Mike, Josie, Landon und ich tanzen. Die Musik ist auf volle Lautstärke aufgedreht und außer den vielen Kerzen, die ich mit einer Handbewegung entfacht hatte, während es niemand mitbekommen hat, gibt es keine weitere Lichquelle. Niemand der hinterfragt, wie sie angingen. Alle sind nur mit ihren Gefühlen und der Musik, die in ihre Ohren rauschen, beschäftigt.
Mike schwingt mich herum, bevor er sich Josie schnappt und mit ihr dasselbe tut. Völlig außer puste lasse ich mich auf der Couch fallen. Jackson und Mell sind ins Gästezimmer verschwunden, Lucifer ist auf der Terrasse... raucht und scheint in Gedanken versunken und Josie, Mike und Landon tanzen immer noch wie wild. Das sehe nach einer kleinen Trink- und Verschnaufpause als Anlass, mich ein wenig umzusehen. Doch bevor ich aufstehe, schaue ich wo Lucifer ist. Er steht immer noch draußen, schaut runter auf die Stadt und sieht Gedankenverloren von hier aus.So Gedankenverloren und traurig.
Bevor er zurück kommt, verschwinde ich auch bereits um die Ecke. Die Wände sind dunkelrot, mit Goldverzierungen. Sie fühlt sich rau und weich gleichzeitig auf meinen Fingerspitzen an. Direkt geradeaus erblicke ich schwach eine dunkle Schiebetür, die einen Spalt offen steht. Vermutlich das Schlafzimmer. Doch da fühle ich etwas in mir. Ein Gefühl, als würde mich ein Raum magisch anziehen. Und eine leise Stimme... sie ist so weich und vertraut. Direkt neben dem Badezimmer. Eine verschlossene Tür. Doch sie öffnet sich, sobald ich den Türknauf loslasse. Es ist dunkel. Ich hebe meine Hand und versuche mich zu konzentrieren. Dann erhelle ich den Raum mit meinem Feuer und schalte das gedämmte Licht an, bevor ich meine Hand schließe und sie sinken lasse.
Fasziniert blicke ich in einen Raum voller Gemälde, Bilder, alter Bücher und einem Spiegel. Dieser Spiegel... Er ruft nach mir. Die Stimme kommt aus ihm. Ganz leise. Flüsternd. Er befindet sich am Ende des Raums. Ist umgeben von einem roten Schleier, der vom Wind zur Seite geweht wird.
„Lilith", höre ich.
„Lilith", haucht sie leise. Jemand ruft nach mir.
Ich sehe sie. Sehe mich. Ist das die Zukunft? Ist das jetzt?
Ich schüttle meinen Kopf, denn er wird vom Schwindel getrübt. War ich schon wieder weg?
Plötzlich stehe ich vor dem Spiegel. Meine Augen starren starr in ein paar braune. Bin das ich?
Ich hebe meine Hand, ebenso wie das Spiegelbild. Ihre Kleider sind alt. Stammen nicht aus diesem Jahrhundert. Sie stammen aus den zwanzigern. Ihre Haare sind deutlich kürzer... schwarz... und leicht gelockt. Sie gehen ihr nur bis knapp unter ihre Ohren. Zaghaft schaue ich an mir hinab. Erschrocken berühre ich den dunkelroten Stoff. Hatte ich nicht etwas anderes getragen?
Mit zitternden Hände berühre ich meine kurzen Haare, als ich mich selber flüstern höre: „Glaub ihm nicht. Er ist ein Lügner!"
Lucifer kommt ins Zimmer. Als ich meinen Blick zu ihm wende und dann wieder in den Spiegel, ist alles wieder normal. Doch was war das eben? Was macht das VB mit mir? Werde ich verrückt?
„Ist alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."
