Kapitel 7

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Kapitel 7

Der nächste Tag war wolkenverhangen und es war merklich kühler geworden. Vom sonnigen Spätsommerwetter des letzten Tages war nichts geblieben. Als er aufgewacht war, hatte Toni Henry eine Nachricht geschickt, dass er sich gerne mit ihm am Kaffeewagen treffen würde. Wie verabredet wartete er dort auf Henry, bevor sie mit ihren Getränken in den nahegelegenen Washington Square Park schlenderten. Auf ihrem Weg kamen sie an einem Mann vorbei, der von einem Klapptisch aus Bücher verkaufte und Henry war kurz abgelenkt, aber er blieb nicht stehen. Toni hätte es nichts ausgemacht, aber er sagte nichts. Als sie den Park erreichten, ergriff er das Wort.

„Ich muss mich nochmal entschuldigen, dass ich gestern einfach so gegangen bin", sagte Toni.

„Ach, schon in Ordnung", Henry zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe, der Anruf war nichts Schlimmes. Du hattest so einen Ausdruck im Gesicht, weißt du."

„Wie man es nimmt", murmelte Toni in seinen Kaffee, bevor er einer Taube auswich, die es sich mitten auf dem Weg gemütlich gemacht hatte und keine Anstalten machte, wegzufliegen. Sie gingen eine Weile schweigend weiter, bevor Henry sich räusperte. Es war ihm anzumerken, dass er sich nicht sicher war, wie er anfangen sollte.

„Also, gestern", sagte er und sah zu Toni, „das ... kam unerwartet. Aber es war schön", beeilte er sich, hinzuzufügen. Er gab Toni ein kleines Lächeln, bevor er ihm die Hand auf den Arm legte und sich vorbeugte. „Als du nicht mit in meine Wohnung kommen wolltest, dachte ich, ich hätte mich in dir getäuscht. Weißt du, bei dir weiß man nie, was du denkst, was du fühlst. Aber dann, na ja." Er grinste anzüglich. „Wenn du willst, können wir das gleich hier wiederholen."

Tonis Augen landeten auf Henrys Lippen, dem weichen Schwung, dem warmen Rot, wanderten am starken Kinn hinauf zu den geschwungenen Wangenknochen, bis er in Henrys wunderbar blaue Augen blickte. An diesem Tag hatten sie nicht das Blau des Mittelmeeres, sondern ein helleres Blau, wie ein Sommerhimmel. Wärme breitete sich in seiner Brust aus und sein Atem stockte für einen winzigen Moment. Wie gern er Henry jetzt küssen würde, ihn schmecken. Seine Augen hingen an Henrys und er lehnte sich leicht vor, wie in Trance. Gestern war es schön gewesen, so schön...

Da brauste ein Fahrradfahrer an ihnen vorbei und verfehlte sie nur knapp. Es löste die Trance, in der Toni sich befand. Mit plötzlicher Klarheit realisierte er sich, dass er nur wenige Zentimeter von Henry entfernt stand, in einem öffentlichen Park mitten in New York, der zu neunzig Prozent von Studenten bevölkert wurde. Und von den Soldaten seines Vaters.

Heftiger als er beabsichtigt hatte entwand er Henry seinen Arm und trat ein paar Schritte zurück. Verwirrung und dann Kränkung huschten über Henrys Gesicht, und Toni wollte sich am liebsten in den Hintern treten. Er wollte Henry nicht weh tun, schließlich war es nicht seine Schuld. Aber bevor er etwas sagen konnte, schürzte Henry die Lippen. „Also was war das gestern? Ein Versehen?" Henrys Stimme war seine Kränkung anzuhören.

„Henry, bitte, lass es mich erklären", versuchte Toni zu beschwichtigen.

„Was gibt es da zu erklären? Du lädst mich ein, kaufst mir was zu Essen, gehst mit mir Go-Kart fahren, dann kommst du zu mir nach Hause und küsst mich." Henrys Stimme war mit jedem Wort lauter geworden und Toni verzog das Gesicht. „Henry, bitte, nicht so laut."

Doch Henry schien sich nicht beruhigen zu wollen. „Wieso, bin ich dir peinlich? Du hast versucht mich abzuschleppen, nicht umgekehrt. Hast für alles bezahlt und was? Wolltest du dir dann deine Belohnung abholen? Was glaubst du wie ich mich da fühle?"

„Henry, bitte sprich leiser," zischte Toni und als er sah, dass seine Worte Henry nur noch zorniger machten, packte er Henry kurzerhand am Arm und schleifte ihn ein paar Meter weiter zu einem Springbrunnen, dessen Wasser laut plätscherte. „Lass es mich erklären, Henry, bitte."

Corleone - Anthony & HenryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt