Kapitel 23

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Kapitel 23

Nach dem Gespräch mit seinem Vater saß Toni eine Weile in seinem Porsche. Er war aufgewühlt und musste nachdenken. Normalerweise wäre er jetzt in das Boxstudio gefahren, doch ihm war nicht nach Training. Im Gegenteil, er fühlte sich ausgelaugt, als ob ihn seine Kraft verlassen hätte. Er fühlte sich schlecht, sein Herz raste nach wie vor und seine Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Eigentlich wollte er nur für eine Weile alleine sein, um über alles nachdenken zu können. Um zu verarbeiten, was er gerade erfahren hatte. Über Robert, über seinen Vater und was dieser bereit war zu tun, damit niemand jemals erfuhr, dass sein Sohn schwul war. Was er schon getan hatte, um dieses Geheimnis zu bewahren. Robert...es war seine Schuld gewesen. Ganz allein seine Schuld. Und wenn Henry etwas passieren würde, wäre es auch seine Schuld. Er war ein Magnet für Unglück, nichts anderes. Wer sich auf ihn einließ, würde dies früher oder später bereuen.

Für einen Moment wollte Toni nichts anderes, als einfach aufzugeben. Sich dem FBI stellen oder seinem Onkel oder wem auch immer, damit das alles hier ein Ende hatte. Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Wenn er das Problem war, vielleicht war die Lösung dann ganz einfach, dass er selber verschwinden musste. Eine Kugel durch den Kopf und schon wäre alles vorbei. Ihm war schlecht. Doch bevor er sich entscheiden konnte, wo er hinfahren und was er tun sollte, vibrierte sein Telefon in seiner Tasche. Es war Henry.

Alles okay bei dir? Wo bist du?"

Nein, es war definitiv nicht alles in Ordnung. Für eine Weile starrte er auf das Display, dann tippte er nur: „Bin auf dem Rückweg." Er startete den Porsche, fädelte sich in den Verkehr ein und fuhr zu Henrys Wohnung. Auf dem Weg dorthin überlegte er, was er Henry erzählen sollte, bis er sich erinnerte, dass er sich geschworen hatte, Henry nicht mehr anzulügen. Also erzählte er Henry eine Stunde später haargenau, was sein Vater ihm gesagt hatte. Als er geendet hatte, konnte er sehen, dass es Henry ganz schön mitgenommen hatte.

„Also hat dein Vater deinen damaligen Freund einfach so umgebracht? Nur weil du seine Befehle missachtet hattest und nach Italien fahren solltest?" Henry saß auf der Couch, ein Bein untergeschlagen und in der Hand einen Becher Kaffee, der mittlerweile kalt war. Er hatte ihn über Tonis Erzählung vergessen.

Toni, der am anderen Ende der Couch saß, nickte. „So hat er es erzählt. Ob er Robert wirklich töten oder nur dafür sorgen wollte, dass er einen Unfall hat, weiß ich nicht. Aber er hat seinen Tod zumindest in Kauf genommen, als er den Roller hat manipulieren lassen."

Als er Henry dieses Detail seines Gespräches mit seinem Vater erzählt hatte, hatte er die Bilder von damals wieder vor Augen gehabt. Der blaue Himmel, die grauen Berge mit den kargen Zypressen. Die Hitze der Sonne auf seinem Gesicht, als sie den Berg hinabgefahren waren. Das Knattern der Dieselmotoren und das plötzliche Aufheulen des Motors, als Robert die Kontrolle verlor. Wie der Roller die Sonne reflektierte, als er durch die dünne Leitplanke brach, das Geräusch von Metall auf Stein, dann diese furchtbare Stille. Der Moment, in dem Robert in seinen Armen gestorben war, war für immer in Tonis Gedächtnis eingebrannt, auch wenn er jahrelang versucht hatte, nicht daran zu denken. Er würde alles, wirklich alles dafür tun, dass Henry in Sicherheit war. Er würde sich etwas einfallen lassen, irgendetwas. Wenn er doch nur wüsste, was er tun sollte! Toni war so in seine Gedanken vertieft, dass er nicht bemerkte, wie Henry neben ihn rutschte.

„Hey", sagte Henry sanft und legte ihm die Hand auf den Oberschenkel. „Alles wird gut werden."

Toni legte seine Hand auf Henrys und verschränkte ihre Finger. „Eigentlich bin ich derjenige, der das sagen sollte, Henry. Du solltest schreiend davonlaufen und das FBI um Zeugenschutz bitten."

„Pfft..." machte Henry und lehnte seinen Kopf an seine Schulter. „Auch wenn ich noch nie mit dem FBI zu tun hatte, weiß ich, dass dieser McNamara ein fauler Apfel ist. Welcher FBI Agent würde denn mit der Mafia zusammenarbeiten? Nein, egal was der Typ will, mir helfen ist es ganz sicher nicht. Da vertraue ich doch lieber dir, Toni."

Corleone - Anthony & HenryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt