Kapitel 2

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Ich erwache aus dem Alptraum. Es ist immer derselbe. Wie immer, wenn ich einen  habe, gehe ich nach unten in die Küche, mache mir einen Tee und sitze die Zeit, bis ich zur Arbeit muss, einfach nur da und starre in meine Tasse.
Ich weiß nicht, was dieser verdammte Traum zu bedeuten hat.
Oder warum ich diese Nacht sein Gesicht erkennen konnte.
Er kommt mir unheimlich bekannt vor. Als wäre ich ihm bereits über dem Weg gelaufen oder hätte ihn auf Social Media gesehen.
Plötzlich steht meine Mum hinter mir und legt mir sanft ihre Hand auf meine Schulter.
Mein erschrecktes aufzuckem bleibt ihr nicht umbemerkt. Denn als ich sie ansehe, sieht sie besorgt aus. Besorgter als sonst immer.
„Wieso bist du so früh wach?"
Ich reibe mir die Augen.
„Hatte diesen Alptraum."
Meine Hände zittern, während ich die Tasse an meinen Mund führe.
„Etwas war anders, Mum.", flüstere ich in meine Tasse hinein.
"Was war anders?"
"Ich konnte sein Gesicht sehen."

Laute Musik dringt durch meine Ohren. Ich renne weg, nur wovor weiß ich nicht.
Meine Schritte hallen durch den langen, dunklen Gang wider. Ich kann bereits den beleuchteten Ausgang sehen, aber egal wie schnell ich laufe, er scheint sich von mir zu entfernen.
"Lilith", ruft mir die Stimme zu. Sie klingt so kalt, dass ich Gänsehaut bekomme, aber sie ist noch so weit entfernt.
"Lass mich in Ruhe!", schreie ich und beschleunige mein Tempo.
Ehe ich jedoch den Ausgang, der sich immer weiter von mir entfernt, erreichen kann, hält er mich fest und ich werde gegen die Wand gedrückt.
Ich sehe ihm ins Gesicht.
Kalte, blaue Augen sehen mich an. Sie fixieren mich. Seine vollen Lippen sind zu seinem boshaften grinsen verzogen.
"Was willst du von mir?", will ich wissen.
Er gibt mir keine Antwort, stattdessen streckt er seine Hand nach meiner Wange aus. Fast schon zärtlich berührt er mich, bis ich die unerträgliche Kälte spüre. Sie zerfrisst jeden einzelnen Nerv in meinem Gesicht. Und sie breitet sich weiter aus. Meine Lippen beginnen zittern.

Die Kälte lässt das Blut in meinen Adern erfireren. Mein Atem geht ganz langsam. Er presst seinen Körper gegen meinen, was verhindert, dass ich nicht zusammensacke.
Dann lege ich meine Hand auf seine, die auf meiner Wange liegt.
Plötzlich verschwindet das Grinsen aus seinen Gesichtszügen. Die Kälte schwindet langsam.
Mir wird wärmer.
„Ich werde dich nicht töten. Dein Schicksal ist viel schlimmer als der Tod, denn dein Schicksal, bin ich."
"Tu das nicht!", flehe ich, ohne zu wissen, was er nicht tun soll.
"Wir sehen uns wieder, wenn du dafür bereit bist, Liebes. Du gehörst mir."
Und plötzlich verspüre ich einen stechenden Schmerz in meinen Schläfen.

Ich seufze und reibe mir die Gänsehaut von den Armen. „Wie spät ist es?"
„Halb fünf. Ich finde du solltest heute nicht zur Arbeit."
"Ich kann nicht einfach zu Hause bleiben, wann ich es will." Ich stelle die leere Tasse ins Waschbecken und spüle sie aus.
„Heute ist dein Geburtstag, Schätzchen. Ich mache mir nur Sorgen um dich."
„Was soll schon passieren?" Schulterzuckend trockne ich die Tasse ab und stelle sie wieder zurück in den Schrank zu den anderen.
Ich bezweifle, dass der Traum, nur ein Traum ist. Der Traum fühlt sich wie eine verschwommene Erinnerung an. Natürlich habe ich Angst, das er seine Worte wahr werden lässt, aber ich will mich durch diese Angst nicht bezwingen lassen. Seitdem Unfall vor 4 Jahren, wünsche ich mir einfach nur Normalität.
„Versprich mir einfach, dass du dich nicht von ihm blenden lässt."
„Wovon?"
„Von seinem Äußeren. Der Mann, der dich zu uns gebracht hat, hat uns erzählt, wie er auf Frauen wirkt."
Der Teufel ist dafür bekannt, eine besondere Wirkung auf Frauen zu haben. Er sei manipulativ und charmant. Viel mehr erzählt mir Mum nie über ihn. Egal wie oft ich sie frage, nachdem sie mir die Wahrheit über mich und meine Herkunft verraten hat.
„Ich muss Duschen." Um dem Gespräch, welches sie versucht zu führen, zu entkommen.

