Kapitel 24

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Langweilerin.
Ich bin bin langweilig.
Jedenfalls benehme ich mich so.
Und ich ziehe mich langweilig an.
Klasse. 21 Jahre alt und die langweiligste Person, die es gibt und niemand außer Lucifer hat es übers Herz gebracht, mir das ins Gesicht zu sagen. Eigentlich bin ich nicht mal wütend, denn er hat recht. Ich merke selbst, wie Mell immer die Augen verdreht, wenn ich nicht mit ihr nach der Arbeit trinken gehen will. Oder wenn ich Mike sage, dass ich keine Lust habe, mir New York bei Nacht anzusehen, weil ich erschöpft bin.

Es ist Freitag und ich mache dieses Mal pünktlich Schluss mit der Arbeit. Heute verabschiede ich mich nicht wirklich von Mr. Baldwin, denn er ist mit Beth beschäftigt. Nur kurz dreht er sich zu Mell und mir um, um uns zuzuwinken. Mell lächelt freundlich, aber distanziert und ich winke ihm zurück.
„Findest du auch, dass er zur Zeit komisch ist?", fragt mich Mell, ehe ich ihr fast dieselbe Frage stelle.
„Ja, finde ich. Er hat mir angeboten, ihm beim Vornamen zu nennen.", erzähle ich ihr und sie wirkt überrascht.
„Wirklich? Eigentlich meinte ich seine gute Laune, aber das ist mir neu. Sag bloß, er mag dich plötzlich, jetzt wo er dich mit Mr. Superheiß gesehen hat?"
„Mr. Superheiß?" Wohl eher Mr. Arschloch, der sich glücklicherweise bis heute nicht mehr bei mir gemeldet hat. Ich hoffe das bleibt so. Das einzige, was mich wirklich stört, ist, dass ich mein Handy bei ihm vergessen habe. Es muss aus meiner Tasche gefallen sein, als er sie auf den Boden geworfen hat.
„Willst du etwa sagen, er ist nicht super heiß?" Sie zwinkert mir zu.
„Er sieht gut aus, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn mag." Ich bin mir eher sicher, dass ich ihn nicht mag. Blödes Arschloch.
„Dein Knutschfleck sagt etwas anderes." Sie grinst und ich mache meine Haare davor, damit er nicht so offensichtlich ist. Nicht mal mit Make- Up habe ich ihn gabz abdecken können.
Damit zieht sie mich wahrscheinlich so lange auf, bis er endlich verschwunden ist.
Als wir draußen sind, holt ein Freund von Mell sie ab und mir fällt beinahe die Kinnlade runter, als ich sehe, wer dieser Typ ist. Das ist der Typ von Samstag, aus dem Club, den sie so süß fand. Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich mit ihm trifft.
Er schließt Mell in seine Arme und küsst sie auf ihre Wange, bevor sie ihn ansieht und auf dem Mund küsst. Verlegen blicke ich irgendwo anders hin, nur nicht zu den beiden, weil ich das zu intim finde.
Als die beiden fertig damit sind, sich zu begrüßen, wendet sich Mell wieder an mich. „Ich brauche dich erst gar nicht zu fragen, ob du mitkommen willst, oder?"
„Wohin?", frage ich, bevor ich nein sage. Aber vielleicht tut es mir gut, öfter mit anderen auszugehen, statt an meinen freien tagen zu Hause zu bleiben, um mich in mein Bett zu verkriechen.
Mell wirkt überrascht, lächelt jedoch. „Ins Dead Rabbit. Also kommst du mit?"
Ich kenne die Bar und war dort bereits ein- oder zweimal. Ein Drink mit meiner besten Freundin würde nicht schaden, aber ich möchte nicht das dritte Rad am Wagen sein. Ich schüttle den Kopf und lächle sie an. „Schon gut, habt ihr beide lieber Spaß."
„Molly und Mike sind auch da.", fügt sie dann noch hinzu und das ganze sieht schon anders aus. Wenn die beiden dabei sind, habe ich kein Problem damit, mit den beiden gehen. Dann habe ich nämlich nicht das Gefühl, Mell und ihren neuen Freund zu stören.
Ich seufze. „Gut, ich komme mit."
Ich nicke und Mell hakt sich bei mir ein.

Molly ist bereits verschwunden, als wir in der gemütlichen Bar sind. Sie wollte Mike sicherlich nicht für den Rest des Abends ertragen müssen, denn er ist bereits jetzt schon damit beschäftigt, an der Bar eine rothaarige Schönheit in seinen Bann zu ziehen. Das scheint zu funktionieren. Ich beobachte, wie sie lächelt, als er ihr etwas ins Ohr flüstert. Wahrscheinlich irgendwas versautes, denn sie rutscht verlegen auf ihrem Barhocker herum und berührt ganz unauffällig seinen Arm. Beim vorbeigehen bemerkt er mich, hält abrupt inne bei dem, was er tut und hält mich am Arm fest.
„Was tust du denn hier?", erkundigt er sich überrascht.
Ich merke, wie er seinen Blick an mir auf und abgleiten lässt. „Und was trägst du da? Warst du heute nicht Arbeiten?"
Ich weiß wirklich nicht was er meint oder wieso er so überrascht ist mich zu sehen. Ich trage ein schwarzes Etuikleid, welches ich mir vor einem Jahr gekauft habe, aber bis heute noch nie getragen habe. Nichts besonderes. So laufen doch viele Frauen rum.
„Doch, war ich. Wieso wirkst du so überrascht darüber, dass ich hier bin?", frage ich.
„Naja, du gehst nach der Arbeit doch immer gleich nach Hause?"
„Ich hatte einfach Mal Lust auszugehen.", erwidere ich und merke, wie die Schönheit neben ihn ungeduldig wird.
Mike wirkt überrascht, sagt aber nichts mehr dazu und fragt mich stattdessen, ob ich etwas trinken möchte.
„Ich hole mir selbst etwas zu trinken. Ich wollte euch nicht stören." Ich lächele den beiden zu. Sie erwidert mein Lächeln zurückhaltend und Mike nickt, ehe er mich loslässt. Ich gehe zu Mell und Taylor, so heißt der attraktive Mann. Die beiden bestellen Drinks und als ich mich zu ihnen setze, lächelt mich der Süße Kellner an. „Und für Sie?", fragt er mich freundlich.
„Ein Bier, bitte.", antworte ich auf seine Frage. Er nickt und verschwindet. Auf einmal gesellt sich Mike zu uns. Er ist klitschnass und nimmt sich eine Serviette vom Tisch, mit der er sich abtrocknet.
„Was ist denn mit dir passiert?", fragen Mell und ich gleichzeitig.
„Nichts!", brummt er und ich sehe zur Bar. Die Frau, mit der er gesprochen hat, ist spurlos verschwunden.
„Was hast du zu ihr gesagt?", frage ich und muss mir ein lachen verkneifen. Mell hingegen lacht ganz offen, ehe sie sich wieder Taylor widmet.
„Ist doch egal."
Mir wird mein Bier gebracht und Mike fragt, ob er einen doppelten Scotch bekommen kann.
„Nein, sag schon, das interessiert mich. Ich habe noch nie miterleben können, wie du eine Abfuhr bekommen hast.", dränge ich breit grinsend und stupse ihn an. Er verdreht seine Augen und hält mir seine Hand hin. Ich verstehe und reiche ihn meine Bierflasche, woraus er einen großzügigen Schluck nimmt, bevor er sie mir zurück gibt und sich sein nasses Haar nach hinten streicht.
„Das was ich immer sage, aber irgendwie war sie nicht so angetan davon."
Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie sah sogar sehr angetan von ihm aus. Ob da Worte so viel anrichten können?
„Was sagst du denn immer?"
„Bitte lass uns das Thema wechseln. Ich bin schon genug gedemütigt worden." Er klingt genervt, aber als mein Lächeln verfliegt, legt er eine Hand auf meinen Oberschenkel und versucht es mit einem kleinen Lächeln wieder gut zu machen.

Den Rest des Abends verbringen mehr oder weniger nur Mike und ich. Mell und Taylor sitzen etwas weiter abseits, turteln rum und küssen sich. Ich bin froh das Mike hier ist, aber noch fröhlicher macht es mich, dass Mell sich anscheinend verknallt hat. Die Art und Weise, wie sie Taylor ansieht, erinnert mich daran, wie ich Joel angesehen habe, als es noch ganz frisch zwischen ihn und mir war. Ich hoffe nur, das zwischen den beiden läuft anders ab, als das zwischen und mir vor vier Jahren.
Joel war der erste Mann, in den ich wirklich verschossen war. Jedenfalls am Anfang. Wir gingen auf die selbe Highschool und er war Footballspieler. Wir kannten uns nur, weil ich Cheerleader war und haben uns ab und zu getroffen. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir in eine Bar gegangen sind und er sich als 21 ausgegeben hat, damit wir Alkohol trinken konnten. Im Laufe des Abend bekam der Barkeeper aber Verdacht und drohte damit, unsere Eltern zu verständigen, aber wir sind einfach weggerannt. Das hat wirklich Spaß gemacht und es war das erste Mal, dass ich betrunken war. So nett er aber auch zu mir war, er nutze genau das in der Nacht aus und nahm mir meine Unschuld. Das zwischen ihn und mir hielt ein Paar Monate, aber länger auch nicht, denn er hat mit mir Schluss gemacht, weil er eine andere hatte. Ich war nicht wütend, nicht einmal traurig, denn irgendwie war das zwischen ihn und mir doch nichts ernstes. Wir hatten nur zusammen Sex, gingen ab und zu ins Kino, aber das war es auch schon. Er zog weg, ging auf ein College und wir hörten nie wieder voneinander. Ende der Geschichte. So stellt sich niemand die erste Liebe vor. Ich war noch nie so wirklich verliebt. Doch.
Jack.
Allein an ihn zu denken, löst ein komisches Gefühl in mir aus.
Ich schiebe den Gedanken zur Seite und konzentriere mich wieder auf Mike. Nachdem wir eine Stunde über alles mögliche geredet, und ich vier Flaschen Bier und ein bisschen von seinem Scotch getrunken habe, beschließen wir beide zu gehen. Er bietet mir natürlich an, mich nach Hause zu fahren, aber ich frage, ob ich bei ihm übernachten kann, denn ich möchte nicht zu meinen Eltern nach Hause. Ich habe das Gefühl, die beiden brauchen ihre Privatsphäre.
Mike sagt wie erwartet ja.
Als wir im Auto sitzen, schalte ich das Radio ein. Mike schaltet es ein wenig leiser.
„Wieso bist du eigentlich nicht ans Handy gegangen?", fragt er mich und mir fällt ein, dass ich es ja bei Lucifer vergessen habe. Ob ich schnell vorbei sehen sollte, um es mir zu holen?
Auf dem Handy sind eine Menge Bilder, die mir wichtig sind und die ich nicht verlieren möchte. Ebenso eine Menge Nummern, die ich mir noch nicht alle aufgeschrieben habe. Ich bin mir nicht sicher. Heute habe ich nicht die Nerven dafür, mich mit dem Teufel anzulegen. Andererseits hätte ich es schon gern wieder.
„Ich hab es gestern bei Lucifer vergessen."
Mike sein Kopf dreht sich sofort zu mir und er fährt beinahe über eine rote Ampel. „Pass auf!", brülle ich und er legt eine Vollbremsung hin. Ich muss mich irgendwo festhalten, damit ich durch die Wucht nicht mit dem Kopf irgendwo gegen knalle.
Mein Herz rast wie verrückt vor Schreck, doch Mike interessiert es nicht, dass er gerade fast bei rot über eine belebte Straße gefahren wäre. „Du warst wieder bei ihm?"
„Beruhige dich, wir haben nur was getrunken.", meine ich.
Mike wirkt wütend und ich verstehe nicht wieso.
„Du hast gesagt, du hältst dich von ihm fern?", fährt er mich direkt an. Das ist das erste Mal, dass er so laut in meiner Gegenwart geworden ist. Das kann aber auch Einbildung sein, denn ich bin ein klein wenig angetrunken und bin noch ein wenig erschrocken, wegen der Bremsung, die er hingelegt hat.
„Schrei mich nicht so an, verdammt! Ich muss mich erst mal beruhigen!", fahre ich ihn ebenfalls an und wische mir meine Haare aus dem Gesicht. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Wieso reagiert er auf ihn so schlecht? Die Gerüchte müssen doch nicht stimmen und wenn doch, soll es mir egal sein, was Lucifer tut. Ich mische mich schließlich nicht in seine Angelegenheiten ein.
Mike blickt wieder nach vorn und fährt bei grün weiter. Er hat sich ziemlich schnell wieder im Griff.
„Du hast gesagt, du hältst dich von ihm fern?",wiederholt er nun etwas sanfter, aber immer noch mit Nachdruck im Unterton.
„Ich weiß, was ich zu dir gesagt habe, Mike. Er ist gestern bei mir auf Arbeit aufgetaucht und hat mich gefragt, ob ich mit ihm etwas trinken möchte. Hätte ich nein gesagt, wäre er nicht gegangen.", erkläre ich rasch. „Wenn du mich gern hast, fährst du jetzt bitte mit mir zu seinem Club, damit ich mein Hand holen kann. Danach muss ich ihn nicht mehr sehen."
Er wirkt unsicher. „Ich kann da rein gehen und es für dich holen.", schlägt er vor.
Das halte ich für keine gute Idee. Warum auch immer.
„Nein, ich gehe selbst."

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