*Kathlyn*
Sämtliche guten Vorsätze waren wie weggeblasen. Ich konnte nicht mit ihm gehen. Würde ich das nämlich tun, würde ich als sein Spielzeug enden. Das hatten mir seine Blicke mehr als nur verdeutlicht. Er würde mich mit Haut und Haaren verschlingen und ich könnte ihm nichts entgegensetzen.
Ich spürte, wie er sich bei meiner Antwort augenblicklich anspannte. Er umklammerte das Fensterbrett so fest, dass seine Sehnen am Arm deutlich hervortraten und plötzlich knackte es gefährlich und feine Risse zogen sich durch das Granit.
„Gar nicht?" Sein Atem streifte meinen Nacken und jagte mir erneut eine Gänsehaut über den Rücken. Ich fühlte seinen brennenden Blick auf mir, konnte mich jedoch nicht dazu bewegen ihn anzusehen. Stattdessen betrachtete ich das feine Netz aus Rissen in meiner Fensterbank.
„Sag mir Kathlyn, war ich nicht deutlich genug?" Seine Hand fuhr dominant unter mein Kinn und drehte ihm mein Gesicht zu. Seine eisblauen Augen hatten sich vor Zorn komplett verdunkelt.
Er hatte damals mit dem unhöflichen Typ zusammen im Café gesessen, allerdings hatte ich mich mehr auf Braunauge konzentriert, als auf dieses Exemplar hier.
Er war groß – ich reichte ihm gerade einmal bis zur Brust – und sehr muskulös. Sein Oberkörper war breit und durchtrainiert. Seine Arme zierten einige Muskeln und ich schätzte, dass sich unter diesem grauen T-Shirt ein ebenso durchtrainierter Waschbrettbauch verbarg. Sein kurzes, dunkelbraunes Haar war ein wenig zerzaust, was gut zu ihm passte. Ein Dreitagebart verlieh ihm etwas Wildes und Gefährliches, der Ausdruck seiner Augen bestärkte dies.
Er war wirklich sehr attraktiv, doch davon ließ ich mich nicht blenden. Fliegenpilze sahen immerhin auch appetitlich aus.
„Du warst deutlich. Aber deine Bedingung ist recht einseitig – deshalb solltest du auch ins Rathaus kommen. Ilargia hat ebenfalls Bedingungen, zu meinem Schutz."
„Zu deinem Schutz?" Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Und wie kommt ihr auf die törichte Idee, dass ihr in der Position seid, Bedingungen zu stellen?"
„Ich bin immer noch eine Bürgerin Ilargias. Und laut Abkommen dürft ihr mir nichts tun.", imitierte ich meinen Vater und versuchte mich von ihm nicht einschüchtern, oder es mir zumindest nicht anmerken zu lassen.
„Ist das so?" Seine Hand zog mein Gesicht näher zu seinem und hielt knapp vor seinen Lippen inne. Ich wollte mich ihm entziehen, hatte jedoch keine Chance. Sein Atem prallte heiß auf meinen Mund, meine Hände versuchten vergeblich ihn wegzuschieben. Er legte einfach seinen anderen Arm um meine Taille und presste mich an sich.
„Das Abkommen gilt nur leider nicht mehr.", flüsterte er und mein ganzer Körper spannte sich augenblicklich an. „Du entscheidest, ob es je wieder gelten wird. Und wenn du mit mir kommst, unterstehst du nicht mehr den Gesetzen Ilargias. Du gehörst dann zu meinem Rudel. Du gehörst mir!"
Diesen letzten Satz sagte er, als wäre es eine unumstößliche Tatsache. Als gäbe es nicht den geringsten Zweifel und als hätte es ihn auch nie zuvor gegeben. Es war schon immer so und würde immer so sein.
Ich konnte nichts erwidern. Mein Kopf war leergefegt, mein Herzklopfen schien alles andere zu übertönen, gleichzeitig war ich mir meiner Machtlosigkeit deutlich bewusst. Er hielt sämtliche Fäden in der Hand, das wussten wir beide.
Einen Moment lang musterte er mich noch, dann überbrückte er plötzliche die letzte Distanz und drängte seine Lippen gierig gegen meine, sein Körper presste mich gegen das Fenster und seine Hand hielt meinen Kopf unnachgiebig in Position.
Dieser Kuss war besitzergreifend und fordernd, voller aufgestautem Verlangen und alles andere als unschuldig. So war ich noch nie zuvor geküsst worden!
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Between the lines
Hombres Lobo„Wenn wir eine Ausgangssperre verhängen, dient diese nicht nur der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Sie ermöglicht es auch den Wölfen, ungehindert ihre Arbeit zu tun. Du hattest erstaunliches Glück, dass sie rechtzeitig eingreifen konnten...