57. 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩

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*Kathlyn*

Ich konnte nicht fassen, was ich soeben gehört hatte. Doch es erklärte, weshalb mir Jace den Mund zuhielt und mich daran hinderte, in die Küche zu meinen Eltern zu gehen. Ich hatte diesen Moment so sehr herbeigesehnt, mir ihre Reaktion ausgemalt und mich auf sie gefreut. Doch in diesem Moment fühlte es sich an, als lägen wieder Welten zwischen uns.

„Mary, bitte beruhige dich.", versuchte mein Vater sie zu beschwichtigen, doch ich hörte meine Mutter nur auflachen.

„Du erzählst mir gerade, dass meine beste Freundin ermordet wurde – und da soll ich ruhig bleiben?"

„Ich weiß, dass es schwer ist. Aber der Vorfall darf nicht an die Öffentlichkeit gelangen, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind. Die Lage ist schon kompliziert genug."

„Wir haben einen Mörder in der Stadt! Ihr solltet eine Ausgangssperre verhängen und die Bürger warnen, anstatt es unter den Teppich kehren zu wollen!"

„Ihr Mörder ist tot. Wir haben ihn im Haus gefunden. Er ist für niemanden mehr eine Gefahr."

„Und was ist mit Martin? Geht es ihm gut?"

„Das wissen wir nicht. Sie suchen ihn, doch bisher weiß niemand wo er steckt."

„Glaubst du, er hat etwas damit zu tun?" Der Gedanke erschütterte meine Mutter ebenso sehr wie mich.

„Nein, das glaube ich nicht." Sein Ton war sanfter geworden. Ich konnte mir regelrecht vorstellen, wie er meine Mutter umarmte und ihr Trost spendete. Zu gern wäre ich ebenfalls Teil dieser Umarmung gewesen, doch Jace hielt mich unerbittlich fest. Er war komplett angespannt und ich konnte es ihm nicht verdenken. Ein weiteres Rudelmitglied von ihm war tot. Zumindest war auch ihr Mörder nicht mehr am Leben, auch wenn das kein Trost war.

„Was ist dort nur passiert?" Meine Mutter schluchzte leise.

„Ich werde es dir erzählen, weil ich weiß, was Beth dir bedeutet hat. Aber es muss unter uns bleiben. Du darfst unter keinen Umständen mit jemanden darüber sprechen!" Sie erwiderte nichts doch ich nahm an, dass sie nickte, denn mein Vater begann schließlich zu erzählen:

„Du hast dir doch Sorgen gemacht, weil Beth gestern nicht zur Arbeit kam und wir sie telefonisch auch nicht erreicht haben. Das fanden wir beide merkwürdig. Also bin ich heute vor der Arbeit bei ihnen vorbeigefahren. Niemand hat geöffnet, aber ihr Auto stand in der Einfahrt. Da bin ich ums Haus gelaufen." Er holte tief Luft.

„Die Scheibe vom Stubenfenster war gesplittert und blutverschmiert. Und der Teil des Hauses, den ich einsehen konnte, war zerstört. Die Möbel waren umgeworfen und zerfetzt. Selbst die Wände sahen aus, als wären sie mit einem Messer bearbeitet worden. Ich bin zurück zum Auto und habe den Polizeichef informiert. Die Straße wurde abgesperrt, die Bürger angewiesen in ihren Häusern zu bleiben. Dann haben sie die Tür geöffnet." Seine Stimme war monoton geworden. Er wollte das, was er gesehen und gefühlt hatte, nicht wieder an sich heranlassen.

„Sie haben das Haus gesichert. Ich habe in der Zwischenzeit Carola informiert. Sie ist sofort gekommen. Und schließlich wurden wir gebeten uns anzusehen, was sie gefunden hatten." Nun war ihm der blanke Horror deutlich anzuhören. „Ich musste Beth identifizieren Mary. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Sie hatte nie eine Chance."

Ich konnte mir vorstellen, wie er sich fühlte. Ich hatte ganz unwillkürlich das Bild des sterbenden Leo vor Augen.

„Wer war das Steven? Wer hat ihr das angetan? Kennen wir ihn?"

Einen Moment lang schwieg mein Vater unentschlossen. Dann antwortete er und mir lief es eiskalt den Rücken herunter: „Es war ein Werwolf Mary. In der Stube lag ein toter Werwolf!"

Between the linesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt