Kapitel 1

401 5 0
                                    

Dies ist der Nachfolger von "Dafür leg ich meine Beine ins Feuer":
Der Regen prasselte laut gegen mein Fenster und ließ mich hochschrecken. Ich schaute verschlafen auf die Uhr und bemerkte, dass mein Wecker sowieso in fünf Minuten geklingelt hätte. Deswegen stellte ich ihn aus und stand auf. Ich schaute aus dem Fenster und beobachtete, wie sich die Bäume in unserem Garten aufgrund des Windes hin und herwogen. Langsam tappte ich in die Küche und setzte mich zu meinen Eltern und Geschwistern. Kayla war im Gegensatz zu mir und meinem Bruder ziemlich wach. Sie quietsche und brabbelte aufgeregt vor sich hin. Andrik hingegen schien jeden Moment wieder einzuschlafen und mit dem Gesicht in sein Brötchen zu fallen. Ich lächelte. Es schien so, als hätten wir beide keine wirkliche Lust auf den ersten Schultag nach den Ferien und auch das Wetter unterstützte unsere Schlaftrunkenheit. Nachdem ich gefrühstückt hatte, schlich ich ins zuerst wieder in mein Zimmer und begab mich dann ins Bad. Ich wusch mich, putzte meine Zähne und zog mir eine ausgewaschen Jeanshose mit einem grauen T-Shirt an. Meine Haare ließ ich wie immer offen, sodass sie sanft meine Schultern berührten.

Ich setzte meine Schultasche auf und folgte meinem Bruder nach draußen. Die Nässe und Kälte trat mir entgegen und ich schloss den Reißverschluss meiner dunkelblauen Jacke. Die Kapuze zog ich mir tief ins Gesicht, während meine Hände in die Jackentaschen Platz fanden. Durch das Rauschen des Regens hörte ich eine Stimme. „Yara!“, wiederholte sie. Ich drehte mich um und sah, wie meine beste Freundin auf mich zurannte. Ich begrüßte sie lächelnd und das Grinsen in ihrem Gesicht schien alle Müdigkeit aus mir zu verbannen. Plötzlich fühlte ich Aufregung in mir aufsteigen. Ab heute ging ich in die siebte Klasse. Endlich würde ich alle meine Freunde wiedersehen. Taylor und ich beschleunigten unser Tempo und kamen einige Minuten später durchnässt in unserem dunklen Klassenraum an. Wir setzten uns auf zwei freie Plätze in der letzten Reihe und tauschten unsere Erlebnisse der Sommerferien aus. „Terrortouristische Monstersintflut“, erklang eine Jungenstimme neben mir, „Was ist das für ein Wetter?“ „Ja, verdammt, es ist Sommer.“, antwortete der Junge mit der Coca-Cola-Glas-Brille seinem besten Freund. Kaum bemerkten sie uns, fingen Joschka und Raban auch schon an, auf uns einzureden. Ich hatte die beiden seit mehreren Wochen nicht mehr gesehen und war froh, dass sie noch ganz die Alten geblieben waren. Unsere Klassenlehrerin betrat den Raum und schaltete das Licht an, was uns alle blinzeln ließ.

Zusammen mit Raban, Joschka und Taylor ging ich auf den Schulhof. Es hatte immer noch nicht aufgehört zu regnen und als es zur Pause geklingelt hatte, hatten meine Klassenkameraden nur müde aufgestöhnt. Schon von weitem sah ich, wie die wilden Kerle an ihrem Stammplatz standen und sich unterhielten. Wir stellten uns zu ihnen, woraufhin sie uns fröhlich begrüßten. Auch Fabi und Juli hatten sich händchenhaltend zu ihnen gesellt. Ich ließ meinen Blick durch die Runde schweifen und blieb an einem Paar brauner Augen hängen, die mich ebenfalls anschauten. Mein Herz machte einen kurzen Sprung und ich wandte meinen Blick automatisch ab. Der Regen nahm immer und immer mehr zu, sodass wir alle unsere Kapuzen aufsetzten und regelrecht gegen das Unwetter anschreien mussten, um unsere Worte zu verstehen. Maxi kramte einen kleinen schwarzen Regenschirm aus seinem Rucksack und spannte ihn auf. „Möchtest du mit unter meinen Schirm kommen?“, rief er und schaute mich dabei an. Ich wurde rot und nickte. Ich nahm meine Kapuze ab und hörte den anderen weiter zu. Maxi hielt den Regenschirm fest in seiner Hand und passte auf, dass er über uns beide gerichtet war. Ich sah zu ihm hinauf, da er in den Wochen, in welchen ich ihm nicht begegnete, ganz schön gewachsen war. Er bemerkte, dass ich ihn beobachtet hatte und lächelte mir mit seinem berühmten lautlosen grinsenden Lächeln zu. Ein Kribbeln verbreitete sich in mir und schwappte durch meinen ganzen Körper. Ich spürte, wie es meinen Hals emporkroch und konnte mein Grinsen nicht unterdrücken. Woher kam dieses komische Gefühl so plötzlich? Es musste sicherlich daran liegen, dass ich meinen besten Freund lange nicht gesehen hatte und mich nun umso mehr freute, ihn wiederzusehen. Hoffentlich, dachte ich, hoffentlich liegt es daran. Nachdenklich starrte ich hinaus in den kalten, nassen Regen.

~Meine Beine, meine Seele~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt