Kapitel 4

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Die Arbeit ist im Nullkommanichts beendet. Schade eigentlich. Gerade erst habe ich angefangen auf andere Gedanken zu kommen. Dabei habe ich völlig vergessen, Mike zurückzurufen. Hoffentlich ist er nicht sauer, aber so wie ich ihn kenne, wird er das nicht sein.
„Kommst du noch mit was trinken? Schließlich darfst du dir jetzt selbst Alkohol kaufen.", ruft Melanie und schlendert, mit den Hüften wackelnd, zu mir rüber.
„Weiß nicht."
Ich zucke mit den Schultern. Eigentlich möchte ich mich nur noch auf mein Bett werfen, mich in meiner warme Decke einrollen und alleine sein. Das aufeinandertreffen mit Lucifer hat mich nicht kalt gelassen. Sogar im Gegenteil. Ich denke darüber nach, noch heute das Land zu verlassen.
Gut, nicht direkt das Land, denn dafür fehlt mir das Geld. Aber zumindest weit weg von ihm.
„Nur ein Drink." Ihre blauen Augen strahlen mich an. Ich muss lernen nein zu sagen, wenn ich nein sagen will.
„Ok"
„Supi. Ich hol nur schnell mein Zeug. Geht heute alles auf mich."
„Hm", mache ich und nehme mein Handy aus der Tasche. Mittlerweile sind es 11 verpasste Anrufe und zwei Sprachnachrichten auf meiner Mailbox.
„Können wir gehen?" Melanie legt ihren Arm um meinen.
Vielleicht tut mir ein Drink ganz gut.

Im Fahrstuhl erzählt mir Melanie was sie am Wochenende gemacht hat. Sie war in Vancouver bei einem Freund. Sie haben gefeiert und er hat sie geküsst. Jetzt ist sie verwirrt und will ihn nicht wiedersehen.
Sie erzählte noch viel mehr, doch ich schweife mit meinen Gedanken zurück zu heute morgen.

Ihr Leben ist das reinste Abenteuer. Sie fährt die Wochenenden oft weg. Entweder feiern, wandern oder Bergsteigen. Sie hat mir schon oft angeboten mitzukommen, nur will ich meinen gewohnten Tagesablauf, auch am Wochenende, nicht durcheinanderbringen. Das Wochenende gehört ganz mir. Meist liege ich im Bett und sehe mir alte Friends Folgen an. Dabei trinke ich eine Flasche Wein und scrolle durch Social Media. Melanie versteht nicht, wieso ich nicht mehr aus meinem Leben mache. Da wir uns schon seit der Highschool kennen, weiß sie, dass ich gern Fotografiere und diese Bilder auch auf meine Website stelle, nur fehlt mir die Zeit dazu. Manchmal verstehe ich ja selbst nicht, wieso ich nichts mache. Es ist einfach Gewohnheit, mein Leben so langweilig wie möglich zu führen und daran soll sich nichts ändern. Auch nicht jetzt, wo er in mein Leben getreten ist. Mein Leben war bereits einmal das pure Chaos, nach diesem einen Vorfall, über den ich nicht mehr nachdenken will, weil es mich sonst wieder von innen heraus auffrisst.

Unten im Foyer verabschieden wir uns von Zoe, der Empfangsdame. Ich kenne sie nicht wirklich, aber Melanie scheint sich gut mit ihr zu verstehen, also lächele ich sie immer freundlich an und sie lächelt immer mit einem breiten, sympathischen grinsen zurück.
„Wow" Melanie schnappt nach Luft und legt lächelnd ihren Kopf schief.
„Was ist?" Sie nickt Richtung Ausgang. Draußen parkt ein schwarzer Dodge, an dem sich ein Mann mit dem Rücken lehnt. Er trägt eine Lederjacke, Jeans und Sonnenbrille. Seine Hände sind in jeweils einer Hosentasche. Bereits jetzt kann ich seine Anwesenheit klar und deutlich spüren.
Auf Wiedersehen, sagte er zu mir.
Wie hätte ich ahnen sollen, dass dieses Wiedersehen noch am gleichen Tag stattfindet?
Ich bleibe stehen, denn mir wird bewusst, dass dort draußen der Teufel auf mich wartet.
„Was ist?", fragt sie irritiert und sieht mich prüfend an.
„Ich muss nur schnell... meine Eltern anrufen. Sie erwarten mich eigentlich."
„Du bist 21, lass sie warten. Heute ist dein Tag. Sie werden das sicher verstehen."
Ich hoffe nur, das sie sich keine Sorgen machen. Ich kenne meine Mum.
Also schreibe ich ihr schnell eine Nachricht.

Komme doch etwas später, geh mit einer Freundin etwas trinken. Bis heute Abend. Liebe euch.

Melanie verschlingt Lucifer mit seinen Augen und je näher wir ihm kommen, desto schneller schlägt mein Herz. Sicher schlägt auch ihr Herz höher, nur nicht aus demselben Grund wie meines, denn bei mir liegt es an Angst, bei ihr daran, dass Lucifer unbeschreiblich scharf aussieht.

My DestinyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt