Kapitel 19

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Meine Zimmertür knarrte und Schritte schlichen über den Fußboden. Ich drehte mich müde auf die andere Seite meines Bettes. Doch nun wurden Vorhänge aufgerissen und die Sonnenstrahlen der warmen Sommersonne kitzelten mich an der Nasenspitze. Ich blinzelte verschlafen, während sich meine Mutter wieder zurück zur Tür bewegte und mich schmunzelnd ansah: „Wenn du noch länger schläfst musst du mit Maxi im Schlafanzug picknicken.“ Mein Herz begann zu hüpfen, als ich ihre Worte hörte und langsam legte sich ein Lächeln auf meine Lippen. Nur eine Millisekunde nachdem meine Mutter aus dem Raum gegangen war sprang ich aus meinem Bett und durchwühlte meinen Kleiderschrank. Ich entschied mich schließlich für ein hellblaues und weites Sommerkleid. Darunter zog ich meinen bunt gestreiften Bikini. Meine Haare band ich zu zwei Zöpfen zusammen. Ich wollte gerade stürmisch das Haus verlassen, als meine Mutter mir mit einem energischen Blick Sonnencreme vor die Nase hielt. Ich seufzte und cremte mich in Windeseile ein. Erneut öffnete ich die Haustür, doch dieses Mal drückte mir Mama einen kleinen Picknickkorb Korb in die Hand. Ich gab ihr zum Dank einen Kuss auf die Wange und flüchtete schließlich wortlos. Allerdings kam ich nicht weit, denn ich stieß beinahe mit Maxi zusammen, der mir ebenfalls entgegenrannte. Er lachte, als wir uns beide von unserem Schreck erholt hatten: „Scheint so, als wären wir beide heute spät dran gewesen.“ Ich grinste und band den Picknickkorb auf mein Fahrrad: „Stimmt. Deswegen wird es allerhöchste Zeit, dass wir ins Freibad fahren.“ Doch „Tippkick“ schüttelte den Kopf. „Folg mir einfach.“, lächelte er geheimnisvoll und stieg auf sein Fahrrad. Ich fragte ihn immer wieder wohin wir fuhren, doch er tat jedes Mal so als würde er mich nicht hören. Aber vielleicht tat er ja auch gar nicht nur so. Vielleicht trug der Fahrtwind meine Worte statt zu Maxi in den Wald hinein, durch den wir jetzt fuhren. Zumindest redete ich mir das ein. Ich genoss die angenehme Kälte auf meiner Haut, die im Kontrast zum ziemlich heißen Wetter stand. Die Bäume und Büsche zogen immer weiter an uns vorbei und schließlich wurde die Erde unter uns immer mehr durch Sand abgelöst. Der Wald lichtete sich und nun konnte ich auch sehen, dass zu unserer rechten Seite ein riesiger See lag. Mir fiel die Kinnlade herunter, als ich das kühle Wasser und den warmen Sandstrand kombiniert mit einzelnen Bäumen des Waldes erblickte. Und jetzt bogen wir auch noch ab und fuhren direkt auf den See zu. Maxis Fahrrad kam zum Halten und er lehnte es behutsam an einen Baum am Rande des kleinen Strandes. Ich tat es ihm gleich und löste mein Proviant. Wir entfernten uns ein Stück von unseren Rädern und fanden uns schließlich in der Mitte des Strandes wieder. Mein bester Freund breitete seine Picknickdecke aus und stellte seinen Picknickkorb darauf ab. Ich tat es ihm nach und setzte mich anschließend auf die Decke. Die Blätter über uns tauchten die Hälfte unseres Rastplatzes in einen tanzenden Schatten und der Sand strich an unseren nackten Füßen entlang. „Tippkick“ entleerte seinen Picknickkorb und zauberte schließlich zwei Flaschen Apfelsaftschorle, sowie Kekse mit Schokostückchen und mit Schokolade überzogene Erdbeeren, die auf der Hochzeitsfeier von Herrn Maximilian und der Hexe von Bogenhausen auf jeden Fall unsere Verkostung gewonnen hatten, hervor. Gemeinsam lugten wir in meinen Picknickkorb und staunten nicht schlecht, als wir eine noch kalte Benjamin-Blümchen-Torte, Himbeeren und Weintrauben darin auffanden. Wir drapierten aufgeregt unsere Vorräte auf unserem Untergrund und fanden uns augenblicklich im Schlaraffenland wieder.

