„Beeil dich, sonst kommen wir noch zu spät.“, drängte ich Taylor und half ihr schließlich, ihre Tasche zu packen. Gleich hatten wir Sportunterricht und würden, wie von unserem Lehrer angekündigt, Fußball spielen. Nachdem meine beste Freundin endlich ihre Schultasche aufgesetzt hatte, rannten wir durch den Flur und reihten uns schließlich bei Raban, Joschka und Enna, die bereits vorgegangen waren, ein. „Hottentottenalptraumnacht, wir dachten schon, ihr hättet von Herrn Maximilian höchst persönlich Fußballverbot bekommen.“, grinste Raban nun und Joschka ergänzte lachend: „Oder der Hexe von Bogenhausen.“ Ich schüttelte lachend den Kopf: „Und selbst wenn das passiert wäre, hätte uns das niemals aufgehalten. Dann hätten wir sie halt zuerst auf den Mond geschossen.“ „ Und danach direkt in die Hölle.“, lächelte Taylor. An der Sporthalle angekommen rannten wir in unsere Umkleidekabinen und zogen uns im Handumdrehen um. Wir waren die ersten in der Sporthalle, weswegen wir uns einen Fußball nahmen und ein bisschen umherkickten. Später wurden wir in vier Teams eingeteilt, von denen immer zwei gegeneinander spielen sollten. Ich war mit Raban, Lilith, einem Mädchen namens Tiara und zwei Jungen namens Nils und Philipp in einem Team. Nils ging ins Tor, während wir anderen uns aufs Feld stellten. Im gegnerischen Team waren keine meiner Freunde, denn die feuerten mein Team jetzt schon von der Bank aus an. Wir waren unseren Gegnern definitiv überlegen und schlugen sie deshalb 4:0 in 15 Minuten. Jetzt spielten die beiden anderen Teams gegeneinander. Ich feuerte Joschkas, Ennas und Taylors Team an und auch sie gingen als Gewinner vom Spielfeld. Als nächstes spielten die beiden Verliererteams gegeneinander. Doch das bekamen wir kaum mit, da Joschka uns jetzt zurief: „Wir werden euch besiegen.“ „Das ich nicht lache.“, gab Raban zurück, „Wir katapultieren euch ohne Umwege direkt in Hölle.“ Nur ein paar Minuten später standen wir uns auf dem Spielfeld gegenüber. Joschka bekam den Ball zuerst. Er schoss ihn direkt zu Taylor, die ihn auf unser Tor zudribbelte. Doch ich hielt sie auf und nahm ihr den Ball gekonnt ab. Über die Köpfe der anderen lupfte ich ihn zu Raban, der das Leder weiter zu Tiara schoss. Diese dribbelte es übers Feld und schoss es dann zu Philipp, der direkt vor dem gegnerischen Tor stand. Er nahm den Fußball an und schoss in die untere linke Ecke des Ziels. Der Torwart unserer Gegner sprang auf den Ball zu und erwischte ihn ganz knapp. „Pass auf, dass Markus nicht neidisch wird.“, rief Raban dem Jungen zu, der nun verdattert auf dem Boden lag, während er den Ball zu Enna rollte. Die schoss ihn blitzschnell zu Taylor und das schwarzhaarige Mädchen dribbelte erneut übers Feld. Doch dieses Mal ließ sie sich nicht von mir aufhalten und schoss zu Joschka, der den Ball annahm und erneut zu Taylor kickte. Meine beste Freundin versenkte ihn direkt im Tor und jubelte. „Das kriegst du zurück.“, entgegnete ich mit einem wilden Lächeln. Tiara bekam den Ball zuerst und schoss ihn direkt zu mir. Ich dribbelte das Leder übers Feld und kickte es schließlich zu Raban, der es gekonnt annahm. Er hatte die Augen nur auf den Ball gerichtet, weshalb er Joschka jetzt versehentlich ein Bein stellte, kurz strauchelte und sich wieder fing, bevor er den Ball ins Netz schoss. Der gegnerische Torwart blieb regungslos stehen, während das Leder an ihm vorbeirollte. Er hatte seinen Blick auf etwas hinter Raban gerichtet. Der Junge mit der Coca-Cola-Glas-Brille jubelte, doch als er dem Blick des Gegners folgte, schnappte er erschrocken nach Luft. Joschka lag hinter ihm auf dem Boden und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das rechte Schienbein. „Beim Fettnäpfchenflaschengeist, das tut mir leid.“, rief Raban und kniete sich neben seinen besten Freund. Unser Sportlehrer kam zu uns geeilt. „Kannst du auftreten?“, fragte er besorgt, nachdem er alle anderen Schüler außer Raban und mich schon in die Umkleidekabinen geschickt hatte. Der schwarzhaarige Junge versuchte dies erst garnicht, sondern schüttelte nur den Kopf, während die ersten Tränen über sein Gesicht flossen. Unser Lehrer bedeutete ihm, sein Bein auszustrecken. Er tastete es vorsichtig ab, während Joschka leise wimmerte und sich mit seiner linken Hand so sehr in meinem Arm festkrallte, dass ich beinahe aufgeschrien hätte. Der Blick unseres Sportlehrers wurde immer besorgter, bis er schließlich sagte: „Das sieht nicht gut aus. Am Besten rufe ich einen Krankenwagen.“ Ich riss entsetzt die Augen auf, während Joschka laut zu schluchzen begann und Raban in eine Schockstarre verfiel. Schon wenige Minuten später verließ unser Lehrer die Sporthalle und kam mit ein paar Sanitätern wieder herein. „Am Besten zieht ihr euch jetzt um. Raban, es wäre nett, wenn du Joschkas Tasche heute Mittag zu ihm nach Hause bringen könntest.“, befahl er uns freundlich, aber bestimmt.
„Krokodilstränen-Sintflut!“, jammerte Raban, „Das ist alles nur meine Schuld.“ Wir standen an unserem Stammplatz auf dem Schulhof und hatten dem Rest der wilden Kerle natürlich sofort erzählt, was passiert war. Juli, der nun auch zu uns gekommen war, hatte seine Mütze abgenommen und raufte sich die Haare: „Verflixt, warum musst du nur so tollpatschig sein, Raban?“ „Entschuldigung.“, flüsterte der Junge mit der Coca-Cola-Glas-Brille und sah zu Boden, doch Juli seufzte: „Ich hab das nicht so gemeint. Ich mache mir doch nur Sorgen.“ „Wie wir alle hier.“, entgegnete Maxi und legte die Hand auf die Schulter des rothaarigen Jungen, „Aber so etwas kann nun einmal geschehen.“ „Genau“, erwiderte Marlon, „Das hätte jedem von uns passieren können. So ist Fußball nunmal.“ „Danke.“, lächelte Raban in die Runde und schob seine Brille zurecht.
Ich schloss die Haustür auf und ging in mein Zimmer. Meine Eltern waren noch arbeiten, Andrik hatte sich mit seiner Freundin verabredet und Kayla war bis abends bei meinen Großeltern. Ich begann, meine Hausaufgaben zu machen. Immer wieder spielte sich Joschkas Unfall vor meinen Augen ab und ich seufzte kläglich. Die Sonne näherte sich bereits dem Horizont, als ich mein Heft endlich schloss. Plötzlich klopfte es an meiner Zimmertür. Ohne auf eine Antwort zu warten öffnete mein Bruder sie langsam. Ich stand erschrocken von meinem Schreibtischstuhl auf: „Was ist passiert?“ Die Augen meines Bruders waren rot und angeschwollen und er zitterte am ganzen Körper. „Clara…“, flüsterte er kraftlos, „Sie hat Schluss gemacht.“ Ich legte meine Arme sanft um ihn und streichelte über seinen Rücken, während er sein Gesicht leise schluchzend in meiner Schulter vergrub. Plötzlich wirkte mein Bruder überhaupt nicht mehr größer und älter als ich. Er schien winzig klein und zerbrechlich. Beinahe fühlte ich mich wie seine große Schwester. Eine Ewigkeit standen wir so da und eine Ewigkeit lang flüsterte ich immer und immer wieder: „Das tut mir so leid.“ Endlich verstand ich, wie stark mein Bruder immer gewesen war. Er war immer für mich da gewesen und deswegen war ich es jetzt für ihn.
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~Meine Beine, meine Seele~
Fanfiction„Denkst du das ist Seelenverwandtschaft? Wenn Schweigen mehr ausdrückt als Worte es jemals könnten und wenn man weiß, dass man niemals allein ist. Wenn die Liebe und Fürsorge einer einzigen Person einen vor dem Ertrinken schützt und wenn ein Blick v...