Er kommt langsam zu mir. Ich schüttle meinen Kopf. Bin verwirrt, aber glücklich, dass er bei mir ist. Beinahe habe ich schon vergessen, dass wir nicht alleine sind, bis ich Josie lachen und Mike keuchen höre.
„Was ist da draußen los?"
Er zuckt mit seinen Schultern und berührt meine Wange. Zaghaft, aber so zärtlich, dass ich dahinschmelzen könnte. Ich will mich in seine Armen verlieren und einfach alles andere ausblenden. Seinen Geruch einatmen...
„Die Tür war verschlossen. Wie bist du hier rein gekommen?"
Er schaut in den Spiegel, als würde er sicher gehen wollen, dass sich darin niemand befindet.
„Die Dinge hier drin sind nicht ohne Grund hier eingeschlossen.", erklärt er mir.
„Ich habe jemanden im Spiegel gesehen." Nicht jemanden... mich. Mich mit kurzen Haaren, Rehbraunen Augen und in einem paillettenbesticktem, dunkelroten Charleston Kleid. War das die Zukunft?
„Wen?", will er wissen. Seine Augen blicken mich durchdringlich an.
„Mich"
Verwirrt runzelt der die Stirn und ich lege ihm meinen Finger auf den Mund, bevor er etwas sarkastisches von sich gibt. „Mit braunen Augen, kurzen Haaren und einem Kleid aus den zwanzigern."
„Das VB tut dir nicht gut..." Er streichelt meine Wange. Fährt mit seinem Daumen über meine Wangenknochen...
Erst als Josie ins Zimmer kommt, bemerke ich, wie nahe wir einander schon wieder sind. Wie nahe sein Gesicht vor meinem ist und wie schnell mein Herz eigentlich rast und wie gern ich ihn geküsst hätte.
Hasse ihn! Brüllt mein Unterbewusstsein. Es ist aber zu leise. Die Stimme in meinem Kopf. Und ich habe vergessen, wie man hasst. Wie man wütend ist.
Josies Augen blicken uns neugierig an, bevor sie fragt: „Soll ich euch wieder allein lassen oder habt ihr Lust auf einen weiteren Drink?"
Ich schaue Lucifer an. „Einer noch?" Doch er schüttelt den Kopf.
„Lilith...", haucht er.
„Bitte?", flehe ich. Die Wirkung lässt langsam nach, doch ich genieße das Gefühl, keine Wut zu verspüren. Er seufzt und nimmt meine Hand, die ich ihm wieder entziehe, um Josie hinterher zu gehen.
„Einen noch.", murmelt er hinter mir.
Doch aus einem wurden drei. Nach dem ersten tanzt selbst Lucifer, nachdem ich ihn von der Couch gezogen habe. Er hat gelächelt und es über sich ergehen lassen. Ich habe seine Arme genommen, sie um mich gelegt. Habe ihm ins Ohr geflüstert, er solle einmal Spaß haben und aufhören so miesepetrig zu sein. Er sagte, er wäre lieber allein mit mir. Und ich schmunzelte, denn den Gedanken hatte ich ebenfalls. Und nachdem wir getanzt haben, er lockerer wurde und mich herum schwang, als gäbe es kein morgen mehr, nur um mich im nächsten Moment aufzufangen und mit seiner Nasenspitze meine zu berühren.
Nach dem zweiten Drink kamen Mell und Jackson zurück. Mells Haare waren zersaust, Jacksons Blick war verträumt und zufrieden und Mike und er warfen sich vielsagende Blicke zu. Sie tranken den dritten Drink mit uns und nachdem wir völlig erschöpft vom tanzen waren, ließen wir uns alle irgendwo nieder. Gerade als ich mich neben Landon auf die Couch setzen will, schlingt sich Lucifers Hand um mein Handgelenk und er zieht mich zu sich auf den Schoss.
„Was haltet ihr von einem... Spiel?", fragt Josie, die neben Landon sitzt. Sein Blick gleitet mehrmals unauffällig zu Mike, der neben Mell und Jackson auf der großen Leder Couch sitzt.
„Was für ein Spiel?", will Jackson wissen. Es ist das erste mal, dass er heute redet. Vielleicht ist er ein bisschen vom VB überfordert.
Josie hebt ihr Glass, sodass die Eiswürfel darin klappern. Alle warten darauf, dass sie weiter spricht. Nur Lucifer ist in sich gekehrt und spielt mit einer meiner schwarzen Locken herum und zwirbelt sie um seinen Zeigefinger.
Er ist bereits den ganzen Abend so komisch. Als wäre er nicht wirklich anwesend. Doch vielleicht liegt das am VB, denn wenn ich mir Mike so ansehe, stelle ich fest, dass er ebenfalls den ganzen Abend sehr ruhig und nachdenklich war und immer noch ist.
„Wir alle schreiben eine Frage auf einen kleinen Zettel. Es muss eine Frage zu unserer Vergangenheit sein und wir müssen sie ehrlich beantworten. Wer lügt oder sich weigert, muss einen Shot trinken. Ein Tablett voll steht bereits in der Küche."
„Können wir uns nicht einfach die Fragen stellen, anstatt sie auf einen Zettel zu schreiben? Oder am besten gleich Wahrheit oder Pflicht spielen?", will Jackson wissen. Er wirkt eher unmotiviert, im Gegenteil zu Mell, Josie und mir. Die Chance, Lucifer eine Frage aus seiner Vergangenheit zu stellen, lasse ich mir mit Sicherheit nicht entgehen.
„Von mir aus. Aber nur, wenn du die Shots aus der Küche holst. Und bring gleich eine Flasche Tequila mit, falls die nicht reichen, weil jemand nicht mit seiner Vergangenheit herausrücken möchte." Sie blickt zu Lucifer, der endlich bei der Sache ist.
„Halt die Klappe", murmelt er und ich stehe von seinem Schoss auf, um mich neben Landon und Josie zu setzen. Sie legt einen Arm um mich und zieht mich näher zu sich heran.
„Er wird eh bei jeder Frage lügen.", flüstert sie mir ins Ohr und ich schaue Lucifer an, der sich eine Zigarette in den Mund steckt und anzündet, bevor er mir ebenfalls eine anbietet. Eigentlich sollte ich nicht rauchen. Es ist ungesund und stinkt, aber ich kann dem Drang nicht widerstehen. Wenn ich getrunken habe, rauche ich so gut wie immer mal eine Zigarette. Das ist eben der Alkohol. Doch seit Lucifer es beendet hat und ich meine Mum beim Rauchen erwischt habe, rauche ich immer häufiger, sodass der Drang immer höher steigt, sich mal eben schnell eine anzuzünden.
Ich nehme also die Zigarette entgegen und er klappt sein silbernes Sturmfeuerzeug auf, um sie mir anzuzünden, während ich mich zu ihm beuge.
„Seit wann rauchst du wieder? Ich dachte das hätte ich dir abgewöhnt.", sagt Mike und ich lasse den Rauch aus meinen Lungen entweichen.
„Der schlechte Einfluss.", erwidere ich und nicke dabei in Lucifers Richtung.
„Spielen wir wirklich Wahrheit oder Pflicht? Das habe ich das letzte mal mit Josie und Lily auf einer Collegparty gespielt. Ist das nicht ein bisschen kindisch?"
Josie zuckt mit den Schultern. „Mach doch einen besseren Vorschlag? Wenigstens kann man bei dem Spiel betrunken werden."
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My Destiny
Romance"Glaub ihm nicht. Er lügt." Lilith war achtzehn, als sie die Wahrheit über sich und über ihre Herkunft erfuhr. Halb Mensch und halb Dämon. Gesegnet mit unvorstellbarer Macht. Jung und unerfahren in Sachen Liebe, Begehren und Leidenschaft, bis der g...