Nachdenklich betrachte ich die Menschen aus dem Taxi. Doch immer wieder erinnere ich mich an sein Gesicht und der Ausdruck darin, als ich seine Hand berührt habe.
Ich kaue auf meiner Unterlippe herum und nehme mein Handy heraus, um Mr Baldwins Termine zu checken und um nachzuschauen, was ich noch vor der Arbeit erledigen muss. Ich war gestern Nacht zu müde, um das zu tun und bin deshalb heute vorsichtshalber früher losgefahren.
Zum Glück steht heute nichts wichtiges an, doch ich checke sicherheitshalber meine Emails. Auch dort sind keine von Baldwin.
Das heißt ich muss nichts weiter tun, als ihm einen Kaffee bringen und darauf hoffen, das er heute gute Laune hat. So bleibt mir Zeit, um noch etwas zu frühstücken.
Direkt vor dem Coffeeshop hält das Taxi. Ich reiche dem Fahrer seine zwölf Dollar und steige aus.
„Schönen Tag noch", wünsche ich ihm, auch wenn er unfreundlich war. Er hat mir das Geld förmlich aus der Hand gerissen.
„Hm", brummt der Fahrer und ich schließe die Autotür, nur damit mir im nächsten Augenblick beinahe über die Füße gefahren wird. Ich verdrehe die Augen, bin wie immer genervt von New York, auch wenn ich diese Stadt auf meine eigene, eigenartige Weise, liebe.
Als ich den Coffeeshop betrete, fällt mein Blick direkt zu den Sitzplätzen. Doch der Shop ist fast leer.
Komisch. Normalerweise ist er um diese Zeit gut Besucht.
Nur ein Mann im Anzug sitzt direkt vor einem Fenster, aus dem man die Menschen, die draußen auf der anderen Seite des Coffeeshops vorbei gehen, beobachten kann. Das weiß ich, weil ich dort immer sitze. Der Mann mit den pechschwarzen Haaren neigt seinen Kopf leicht zur Seite. Er beobachtet dort draußen etwas. Oder kann er mich durch die Spiegelung sehen, wie ich ihn anstarre?
Ich räuspere mich und gehe zum Tresen. Meine Absatzschuhe klappern und kommen mir unfassbar laut vor.
Landon, der mich sonst fast immer bedient, ist heute leider nicht da. Die neue Verkäuferin ist freundlich, wirkt aber angespannt. Ehe ich ihr Geld reichen kann, lehnt sie bereits ab.
„Dieser Mann dort drüben hat bereits für Sie bezahlt."
„Was?"
„Er kommt jeden Donnerstag, vielleicht hat er Sie mal gesehen. Er hat mir 100 Dollar gegeben und hat Ihr aussehen beschrieben. Eine Frau mit blassen Taint, dunklen, langen, lockigen Haaren und mit auffallend blauen Augen. Sie sollten zu ihm rüber gehen. Er ist wirklich... wirklich sehr attraktiv, wenn Sie mich fragen."
Ich lächle. „Er hat sicherlich eine andere Frau gemeint."
Ich lege ihr Geld auf den Tresen und lächle sie entschuldigend an. Mir ist die Situation unangenehm. Also nehme ich mein Zeug, um mich dann an einen Tisch zu setzen, der sich am anderen Ende des Raumes befindet. Weit weg von dem psycho Mann, der für eine Frau bezahlt hat, die Ähnlichkeit mit mir haben muss.
Ich nippe an meinem brühend heißen Kaffee und genieße die köstliche Wärme.
Ehe ich von meinem Donut abbeißen kann, steht jemand am Stuhl neben mir und berührt meine Schulter. Erst blicke ich auf die Hand, bevor ich nach oben schaue.
Ich erstarre. Halte den Donut direkt vor meinem Mund und lasse ihn fallen.
„Ist dieser Stuhl noch frei oder warten Sie auf jemanden?"
Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen, doch kein einziger Ton gleitet durch meine Lippen.
„Miss?" Seine Stimme ist tief und ruhig. Sein lächeln charmant. Sie hat nicht gelogen. Dieser Mann, ist der attraktivste, den ich je gesehen habe und ich habe Angst vor ihm und will sofort wegrennen. Der Teufel in menschlicher Gestalt steht direkt vor mir und berührt meine Schulter.
„Eigentlich bin ich spät dran und muss wieder gehen."
Endlich kann ich sprechen. Aber meine Stimme ist kratzig, leise und ich weiß, dass er die Angst heraushören kann.
Ein leichtes runzeln bildet sich auf seiner Stirn, bevor er den Stuhl mit einem schnellen Ruck vorzieht und sich setzt. Sein Fuß schiebt meinen Stuhl, auf dem ich sitze, näher zu sich und ich kralle mich an der Tischkante fest. Wie gelähmt sitze ich da.
„Du weißt also noch wer ich bin."
„Ich will sofort gehen!", sage ich.
Ich starre auf meine Hände, die weiterhin fest die Tischkante festhalten, ehe er eine Hand nach meinem Gesicht ausstreckt. Ruckartig sehe ich ihm wieder ins Gesicht und greife nach seinem Handgelenk. Als hätte er meine Reaktion erwartet, greift er, viel schneller als ich, nach meinem Handgelenk und legt meine Hand zurück auf den Tisch.