Vollgestopft und satt lagen Maxi und ich nebeneinander auf der Picknickdecke. Die Blätter tanzten noch immer über uns und spielten ihre Schattenspiele. Das leise Rauschen des Wassers kombiniert mit dem Zwitschern der Vögel machte mich ganz schläfrig und immer wieder erwischte ich mich dabei, wie meine Augen langsam zufallen wollten. Auch „Tippkick“ bemerkte das und lachte: „Es ist doch jetzt keine Zeit zum Schlafen! Folge mir.“ Er stand auf und zog seine ganze Kleidung bis auf seine Badehose aus. Ich folgte seinem Zeichen und zog ebenfalls mein Kleid aus, sodass mein Bikini zum Vorschein kam. Mein bester Freund nahm mich bei der Hand und zog mich hinter sich her. Schließlich hielt er an und befahl mir dann meine Augen zu schließen. Misstrauisch folgte ich seinem Befehl. Maxi drehte mich um 180 Grad und navigierte mich ein paar Schritte nach vorn. Dann legte er seine Hände vorsichtig von hinten an meine Taille. Ich biss mir auf die Lippe um nicht zu kichern, denn ich war nicht nur kitzelig, sondern auch verdammt verliebt in den Jungen hinter mir. Und zwar so richtig kitschig verliebt. Rosa-Prinzessinnen-und-Märchenprinz-verliebt. Bei-ihr-sind-die-Sommersprossen-explodiert-verliebt. Ich verkleinerte automatisch meine Schritte, als sich mein Untergrund änderte. Auch Maxis Griff verstärkte sich. „Stopp!“, sagte er nach einer Ewigkeit und ich konnte an seiner Stimme hören, dass sich ein Grinsen auf sein Gesicht geschlichen hatte, „Du kannst Deine Augen jetzt öffnen.“ Ich blinzelte wegen dem hellen Sonnenlicht, das in mein Gesicht schien und sah schließlich an mir herunter. Ich stand direkt am Ende eines riesigen Baumstammes, das waagerecht über dem See schwebte. Und das mindestens fünf Meter, da war ich mir sicher. Erschrocken wich ich zurück, woraufhin Maxi mich sichernd festhielt und mir von hinten die Anweisung gab herunterzuspringen. Mir lag schon eine Beschwerde auf der Zunge, doch dann löste ich mich von „Tippkick“ und ging den letzten Schritt allein. Ängstlich blickte ich über die Kante und meine Knie begannen zu zittern. „Du musst das auch nicht machen.“, beruhigte mein bester Freund mich, doch ich flüsterte nur: „Aber ich will.“ Erneut vergingen einige Minuten und dann spürte ich, wie „Tippkick“ meine Hand griff und mir aufmunternd zulächelte: „Lass uns zusammen springen.“ Ich erwiderte sein Lächeln: „1…“ „2…“, kam es von dem braunhaarigen Jungen zurück und „3!“, schrie ich nun. Unsere Füße lösten sich von der Baumrinde, die bereits Abdrücke hinterlassen hatte. Die Farben um mich herum verschwammen und dann war alles still. Maxi und ich hielten noch immer unsere Hände und schwebten gemeinsam im Weltall, das aus reinem Wasser bestand. Obwohl ich meine Augen geschlossen hatte konnte ich die sanften Sonnenstrahlen spüren, die die Oberfläche durchdrangen. Die Luftblasen rollten an meinem Gesicht entlang und suchten sich einen Weg nach oben. Dann tauchten wir auf und waren wieder von all den Farben und Klängen umgeben, die zuvor auch dagewesen waren. Wir beide prusteten und lachten, während wir uns unsere nassen Haare aus dem Gesicht strichen.

Die Sonne schien mir auf den Rücken, während ich erschöpft auf der Picknickdecke lag. Nach dem ersten Mal waren Maxi und ich noch zahlreiche Male ins Wasser gesprungen und hatten uns gegenseitig Wettrennen geliefert. Jetzt starrte der Junge neben mir an unserer Blätterdach und hatte die Arme unter seinem Kopf verschränkt. Ich hatte meinen Kopf auf die Seite gelegt und beobachtete ihn grinsend durch meine nassen Haarsträhnen. Erneut ergriff mich die Entspannung und Müdigkeit und sosehr wie ich auch gegen sie ankämpfen wollte, gewann sie schlussendlich trotzdem. Dieses Mal eilte Maxi auch nicht zur Rettung, sondern überließ mich meinem Schicksal. Mein Grinsen verwandelte sich in ein sanftes Lächeln und ich driftete langsam aber sicher in meine Traumwelt ab. Ich bemerkte nur noch, wie „Tippkick“ mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht strich und mit seiner warmen Hand beruhigend über meinen Rücken streichelte.

~Meine Beine, meine Seele~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt