*Jace*
Inzwischen war es Nachmittag. Beth und Martin waren noch immer nicht eingetroffen, doch Jace nutzte die Zeit und stöberte in den alten Büchern aus seinem Arbeitszimmer. Vielleicht wurde er dort fündig, was einen Werwolf derart ausrasten ließ. Außerdem lenkte es ihn von allen weiteren, unliebsamen Gedanken ab.
„Hallo? Jemand hier?" Zumindest, bis Kathe die Tür aufriss. Eine Sekunde lang starrten sie einander erschrocken an, dann klopfte sie provisorisch und trat ohne Aufforderung ein.
„Ich habe dir etwas mitgebracht. Obwohl du eigentlich alt genug bist, es dir selbst zu holen." Sie schob seine Bücher beiseite und stellte ihm einen beladenen Teller hin. „Wir machen uns nicht die Mühe zu kochen, damit du dann nicht aufkreuzt! Das ist unhöflich!"
„Ich habe keinen Hunger.", erwiderte er knapp, um das Ganze abzukürzen. Sein grummelnder Magen verriet jedoch das Gegenteil.
„Dann isst du eben ohne Hunger." Sie ließ sich neben ihn auf einen Stuhl fallen und sah ihn abwartend an.
„Was willst du Kathlyn?" Sein Blick glitt zu ihrem hohen Kragen und er fragte sich unwillkürlich, was sich dahinter verbarg.
„Das du etwas isst. Ich vergifte dich schon nicht. Aber wenn du weiter so unfreundlich bist, überlege ich es mir noch mal."
„Ich bin nicht unfreundlich, ich bin misstrauisch. Du hast mir noch nie etwas zu essen nach oben gebracht." Er nahm die Gabel und pickte etwas von dem Geschnetzelten auf, bevor er es sich in den Mund schob. „Zufrieden?"
„Es ist ein Anfang." Eine Weile beobachtete sie, wie er aß. Dann hielt sie es wohl nicht mehr länger aus: „Brian ist ab morgen nicht mehr in der Küche?"
„Nein. Du kannst ab morgen Anna helfen."
„Und warum ist Brian nicht mehr in der Küche?"
„Weil es für Anwärter völlig normal ist, dass sie verschiedene Aufgaben übernehmen und die Abläufe des Rudels so besser kennenlernen. Warum muss ich mich dafür rechtfertigen?" Er warf ihr einen scharfen Blick zu. „Was hast du heute überhaupt wieder in der Küche zu suchen gehabt? Ich hatte dir doch eine andere Aufgabe zugeteilt."
„Stell dir vor: Emmely muss ab und an etwas essen und ich zufälligerweise auch. Denn im Gegensatz zu anderen wissen wir, wann es Mittag gibt."
„Und warum bist du jetzt nicht bei ihr?"
„Soll ich ihr beim Schlafen zusehen? Das wäre doch etwas merkwürdig." Sie hielt kurz inne. „Ich muss mit dir reden."
„Aha." Sein Misstrauen war also doch nicht unbegründet gewesen. Ihrer Miene zufolge fiel es ihr nicht leicht und ihn beschlich ein ungutes Gefühl.
„Ich habe heute mit Josi geredet. Ihr Zimmer steht doch jetzt leer.", begann sie schließlich vorsichtig. Er spürte, wie seine Wut schlagartig zurückkam. „Und da du immer betonst ich würde zum Rudel gehören, dachte ich mir stünde auch ein eigenes Zimmer zu. Es würde doch nichts dagegensprechen, dass ich ihr Zimmer bekomme."
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Between the lines
Werewolf„Wenn wir eine Ausgangssperre verhängen, dient diese nicht nur der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Sie ermöglicht es auch den Wölfen, ungehindert ihre Arbeit zu tun. Du hattest erstaunliches Glück, dass sie rechtzeitig eingreifen konnten...