„Du hast Angst vor mir", stellt er fest. „Die brauchst du aber nicht haben. Wenn ich dir etwas antun wollen würde, hätte ich das bereits getan. Und jetzt erzähle mir, woher du weißt, wer ich bin."
Ich starre ihn mit geweiteten Augen an. Er wirkt im Gegenteil zu mir so unfassbar ruhig und gelassen.
„Was willst du von mir?"
„Keine Gegenfrage. Du beantwortest meine Frage und dann beantworte ich deine. Und jetzt entspanne dich. Trink einen Schluck Kaffee und vertraue mir, wenn ich dir sage, dass ich dir nicht wehtun werde, sondern nur hier sitze, um dich kennenzulernen. Schließlich bist du die Tochter einer alten Freundin von mir. Und zugleich das außergewöhnlichste Wesen, dass je existiert hat, wenn du mich fragst."
Mein Herz pocht wie verrückt. Langsam lasse ich die Tischkante los.
„Ich habe Alpträume. Du tauchst oft darin auf.", erkläre ich knapp und lasse die Kleinigkeit aus, dass ich erst letzte Nacht, dass erste mal sein Gesicht gesehen habe.
Vielleicht liegt es an seinem Aussehen, dass ich ihm glaube. Er wirkt nicht böse auf mich. Dafür strahlt er vor Dominanz. Er ist groß, muskulös und hat wirklich breite Schultern. Sein attraktives, markantes Gesicht lenkt glatt von seiner wahren Gestalt ab, die sich darunter befindet. Ich betrachte ihn, anders als in meinen Träumen, etwas genauer. Am faszinierendsten sind seine blauen Augen. Doch ich kann seinem Blick nicht lange standhalten, denn er schüchtert mich ein. Also blicke ich wieder auf meinen Kaffee.
„Faszinierend. Was passiert denn in diesem Traum?"
Ich schüttle meinen Kopf. „Du musst erst meine Frage beantworten. Was willst du von mir?"
Ich versuche ruhig zu bleiben, dabei bin ich im inneren alles andere als einfach nur ruhig. Neben mir sitzt schließlich der Teufel.
Und dieser lächelt schief, bevor er einen Arm auf meine Stuhllehne legt. Somit ist er mir noch näher und ich kann ihn riechen. Er riecht unfassbar gut und ich erwische mich dabei, wie ich mich von seinem äußeren beeinflussen lasse.
Ich darf mich nicht von ihm täuschen lassen.
„Weißt du, wie ich heiße, Lilith?"
Da ich nicht antworte, redet er weiter.
„Mein Name ist Lucifer. Bitte kürze ihn nicht ab, denn das kann ich nicht ausstehen. Und um auf deine Frage zurückzukommen... ich habe dich eine Zeit lang beobachtet und besitze überall Augen und Ohren, daher weiß ich, dass dir bewusst ist, was du bist und woher du stammst. Niemand sonst würde brühend heißen Kaffee trinken, ohne sich zu verbrennen. Deine Mutter war ein Dämon, dein Vater ein Mensch, somit bist du ein Halbdämon und die erste deiner Art, denn eigentlich solltest du gar nicht existieren, da Dämonen keine Kinder Zeugen können. Und trotzdem existierst du. Vielleicht verstehst du ja, dass ich einfach nur Neugierig bin, dich kennenzulernen. Du bist etwas besonderes und zugleich bist du wahrscheinlich die schönste Frau, die mir je unter die Augen gekommen ist."
Meine Wangen brennen. Scheiße, ich werde rot und er kann es sehen. Kein Wunder, denn der schönste Mann, den ich je gesehen habe, findet mich wunderschön.
Und das ist ausgerechnet der gefallene Engel Lucifer.
„Du hast sie ermordet, weil ich geboren wurde." ...also steck dir deine Komplimente sonst wohin.
„Da liegst du falsch. Ich habe Lilian ermorden lassen.", erklärt er beiläufig. „Und das nicht aus dem Grund, weil sie dich bekommen hat, sondern weil sie mich hintergangen hat."
„Was hat sie denn getan?"
„Keine weiteren Fragen über meine Vergangenheit. Du musst zur Arbeit."
Was? Ich hole mein Handy heraus und sehe, dass ich los muss. Woher weiß er, wann ich auf Arbeit sein muss? Gleichzeitig bin ich verwundert, dass er mich gehen lässt.
„Du lässt mich einfach gehen? Mehr wolltest du nicht wissen?"
„Auf Wiedersehen, Lilith.", erwidert er, ohne meine Fragen zu beantworten. Und ich kann es nicht fassen, denn am liebsten würde ich sitzen bleiben, um ihm tausend weitere zu stellen. Gleichzeitig will ich aber auch nur weg von ihm.
Ich schnappe meine Tasche, meinen Kaffee und fliehe so schnell ich kann. Am Ausgang huscht mein Blick kurz zu ihm rüber und er schaut mir hinterher.
Weg von hier!
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My Destiny
Romance"Glaub ihm nicht. Er lügt." Lilith war achtzehn, als sie die Wahrheit über sich und über ihre Herkunft erfuhr. Halb Mensch und halb Dämon. Gesegnet mit unvorstellbarer Macht. Jung und unerfahren in Sachen Liebe, Begehren und Leidenschaft, bis der g...