Kapitel 3

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Die warme Sommersonne schien durch mein Fenster und tauchte mein Zimmer in ein helles Licht. Die Sonnenstrahlen fielen auf mein Gesicht und weckten mich langsam auf. Heute war zum Glück Samstag, weswegen ich hatte ausschlafen können. Ich streckte mich und ging in die Küche, um zu frühstücken. Anschließend duschte ich, putzte mir die Zähne, kämmte meine Haare und zog mir eine kurze Jeanshose in Kombination mit einem weißen Top an. Ich machte mir einen hohen Zopf, griff nach meinem Portemonnaie und einem Schlüssel und verließ das Haus. Einige Minuten später kam in an der besten Eisdiele Grünwalds an, die Leons und Marlons Vater gehörte. Ich hatte mich heute hier mit den wilden Kerlen verabredet, da es definitiv zu warm zum Fußballspielen war. Keiner meiner Freunde war zu sehen, also war ich vermutlich die Erste. Ich setzte mich an einen Tisch vor der Eisdiele und wartete. Der Vater der beiden Jungen und Führer der Eisdiele entdeckte mich direkt und gesellte sich zu mir: „Leon und Marlon müssten gleich kommen. Sie gehen gerade mit Socke spazieren.“ Ich musste schmunzeln, da ich wusste, wie sehr die Brüder es hassten, die Verantwortung für ihren Hund zu übernehmen. Vanessa traf ein und begrüßte uns von weitem und als auch Joschka und Raban eintrafen, fragte der Eisverkäufer: „Wollt ihr schon etwas bestellen?“ Wir alle nickten, da wir genau wussten, was wir wollten. Ich bestellte selbstverständlich den „Camelot Deluxe“, meinen Lieblingseisbecher. Ein paar Minuten später trafen auch Maxi, Nerv, Markus, Marlon und Leon ein. Wir unterhielten uns lachend, während das Eis in unseren Kehlen verdampfte und uns angenehm abkühlte. Die Sonne brannte direkt auf uns herab und ließ uns träge auf unseren Stühlen sitzen.

Ich wollte gerade einen weiteren Löffel von meinem Eis nehmen, als sich zwei Hände in mein Sichtfeld schoben. Sie hielten mir vorsichtig die Augen zu und waren lauwarm. Überrascht nahm ich sie und schob sie beiseite, ohne auf die Reaktion der anderen wilden Kerle zu achten, die mindestens genauso erstaunt waren, wie ich selbst. Ich stand auf und drehte mich um. Vor mir stand ein schwarzhaariger Junge, der ungefähr in meinem Alter zu sein schien. Ich wusste, dass ich ihn kannte, aber konnte ihn dennoch nicht zuordnen. Mein Blick fiel auf den Anhänger seiner Kette. Es war ein Stein, in dessen Mitte ein Loch prangte. Durch dieses war eine Schnur gefädelt, die der Junge um seinen Hals trug. Ich riss die Augen auf und ein Stahlen legte sich auf mein Gesicht. Ich fiel dem Jungen um den Hals, der sanft seine Arme um mich legte. „Ich hätte dich kaum wiedererkannt.“, ertönte Leons Stimme hinter mir. Nerv wandte sich an unseren Anführer: „Ihr kennt ihn? Wer ist das?“ „Das ist Jojo.“, beantwortete ich seine Frage, nachdem ich mich aus der Umarmung gelöst hatte, „Er gehörte auch einmal zu den wilden Kerlen.“ „Wie ich sehe trägst du immernoch Yaras Kette.“, grinste Vanessa, als sich der Junge zu uns setzte. Der antwortete lächelnd: „Und ob ich das tue. Ihr seid schließlich die wildeste Fußballmannschaft. Und ich bin froh, ein Teil davon gewesen zu sein.“ Bei seinem letzten Satz sah er zwinkernd zu mir, was mich erröten ließ. „Wie ist es in Hamburg?“, wandte ich ein, woraufhin Jojo zu schwärmen begann. Er spielte zwar kein Fußball mehr, doch er hatte viele Freunde gefunden und seine Eltern waren ebenfalls toll. Doch er hatte uns vermisst und wollte uns unbedingt besuchen, weswegen er jetzt hier war. „Und was ist bei euch so passiert? Gehört der jetzt auch zu den wilden Kerlen.“, ergänzte er nun mit einem amüsierten Lächeln zu Nerv. Der blonden Junge stand ohne zu Zögern auf: „Ja, das tue ich. Ich bin Nerv und ich habe die wilden Kerle mit meinem Seitfallflugvolley gerettet! Das war nämlich so…“

„Nerv, du nervst.“, warf Marlon gelangweilt ein, als der Junge endlich die Geschichte der Attacke der biestigen Biester beendet hatte. „Ich weiß, das ist mein Schicksal.“, antwortete Nerv stolz, bevor er sich wieder setzte.“ „Scheint so, als hätte ich dich doch unterschätzt.“, meinte Jojo grinsend und nahm einen Schluck von seinem Milchshake. Maxi, der gegenüber von mir saß, hatte die ganze Zeit über kein Wort von sich gegeben. Das war zwar nicht besonders auffällig, da er oft schwieg, doch er schien Jojo mit seinen Blicken scheinbar wieder nach Hamburg oder doch ans Ende der Welt schicken zu wollen. Die Sonne sank bereits tiefer und ich erhob mich: „Ich gehe jetzt nach Hause.“ „Soll ich mit dir mitkommen?“, fragte Jojo, ohne zu Zögern. „Möchtest…“, ich räusperte mich kurz, um mein Grinsen zu unterdrücken, als ich zu Maxi sah, „Möchtest du auch mitkommen?“ Schlagartig wich jegliche Wut aus dem Blick von „Tippkick“ und machte einem strahlenden Lächeln Platz: „Natürlich.“ Wir verabschiedeten uns von dem Rest der Mannschaft und gingen schweigend durch die Straßen Grünwalds. Vor meiner Haustür umarmte ich erst Jojo und anschließend Maxi zum Abschied. Als ich meine Arme um „Tippkick“ legte und dieser mich sanft näher an sich herandrückte, erwachten die Tausend Schmetterlinge in meinem Körper wieder und flogen wild umher. Ich wartete, bis meine Freunde außer Sichtweite waren. Erst dann steckte ich den Schlüssel ins Schloss, trat in mein Zuhause ein und lehnte mich seufzend an die geschlossene Tür.

~Meine Beine, meine Seele~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt