Kapitel 3

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Kapitel 3

Die nächsten zwei Wochen trafen sich Toni und Henry regelmäßig am Kaffeewagen. Sie wechselten sich damit ab, dem jeweils anderen einen Kaffee auszugeben und spazierten danach oft in den Park, wo sie sich unterhielten und die letzten sonnigen Tage des Septembers genossen. Henry erzählte Toni viel von sich selbst; über den Unfall seiner Eltern, über sein Studium, seine Freunde und seine Zukunftspläne. Toni dahingegen hielt sich zurück, denn er konnte Henry nicht erzählen wer er wirklich war und was er tat. Wie sollte man jemanden, den man gerade erst kennengelernt hatte erzählen, dass man in der Mafia war? Aber er wollte Henry auch nicht anlügen, wenn er nicht musste. Deswegen erzählte er ihm nur die Dinge, die unverfänglich waren. So erzählte er ihm von Luca und dass sie sich schon seit Kindertagen kannten. Auch erzählte er von der Arbeit im Corleone.

„Du solltest einmal vorbeikommen und dir den Club ansehen", sagte Toni, als sie durch den Park schlenderten.

„Ich weiß nicht", sagte Henry und nippte an seinem Espresso. „Ich bin kein guter Tänzer und um ehrlich zu sein war ich eigentlich auch noch nie in einem Club."

„Dann wird es Zeit." Toni sah zu Henry hinüber. „Es wird dir gefallen, glaub mir. Und wenn es dir nicht gefällt, dann weißt du zumindest, dass du nichts verpasst hast."

Sie hatten den Washington Arch erreicht, wo sich in der Regel ihre Wege trennten. Während ihres Spaziergangs hatte sich der Himmel bewölkt. Die ersten kleinen Regentropfen fielen auf die Erde, und überall um sie herum wurden Jackenkragen hochgestellt und Regenschirme aufgespannt. Toni sah betrübt auf seinen hellgrauen Kaschmirpullover herab. Ein Regenschauer würde dem Stoff gar nicht guttun und an seine Lederschuhe wollte er lieber gar nicht erst denken. Henry sah in den Himmel und zuckte die Schultern. Meine Güte, dachte Toni, Henry kann ganze Konservationen nur mit seinen Schultern führen. Es waren breite, starke Schultern. Doch daran wollte Toni ebenfalls lieber nicht denken.

Er sah, dass Henry unentschieden war. Aus irgendeinem Grund wollte er, dass Henry das Corleone sah, dass er ihn dort besuchte. Daher sagte er: „Nur ein Abend, Drinks gehen auf mich."

Henrys Mundwinkel verzog sich zu einem schüchternen Lächeln. Er legte den Kopf schräg und sah Toni an. „Na gut, ein Abend."

Unwillkürlich musste auch Toni lächeln. Seit er Henry kannte hatte er mehr gelächelt, als im ganzen letzten Jahr zusammen. Wenn er nicht aufpasste, wurde das noch zur Gewohnheit. „Gut, dann ist das abgemacht. Ich setze deinen Namen auf die Gästeliste. Komm einfach vorbei, wenn du Zeit hast. Ich bin eigentlich immer da."

„Gut." Henry zog die Schultern hoch als ein leichter Sprühregen einsetzte und der Wind sein blondes Haar zerzauste. Mit einem flattern im Magen sah er, dass sich Henrys blonden Haare im Regen leicht lockten und er ertappte sich bei dem Gedanken daran, dass er seine Finger gerne durch diese Locken gleiten lassen würde. Nein, Toni!, schalt er sich selber und sah weg.

Henry sah hoch in den wolkenverhangenen Himmel, dann zog er eine Grimasse. „Ich hasse Regen. Dann bis demnächst in deinem Club." Und bevor Toni etwas erwidern konnte, joggte Henry in Richtung seines Hörsaalgebäudes davon.

Toni sah ihm noch eine Weile hinterher, sein teurer Pullover für den Moment vergessen. Mit einem Mal konnte er es kaum erwarten, wieder im Club zu sein.

Toni nestelte an seinem Jackett herum. Es wollte irgendwie nicht richtig sitzen. Mit einem frustrierten Knurren zog er an seinem Kragen, dann an den Manschetten. Warum sitzt das blöde Ding nicht, dachte er. Er hatte fast 500 Dollar für Hemd und Sakko ausgegeben, da sollte es doch sitzen wie angegossen. Er zog noch einmal an seinem Kragen, bewirkte aber nur, dass sein Hemd aus dem Hosenbund rutsche. Genervt schob er es zurück. Genug jetzt, sagte er sich und setzte sich an seinen Schreibtisch.

Corleone - Anthony & HenryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt