Kapitel 5
Die nächste Woche verlief für Toni ziemlich ereignislos. Er managte den Club, erledigte seine Geschäfte und an zwei Tagen traf er Henry an ihrem Kaffeewagen. Diese beiden Tage an denen er Henry traf, waren das Highlight seiner Woche. Der September näherte sich seinem Ende, die Blätter der Bäume verfärbten sich langsam Gelb und Orange und in den ersten Geschäften wurden Halloween Dekorationen verkauft, obwohl Halloween noch mehrere Wochen weit weg war. Seit ihrem Gespräch in seinem Büro hatte Toni keinen Kontakt mehr zu seinem Vater gehabt. Allerdings hatte sich Marcus angekündigt, um mit ihm die Einzelheiten des Drogendeals zu besprechen. Immer, wenn Toni daran dachte, kam die Wut auf seinen Vater zurück, und daher versuchte er, wenn möglich eben nicht daran zu denken.
In der ersten Oktoberwoche schien die Sonne vom Himmel und die New Yorker genossen die warmen Tage, die einen Hauch von Sommer zurückbrachten. Wie immer wartete Toni an ihrem Kaffeewagen auf Henry. Henry hatte ihm eine Nachricht geschickt, dass er sich verspäten würde, daher hatte er sich seinen Kaffees schon geholt und saß nun im Schatten auf der Treppe der Bücherei und sah sich die Leute an, die an ihm vorüber liefen. Als sein Handy vibrierte holte er es aus der Tasche. Luca hatte ihm zwei Nachrichten geschickt.
In der ersten teilte er mit, dass er einen Auftrag von seinem Vater erhalten hatte und daher an diesem Abend nicht ins Corleone kommen konnte. In der zweiten schickte er ihm ein Bild von einem neuen Sushirestaurant, das in der Nähe aufgemacht hatte und darunter das Icon eines hochgereckten Daumens. Toni verdrehte gutmütig die Augen. Luca dachte wirklich immer und überall ans Essen. Er war wir ein Hobbit, wenn es ums Essen ging. Toni lehnte sich zurück und ergab sich in sein Schicksal. Wie es aussah, würde er mit Luca demnächst Sushi essen gehen. Es gab Schlimmeres.
Lucas gebrochene Nase verheilte gut und er hatte die Schiene gegen ein dickes Pflaster eingetauscht. Erst gestern hatte Toni ihn dabei überrascht, wie er seine Nase im Rückspiegel des BMW betrachtet hatte. „Ich hoffe die bleibt nicht schief und krumm", hatte Luca gesagt und dabei ein wenig geschmollt.
Toni überlegte gerade, ob er Luca ärgern und demnächst einmal eine Pizza mit Ananas bestellen sollte – ein No-Go für jeden echten Italiener – als er Henrys blonden Schopf entdeckte. Er winkte, schob seine Wayfarer ins Haar und beobachtete Henry, wie dieser mit großen Schritten auf ihn zukam. Nicht zum ersten Mal dachte Toni, dass Henry sicherlich auch ein guter Läufer geworden wäre, mit solchen langen Beinen. Als er sich dabei ertappte, wie er praktisch Henrys Schenkel anstarrte, senkte er den Blick.
„Herrliches Wetter, oder?" sagte Henry, zog seine Jacke aus und setzte sich neben ihn. „Viel zu schön, um drinnen zu hocken." Als Henry die Ärmel seines Langarmshirts hochschob und seine kräftigen Unterarme entblößte, sah Toni schnell zur Seite. Meine Güte, schalt er sich, du bist kein Teenager mehr. Dennoch fühlte er eine leichte Röte seinen Hals hinaufkriechen. Henry war muskulöser als er gedacht hatte. Man sah es ihm auf den ersten Blick nicht an, aber in ihm steckte Kraft.
Toni wandte den Blick auf die Straße vor sich und nahm einen Schluck von seinem Kaffee, bevor er sagte: „Dann lass uns etwas machen heute. Der Tag ist noch jung. Wir könnten in den Park gehen, irgendwo etwas essen."
„Nein, das geht nicht." Henry schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich muss noch so viel für meine Vorlesungen vorbereiten."
„Nicht mal für eine kurze Weile?" Toni setzte sich auf und sah Henry an. Henry hatte das Gesicht in die Sonne gedreht und die Augen geschlossen. Er genoss die Wärme. Die Sonne ließ die goldenen Sprenkel in seinem Haar aufleuchten. Toni wollte auf einmal unbedingt etwas mit Henry unternehmen. Er war jeden Tag in seinem Club eingesperrt und Henry in der Uni. Das war vielleicht der letzte schöne Tag im Jahr. Deswegen sagte er: „Der Bogen kann nicht immer gespannt sein, sonst verfehlt der Pfeil sein Ziel, altes Familiensprichwort. Du musst auch einmal entspannen." Er konnte sehen, wie Henry für einen kurzen Moment den Mund verzog, als denke er über Tonis Worte nach.

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Corleone - Anthony & Henry
RomanceAnthony ist klug, sportlich, reserviert, liebt seine Designeranzüge und...ist in der Mafia. Nicht nur das, er ist der Sohn des Mafiabosses. Und er ist schwul. Was für ihn kein Problem ist, für die Mafia aber schon, denn Homosexualität ist eine Sünde...