Ich saß an meinem Schreibtisch und bearbeitete meine Hausaufgaben. Etwas anderes hatte ich auch nicht zu tun, denn schließlich hatte ich Hausarrest. Und das noch acht lange Tage. Ich freute mich sogar auf morgen, da ich die anderen wilden Kerle dann in der Schule wiedersehen würde. Die zwei Tage Wochenende waren für mich beinahe die Hölle gewesen, doch zum Glück war jetzt schon Sonntag Abend. Andriks Stimme drang durch meine geschlossene Tür und bat mich zum Abendessen. Schweigend saß ich mit meiner Familie am Esstisch. Ich war immer noch ziemlich sauer auf meine Mutter, weshalb ich in den letzten Tagen nur wenige Worte mit ihr gewechselt hatte. Das erwiderte sie und so ging ich ein paar Minuten später immer noch schweigend in mein Zimmer. Seufzend ließ ich mich in mein Bett fallen. Die Zimmerdecke schien mir beinahe auf den Kopf zu fallen und am liebsten hätte ich den Putz von den Wänden gekratzt. Ich musste hier raus. Doch dieser Gedanke half nichts. Ich musste meine Strafe absitzen, ob ich wollte oder nicht. Meine Augen fielen langsam zu, weshalb mir schnell meinen Schlafanzug anzog und mich dann in mein Bett kuschelte.
Ein Klopfen drang in mein Ohr und dann direkt in meine Träume. Unterbewusst drehte ich mich um und zog mir die Decke über den Kopf. Doch das Klopfen wollte einfach nicht aufhören, egal was ich tat. Also setzte ich mich blinzeln auf und sah mich verschlafen in meinem Zimmer um. Der Mond schien durch mein Fenster und erzeugte kleine, blasse Schatten. Wieder hörte ich ein Klopfen. Es ging von einem meiner Fenster aus, das ich jetzt vorsichtig öffnete. Neben der Garage, deren flaches Dach an meine Zimmerwand grenzte, standen Joschka und Raban. Der Junge mit der Coca-Cola-Glas-Brille setzte gerade zu einem neuen Wurf mit dem kleinen Stein in seiner Hand an, als Joschka seinen Arm herunterzog. „Was wollt ihr?“, flüsterte ich, als die beiden zu mir empor sahen. Joschka antwortete leise: „Komm runter. Wir wollen trainieren!“ Ich sah sie an, als hätten sie mir gerade erklären wollen, dass der dicke Michi fliegen konnte. Es war dunkel und mitten in der Nacht. Wie kamen sie auf die Idee, jetzt Fußball zu spielen? Die beiden Jungen sahen mich bettelnd an, also nahm ich seufzend ein Buch, meine Fußballschuhe und meinen Fußball. Das Buch klemmte ich so an mein Fenster, dass sich dieses nicht mehr schließen konnte. Vorsichtig kletterte ich aus meinem Zimmer und stieg auf das Dach der Garage. Von dort aus warf ich Joschka und Raban den Fußball zu und kletterte dann langsam an einem Seitenpfeiler herab. Die Freunde sahen mich beeindruckt an und ich grinste: „Worauf wartet ihr noch?“ Lachend liefen wir los und schlugen den Weg zum Teufelstopf ein. Joschka und Raban erleuchteten mit ihren Taschenlampen den Weg vor uns. Als wir im Hexenkessel aller Hexenkessel ankamen, warteten die anderen bereits auf uns. „Da bist du ja endlich.“, begrüßte mich Maxi lächelnd und trat vor. Ich spürte, wie ich rot anlief und war froh, dass es dunkel war und man mich kaum sehen konnte. Doch das änderte sich jetzt. Denn Leon rannte zu Willis Kiosk und legte einen Schalter um, der einen surrenden Laut von sich gab. Über uns flackerte helles Licht und die Flutlichtanlagen des Teufelstopfes erleuchteten unser Spielfeld. Ich staunte und sah in den Himmel. „Kommt, lasst uns spielen!“, forderte Marlon uns auf, „Es ist schließlich nicht ewig Nacht.“ Wir stimmten ihm zu und teilten schnell unsere Teams ein. Dann begannen wir zu trainieren.
Es hatte begonnen zu regnen und wir standen zitternd da. Doch in unseren Augen brannte das wilde Feuer. Leon schaltete die Flutlichtanlage aus und lobte uns für das vergangene Spiel. Wir machten uns langsam auf den Rückweg. Meine Beine taten weh und ich schleppte mich müde voran. Die anderen hatten sich schon vorher von mir verabschiedet, doch Maxi hatte darauf bestanden, mich nach Hause zu begleiten. Dort angekommen formte er seine Hände zu einer Räuberleiter, sodass ich problemlos auf das Garagendach kam. Dann passte er mir den Fußball zu und lächelte mich glücklich an: „Gute Nacht. Und bis später.“ Ich nickte und erwiderte seine Worte, bevor ich durch mein Fenster kletterte und wieder in mein Bett kroch. Sofort packte mich der Schlaf. Doch schon kurze Zeit später riss ich meine Augen wieder auf, weil mein Wecker klingelte. Ich seufzte kläglich und stand schlaftrunken auf. Meine Zimmertür ließ ich sperrangelweit aufstehen, als ich mich auf den Weg in die Küche machte. Schweigend frühstückte ich, während meine Mutter sich ein paar Minuten später zu uns setzte. Prüfend sah sie mich an: „Warum bist du denn so müde?“ „Ich konnte gestern einfach nicht gut einschlafen.“, log ich, doch so leicht kam ich nicht davon: „Ach ja? Und warum ist dein Fußball dann so dreckig? Du warst in den letzten Tagen doch gar nicht draußen.“ Ertappt riss ich die Augen auf. Aus dieser Situation kam ich so leicht nicht mehr heraus. „Den habe ich einem Freund geliehen.“, stammelte Andrik plötzlich, „Er hat ihn gestern Abend zurückgebracht. Das hast du sicherlich nicht mitbekommen.“ Meine Mutter nickte bedächtig, aber ließ dann von uns ab. Am liebsten wäre ich meinem Bruder um den Hals gefallen. „Danke, du hast mich vorhin gerettet.“, lächelte ich deshalb auf dem Weg zur Schule. Mein Bruder nickte nur und entgegnete dann ernst: „Beim nächsten Mal solltest du früher zurückkommen.“
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~Meine Beine, meine Seele~
Fanfiction„Denkst du das ist Seelenverwandtschaft? Wenn Schweigen mehr ausdrückt als Worte es jemals könnten und wenn man weiß, dass man niemals allein ist. Wenn die Liebe und Fürsorge einer einzigen Person einen vor dem Ertrinken schützt und wenn ein Blick v...