Kapitel 17
Zwei Tage vor Thanksgiving saß Agent McNamara in einem unauffälligen Beschattungswagen des FBI vor dem St. Elizabeth Krankenhaus und wartete darauf, dass Hilfspfleger Henry Moore seine Schicht beendete. Für McNamara war es ein Leichtes gewesen, den Namen des blonden jungen Mannes herauszufinden. Natürlich hätte er einfach die Führerscheinbehörde durchforsten können, wie sein Kollege vorgeschlagen hatte. Aber McNamara flog in dieser Sache unter dem offiziellen FBI Radar und er wollte noch keine Aufmerksamkeit erregen.
Nachdem er den Namen wusste, hatte er alles über Henry Moore ausgegraben, was es zu finden gab. Führerschein, Sozialversicherungsnummer, Steuer- und Finanzunterlagen, Schule, Universität, Familienangehörige, Strafzettel – es gab keine – und sogar die Schuhgröße. Agent McNamara wusste jetzt alles, was es über Henry zu wissen gab. Nur nicht, was er mit dem Sohn des Chefs der New Yorker Cosa Nostra zu schaffen hatte. Aus seinen Unterlagen ging hervor, dass Henry Moore ein rechtschaffender, um nicht zu sagen langweiliger, Bürger war. Er hatte keine Vorstrafen, keine Anklagen und nur die üblichen Schulden, die jeder Medizinstudent hatte. Das einzig Interessante in seiner Vorgeschichte war der Unfall der Eltern vor ein paar Jahren, aber auch daran war nichts Verdächtiges zu finden gewesen. Für McNamara war Moore ein Rätsel. Was hatte er mit Anthony Garibaldi zu tun? Warum hatte er den verletzten Luca Rossi in seiner Wohnung behandelt? Denn Agent McNamara zweifelte keine Sekunde daran, dass genau das in der Nacht geschehen war.
Zuerst hatte McNamara gedacht, dass die Mafia Moors Ausbildung bezahlte, damit er später als Arzt für die Mafia tätig werden konnte, aber das schien nicht der Fall zu sein. Hatte Moore Schulden bei der Mafia? Auch dafür gab es keine Anhaltspunkte. McNamara wusste, dass Toni außerhalb der Familie keine Freunde hatte, er hielt sich fern von sozialen Kontakten und tat eigentlich nichts außer zu Arbeiten. Daher kam in McNamara gar nicht erst der Gedanke auf, dass Toni und Henry befreundet sein könnten. Nein, er vermutete, dass mehr dahintersteckte. Und aus diesem Grund hatte er beschlossen, Henry Moore zu beschatten.
Bisher hatte er allerdings nichts gefunden und er wurde langsam ungeduldig. Seine Vorgesetzten wollten Ergebnisse sehen. Auch wenn sie McNamara an der langen Leine ließen und er viele Entscheidungen zu seinem Vorgehen selber treffen konnte und er seinen Vorgesetzten nur das Nötigste vom dem was er tat erzählte, so erwarteten sie doch, dass er Ergebnisse erzielte. Das FBI wollte die Cosa Nostra endlich ins Gefängnis bringen. Wenn das nicht gelänge, denn immerhin agierte die italienische Mafia schon seit Jahrzehnten in New York, dann wollte man die Strafverfolgungskosten wenigstens so gering wie möglich halten. McNamara hatte seinen Vorgesetzten davon überzeugt, dass er Ergebnisse liefern konnte. Jetzt musste er seine Worte nur noch wahr machen.
Und deshalb saß er nach Mitternacht in seinem Wagen auf dem Parkplatz vor dem St. Elizabeth Krankenhaus und beobachtete den Eingang mit seinem Fernglas. Wo blieb der Junge nur? Seine Schicht war vor einer halben Stunde zu Ende gewesen, dass wusste er, denn er hatte seinen Dienstplan in Erfahrung gebracht. Also wo war er?
Ah, da kam er endlich. McNamara beobachtete, wie Henry das Krankenhaus verließ und Richtung U-Bahn davonging. Der Agent stieg aus und verfolgte Henry zu Fuß. Er hatte ihn die letzten Tage mit dem Auto verfolgt, wusste daher, dass Henry in die U-Bahn steigen und er ihn dann verlieren würde. McNamara war jedes Mal zu Henrys Wohnung gefahren, wo dieser dann auch jedes Mal aufgetaucht war. Aber McNamara wollte wissen, ob Henry unterwegs einen Zwischenstopp einlegte, ob er sich mit jemandem traf. Daher hatte er sich entschieden, an diesem Tag die Verfolgung zu Fuß aufzunehmen.
Es waren nicht mehr viele Leute unterwegs und McNamara hielt einigen Abstand zu Henry. Dieser ging zielstrebig in Richtung U-Bahnhaltestelle, den Kopf gesenkt, aber McNamara konnte nicht erkennen, ob er Ohrstöpsel trug. Wenn er Musik hörte, war die Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden statistisch gesehen geringer und er könnte näher zu ihm aufschließen. Der Agent entschied sich, zur Sicherheit Abstand zu halten. Die Nacht war kalt, es war Ende November, und er zog seinen Mantel enger um sich. Wenn der Wind nur nicht so frisch wäre, dachte er, bevor er Henry über eine Kreuzung folgte.
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Corleone - Anthony & Henry
RomantiekAnthony ist klug, sportlich, reserviert, liebt seine Designeranzüge und...ist in der Mafia. Nicht nur das, er ist der Sohn des Mafiabosses. Und er ist schwul. Was für ihn kein Problem ist, für die Mafia aber schon, denn Homosexualität ist eine Sünde...