vorbei gehen anschaue.
Als wir da sind, kann ich es kaum noch erwarten, Lucifers Appartment zu sehen.
Ein älterer Mann im Anzug öffnet uns die Tür und wünscht uns einen angenehmen Abend, bevor wir im inneren sind und Josie voller Vorfreude in ihre Hände klatscht.
„Das kann ein witziger Abend werden...", murmelt Mike neben mir und Landon kommt bereits jetzt aus dem staunen nicht mehr heraus, bis wir im Fahrstuhl sind und Lucifer eine Karte durch einen Schlitz zieht, damit sich der Fahrstuhl in Bewegung setzt.

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