Unter der Dusche beginne ich mich wieder zu entspannen. Ich brauche einfach nur Ruhe und klare Gedanken. Ich darf mich nicht von der Angst beeinflussen lassen. Ich reibe mich mit Duschgel ein, rasiere mich und wasche mir die Haare. Das heiße Wasser beginnt abzukühlen. Seufzend steige ich aus der Dusche und wickle mich mit einem weißen, rauen, Handtuch ein. Ich hasse dieses Haus.
„Lilith, dein Handy klingelt!", ruft meine Mutter. Mike ruft sicherlich an, um mir zu gratulieren. Leider muss er warten, denn erst nehme ich mir die Zeit um meine langen, dunklen Locken zu föhnen. Diese beanspruchen sehr viel Zeit und Geduld.

Heute will ich einfach das alles nach Plan läuft. Keine großen Überraschungen.
Da ich Geburtstage nicht ausstehen kann, werde ich versuchen, ihn wie einen normalen Tag zuverbringen.
Ich werde arbeiten, werde Mellanie abwimmeln, die sicherlich einen trinken gehen will und dann fahre ich nach Hause, um wie jedes Jahr mit meinen Eltern Schokokuchen zu essen. Nachdem ich das gemacht habe, werde ich im Internet nach einer neuen Wohnung suchen, denn ich muss endlich wieder ausziehen.
„Lilith, dein Handy!", ruft sie wieder, als ich mir die Zähne putze. 
„Ich komme!"
Doch vorher decke ich meine Augenringe ab  und tusche mir meine Wimpern.
Ein letzter Blick in den Spiegel und ich bin fertig.

Beim Weg nach unten betrachte ich das Bild von mir, das an der Wand hängt. Noch ein Baby, mit strahlend blauen Augen, ein breites Lächeln und Spinat im Gesicht. Daneben als ich 14 war. Kein schönes Alter.
Bei meinen Klassenkameraden hatte sich die Pubertät bereits äußerlich bemerkbar gemacht, bei mir jedoch kaum, außer ein paar Pickel. Die Pickel sind mittlerweile weg und auch wenn ich kein C-Körbchen habe, bin ich zufrieden mit meinem kleinen B-Körbchen.

Mum sitzt am Tisch und blättert in einem Kochbuch herum. Sie lächelt mich an und holt eine kleine hellblaue Schachtel, mit einer schwarzen Schleife hervor.
"Ich sagte doch keine Geschenke, Mum."
Sie zuckt lediglich mit den Achseln, steht auf und zieht mich in eine sanfte Umarmung, die ich ohne zu zögern erwidere.
„Alles gute mein Engel."
„Ich bin kein Engel, sondern ein..."
„Ich weiß. Für mich bleibst du trotzdem mein kleiner Engel."
Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange und drückt mir die Schachtel in die Hand.
„Das ist von deinem Dad und mir. Nur eine Kleinigkeit.", strahlt sie. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, dass diese Kleinigkeit, sehr viel Geld gekostet hat, so wie ich meine Eltern kenne. Ich befreie die Schachtel von der schwarzen Schleife und öffne sie. Darin funkelt mich ein silbernes, fein verarbeitetes, Herz an. „Sieh dir das Foto darin an."
Darin ist ein Bild einer Frau mit dunklem Haar, sanften Blick und grünblauen Augen. Es ist Lilian. Sie weiß wie gern ich sie kennengelernt hätte. Meine leibliche Mutter. Lucifer hat sie jedoch getötet.
„Sie ist wunderschön. Danke Mum."
„Dank nicht nur mir, es war die Idee deines Vaters."
„Ich danke ihm, wenn ich nachher von der Arbeit komme."
Sie nickt und weist mich zum umdrehen hin, was ich tue. Sie legt mir die Kette um und betrachtet sie noch einmal.
„Ich hoffe er nimmt dich uns nicht weg."
„Das wird er nicht. Dafür sorge ich." Sie lächelt, doch ihr Lächeln erreicht nicht ihre sonst so strahlenden Augen.

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